Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth
Du, du Hund. Du Hund! Er schlägt ihm vor die Brust, daß er zurücktaumelt.
In der Ferne fällt ein Kanonenschuß.
EIN DRITTER SOLDAT
tritt vor den Hauptmann und drängt ihn langsam zurück: Hauptmann! Ich ergebe mich. Ich mag nicht mehr. Ich war vier Jahr im Feld, der Krieg ist aus. Aus! Verstanden? Sie haben mich zu dir gezwungen, deine Herren Barone, sonst hätten sie meine Familie vernichtet, die feinen Herren Gutsbesitzer! Ich scheiß auf deine nationale Revolution! Jetzt ist Schluß mit dem Krieg! Ich geh nicht mehr unter die Erde, ich bin bei lebendigem Leibe verschimmelt!
HAUPTMANN
zieht den Revolver: Zurück! Das ist Verrat vor dem Feind! Meuterei!
DER DRITTE SOLDATAT
schlägt ihm den Revolver aus der Hand und gibt ihm eine gewaltige Ohrfeige: Da hast du Verrat! Da hast du Meuterei!
HAUPTMANN
brüllt: Wache! Wache!
DER DRITTE SOLDATAT
ohrfeigt ihn: Da hast du Wache! Da hast du Wache! Kanonenschuß.
DER ZWEITE SOLDATAT
Wir fallen nicht für dich!
DER ERSTE SOLDAT
Auf dem Felde deiner privaten Ehre!
DER DRITTE SOLDATAT
Auf keinem Felde eurer sogenannten Ehre! Kameraden! Die weiße Fahne! Die weiße Fahne! Kanonenschuß. Soldaten fliehend ab. Hauptmann allein.
SLADEK
kommt: Hauptmann. Sie haben die Gefangenen befreit. Ich glaub, es ist Meuterei. Sie haben mich geohrfeigt, besonders der eine. Sie sagen, man schießt – Hauptmann! Du bist voll Blut.
HAUPTMANN
lächelt böse: So?
SLADEK
blickt empor: Was surrt da? Wie das surrt – In der Nähe schlägt eine Granate ein.
HAUPTMANN
Sie zielen hierher! Sie müssen mich treffen! Marsch, Sladek! Das gilt nur mir! Nur mir!
SLADEK
Mir auch.
HAUPTMANN
Nur mir! Nur mir! Wo bist denn du?! Wer seid denn ihr?! Nichts! Nichts! Marsch, Sladek! Marsch!
SLADEK
Ich hab keine Angst. In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht. Es surrt.
HAUPTMANN
Sie beschießen mich mit Artillerie!
SLADEK
deutet auf das Fort: Hauptmann! Die weiße Fahne! Reguläre Soldaten erscheinen rings auf den Hügeln. Hauptmann lacht die Soldaten aus. Sladek hebt die Hände hoch, ergibt sich.
DRITTER AKT
VIII. DIE JUSTIZ DER WIEDERERSTARKUNG
Der Untersuchungsrichter verhört den verhafteten Franz.
FRANZ
Ich protestiere gegen meine Verhaftung.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
dieselbe Person wie Der Bundessekretär: Sie geben zu, diesen Artikel verfaßt zu haben?
FRANZ
Ja.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Sie behaupten in diesem Artikel, daß eine maßgebende Stelle der deutschen Republik entgegen unseren außenpolitischen Verpflichtungen heimlich Soldaten geworben und ausgebildet hat, die unter dem Kommando eines ehemaligen Hauptmanns eine sogenannte schwarze Armee gebildet haben. Sie schreiben fernerhin, daß diese Truppen zum Schutze ihrer Existenz Selbstjustiz übten – Sie reden von Feme. Sie wagen die ungeheuerliche Behauptung, daß aus Angst vor Enthüllung Menschen zu Tode gemartert wurden und nicht nur verratsverdächtige, sondern auch vollkommen Unschuldige. Sie »enthüllen«, daß der Hauptmann zu guter Letzt der Gefangene seiner eigenen Feme wurde, die aus moralisch und geistig minderwertigen Subjekten bestand, die zu guter Letzt also die wahre Befehlsgewalt hatten. Sie berühren hier auch ein Verbrechen, einen nachgewiesenermaßen ganz gewöhnlichen Mord, nämlich den Fall Sladek. Leider konnte dieser Sladek noch immer nicht verhaftet werden.
FRANZ
Leider. Sonst würde er es Ihnen selbst erzählen, daß das kein »gewöhnlicher« Mord war, sondern eine sogenannte Hinrichtung im sogenannten Interesse des sogenannten Vaterlandes. Er hat es mir selbst erzählt, als ich mich in der Gewalt der Feme befand, die mich totgeprügelt hätte, wäre die ganze schwarze Armee nicht von der maßgebenden Stelle aufgelöst worden.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Ich warne Sie in Ihrem eigenen Interesse.
FRANZ
Danke.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Sie ziehen in Ihrem Schrieb den Schluß, daß die maßgebende Stelle offenbar den Bankrott ihrer innerpolitischen Pläne erkannte und deshalb die sogenannte schwarze Armee zwang, sich aufzulösen. Sie erzählen hier ein Märchen von einer Schlacht mit Artillerie.
FRANZ
Das ist kein Märchen.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Es gab keine Schlacht mit Artillerie, es gab lediglich den lächerlichen Putschversuch einer winzigen Gruppe Ultrarechtsradikaler, eine Wahnsinnstat nationalkommunistischer Haufen!
FRANZ
Das ist nicht wahr. Das war die Armee der sogenannten nationalen Revolution! Das waren die Söldner der Reaktion, die unter der Maske der nationalen Diktatur die Entrechtung und Versklavung des eigenen Volkes erstrebten!
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Das ist krankhaft.
FRANZ
Die schwarze Armee sollte die Republik stürzen, das heißt: die Plattform zur Schaffung des wahren Volksstaates mit Artillerie zertrümmern.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Es gab keine schwarze Armee!
FRANZ
Ich selbst sollte totgeprügelt werden, weil ich der Republik dienen wollte! Ist es nicht grotesk, daß mich nun die Justiz dieser Republik, für deren Leben ich fast fiel, verurteilen will, weil ich sie vor ihren falschen Freunden warne?
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Nein, das ist nicht grotesk.
FRANZ
Daß Sie das als gerecht empfinden, darüber bin ich mir klar.
UNTERSUCHUNGSRICHTER
Sie sind verhaftet wegen eines Verbrechens des versuchten Landesverrates. Des »versuchten«, merken Sie sich das! Ich warne Sie. – Ein jeder Deutsche hat die Pflicht, auch entgegen Gesetz gewordenen, uns aufgezwungenen außenpolitischen Verpflichtungen zu wissen, was dem Deutschen Reiche schadet; zeigt er dafür kein Gefühl, so ist er entweder ein gemeingefährlicher Phantast oder ein Feind des Landes. Des Staates Wohl gebietet, ihn vom Fleck weg zu verhaften.
FRANZ
Das Wohl des wahren Staates ist das Wohl des Volkes. Der alte Staat