Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth
Aufstandes neben dem regulären Militär als Selbstschutz eingesetzt zu werden. Da sich aber nun die innerpolitische Lage überraschenderweise derart konsolidiert hat, daß zur Niederschlagung einer kaum zu erwartenden Linksrevolution die vorhandenen regulären Machtmittel des Staates vollständig ausreichen, andererseits die außenpolitische Lage –
HAUPTMANN
unterbricht ihn: Das ist gelogen. Jedes Wort. Es ist eine Schande! Meine Soldaten sind keine Polizei, keine Nachtwächter, das ist die Armee der nationalen Revolution! Wir haben uns gefunden, nicht um diesen Staat zu schützen, sondern um diese Republik zu zertreten, wir kämpfen für die nationale Diktatur und nicht für die internationale Schweinedemokratie!
DER BUNDESSEKRETÄR
– andererseits die außenpolitische Lage die Möglichkeit, wenn auch nicht einer Versöhnung, so doch der wirtschaftlichen Annäherung der Nationen erhoffen läßt. Wir Deutsche müssen trotz aller Demütigungen diesen Weg betreten aus nationalem Interesse, um die bürgerliche Wirtschaftsordnung zu festigen. Die maßgebende Stelle mußte sich also entschließen – dieser Entschluß fiel ihr nicht leicht – die sofortige Auflösung Ihrer, ich wiederhole: sogenannten Armee zu befehlen. Die maßgebende Stelle wird ihr möglichstes tun betreffs Unterbringung Ihrer Leute in einem bürgerlichen Beruf.
HAUPTMANN
Danke.
Stille.
Das habe ich eigentlich erwartet, daß ich wieder verraten werde. Wir verzichten auf den bürgerlichen Beruf, dazu muß man geboren sein. Ich denke nicht daran, Verbrechern an deutschen Gedanken, und nennen sie sich auch maßgebende Stelle, zu gehorchen! Sagen Sie es ihr, daß ich auf die Festigung der bürgerlichen Wirtschaftsordnung pfeife, daß ich an keine Versöhnung glaube und daß ich kämpfen werde, bis Deutschland wieder gefürchtet wird!
DER BUNDESSEKRETÄR
Ich mache Sie aufmerksam: Falls Sie sich nicht freiwillig auflösen, so haben wir die Gewalt, es zu erzwingen. Unter allen Umständen, mit allen Mitteln! Das Wohl des deutschen Volkes kommt vor Ihrem Landsknechtehrgeiz! Sie sind umzingelt und –
HAUPTMANN
unterbricht ihn: Mit Artillerie! Ich weiche nicht! Sie sind in der Nacht herangeschlichen und wollen mich fangen, ich breche am hellichten Tage durch und trage die Fahne bis Berlin!
DER BUNDESSEKRETÄR
Ich bitte Sie, nicht zu deklamieren. Ergeben Sie sich, oder Sie tragen die volle Verantwortung für ein völlig sinnloses Blutvergießen. Es ist deutsches Blut.
HAUPTMANN
Sie sind kein deutsches Blut! Sie beugen sich vor Schwarzrotdreck! Ich beuge mich nicht! Lieber deutsches Blut vergießen, als die nationale Wiedergeburt vernichten! Ich fürchte mich nicht!
DER BUNDESSEKRETÄR
Ich mache Sie aufmerksam, daß die Inflation anfängt aufzuhören. Ergeben Sie sich –
HAUPTMANN
unterbricht ihn: Nein!
DER BUNDESSEKRETÄR
Falls Sie sich fügen, so kann ich Ihnen inoffiziell erklären, daß ich für meine Person alles daransetzen werde, Sie vor Strafe zu bewahren. Sie verstehen mich?
HAUPTMANN
Strafe? Strafe? Wofür? Daß ich mich nicht verraten lasse?!
DER BUNDESSEKRETÄR
Sie sind ein Mensch, dem man ab und zu seine Lage klar machen muß –
HAUPTMANN
unterbricht ihn: Ich verzichte! Ich sehe klar! Ich kenne Freund und Feind!
Stille.
DER BUNDESSEKRETÄR
Ich gebe Ihnen Bedenkzeit.
HAUPTMANN
Unnötig!
DER BUNDESSEKRETÄR
Sollten Sie nicht die weiße Fahne hissen, so eröffnen wir, so weh es uns auch tut und so gerne wir es vermeiden möchten, das Feuer. Die Verantwortung tragen Sie, daß wir für das deutsche Vaterland gezwungen sind, auf deutsche Männer zu schießen.
HAUPTMANN
Ich übernehme die Verantwortung.
DER BUNDESSEKRETÄR
Sie werden sie tragen. Ab mit den beiden regulären Soldaten. Pause. Morgenwind.
HAUPTMANN
Diese Hunde! Diese Hunde! Die gemeinsten Verräter sitzen hinter den eigenen Kulissen! – Hast du gehört, daß sich die maßgebende Stelle versöhnen will?
HALEF
Ja, das habe ich auch gehört.
HAUPTMANN
Lauter Hunde! Glaubst denn du an den Frieden?
HALEF
Ich weiß nichts.
HAUPTMANN
Es hat keinen Frieden zu geben, Halef! Jetzt fangen wir an zu existieren! Wir! – Lauf zu Salm, er soll sofort mit den Seinen –
HALEF
unterbricht ihn: Salm ist samt seiner Puppe und Herrn Rübezahl verschwunden, als es bekannt wurde, daß wir umzingelt sind. Fort. Ausgerückt.
HAUPTMANN
Ausgerückt?
HALEF
Hast du das gehört, was dieser Bonze sagte, das mit der Strafe?
HAUPTMANN
Hast du Angst?
HALEF
Ja. Ich hab Angst.
HAUPTMANN
So verschwind, feiges Vieh!
HALEF
Zu Befehl! Ich lös mich selbst auf. Das würde ich an deiner Stelle auch tun. Ab.
HAUPTMANN
Halt das Maul! Noch bin ich nicht verreckt? Erst wenn mich die Würmer fressen, dann löse ich mich auf! Ich bin noch ich!
Soldaten der sogenannten Armee erscheinen.
Soldaten! Die nationale Armee marschiert, trotz aller feilen Huren der Politik, die den lieben, der sie verachtet! Die regulären Regimenter knien vor Schwarzrotdreck – die eigenen Bundesbrüder haben uns umzingelt und drohen, uns in wenigen Minuten niederzuschießen, wenn wir nicht reuig um Gnade betteln. Wer sich ergibt, ist kein Soldat! Man will uns vernichten! Sie winseln um Frieden beim Feind und wollen uns für immer verbieten! Sie wollen es nicht, daß wir existieren, sie erdolchen uns zum zweiten Male, sie schämen sich der nationalen Revolution!
EIN SOLDAT
tritt vor: Hauptmann! Ich bin Soldat. Ich kämpfe gegen den Feind. Ich hasse diese Republik, aber ich schieße nicht sinnlos auf deutsche Soldaten.
HAUPTMANN
Das sind keine Soldaten, das sind Halunken!
DER SOLDAT
Das sind Deutsche wie wir.
HAUPTMANN
Wenn das noch Deutsche sind, dann ist jeder Rote ein Deutscher!
EIN ZWEITER SOLDAT
Ist er auch! Ist er auch!
Stille.
HAUPTMANN
Wer war das?
DER ZWEITE SOLDAT
tritt