Nur keine Panik. Wolfram Pirchner

Nur keine Panik - Wolfram Pirchner


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erste Seminararbeit ein glattes »Nicht genügend« und leider habe ich auch die wichtige Proseminararbeit so richtig vergeigt. Ich möchte, dass ihr diese Noten in der richtigen Relation betrachtet!

      In Liebe,

       eure Tochter …

      (Beispiel aus dem Mentalcollege Bregenz)

      Was tust du in so einem Fall? Wie reagierst du, wenn dir Vergleichbares passiert? Was dir beim Herauskommen aus welchem Schlamassel auch immer ganz sicher hilft, ist dein erster Schritt. Der erste Schritt, um ins Tun zu kommen. Die meisten Menschen, denen es schlecht geht oder die es zumindest so empfinden, fühlen sich ab dem Moment, von dem an sie ins Tun kommen, deutlich besser. Warum? Aktivität bedingt eine biochemische Veränderung im Gehirn. Neurotransmitter und Hormone werden ausgeschüttet und bedingen Reaktionen im psychischen und physischen Bereich. Schon das berühmte Orakel von Delphi hat vor ca. 3000 Jahren den durchaus vernünftigen Rat erteilt: Erkenne dich selbst! Kluge Menschen sind damals schon darauf gekommen, dass man das eigene Ich zuerst einmal erkennen muss, es dann meistern muss (leicht gesagt beziehungsweise geschrieben …), erst dann kann man sich auf einen Weg zu einem guten Leben machen. Zu einem guten Leben für sich selbst. Aber weit sind wir, wenn wir ehrlich sind, nicht gekommen. Auffallend ist auch, so berichten Experten, dass die Stimmung von Menschen, wenn sie über sich reflektieren, normalerweise eine schlechte ist. Wenn jemand über sich nachdenkt, ohne geschult zu sein, dann sind die ersten Gedanken, die im Gehirn, im Geist entstehen, zumeist negative, deprimierende. Die Fähigkeit der Reflexion kann und sollte man erlernen und in der Folge beherrschen, denn sonst verschlimmert das Nachdenken unsere Lebensqualität, anstatt sie zu verbessern.

      Ins Tun kommen.

      Vielleicht sollten wir das Grübeln auch lassen und das Nachdenken über das eigene Ich, so wir das wollen, besser mit professioneller Hilfe angehen. Wie lautet die Lösung? Ins Tun kommen. »Machen« statt »gemacht werden«. »Hin zu« anstatt »weg von«. Ins Tun kommen heißt, du wirst dich besser fühlen. Von optimalen Bedingungen oder gar Genesung innerhalb kurzer Zeit reden wir hier noch lange nicht. Es geht um den ersten Schritt, es geht um die ersten Schritte deiner persönlichen Wanderung. Vielleicht wird es auch eine anstrengende Bergtour. Es geht um das Aufwachen aus deiner Lethargie, um die erste Initiative. Schrittweise. Was du ganz sicher brauchst und was du auch zulassen solltest, sind Nachsicht und Geduld – mit dir selbst. Behandle dich ab sofort besser, gehe sorgfältiger mit dir um. Von anderen würdest du das hoffentlich nie akzeptieren, wie du selbst fallweise mit dir umgehst. Was du dir gefallen lässt. Mir ist es lange Zeit so ergangen. Nach außen hin war alles meistens super, spitze, toll, in Ordnung. Nach außen. Ist dir das wichtig? Was die anderen über dich reden, wie du nach außen wirkst, auf die anderen? Auf jene, die über dich reden? Und sie reden meistens nicht gut über dich, glaube mir. Die Neider und die Missgünstler. Die Spießer, die selbst überhaupt nichts zusammenbringen. Ich merke das heute schon im Zusammenhang mit unserer Tochter, wie Erwachsene und sogar auch Kinder im Umfeld neidig sind. Darauf, dass sie hübsch ist, dass sie gut ist, dass sie ehrgeizig ist, dass sie erfolgreich ist in der Schule, dass sie eine Supersportlerin ist, dass wir erfolgreich sind, dass wir ein schönes Haus haben usw. Sie sind auf alles neidig. Nicht alle, aber ich weiß es ganz genau. Man spürt das, wenn man sensibel und wachsam ist. Du siehst es in ihren Gesichtern, du spürt es in ihrem Verhalten. Aber es ist völlig belanglos und egal und es darf dir auch nichts ausmachen, das ist der Punkt.

      Im Fluss sein.

      Ich bin also mit mir schlecht umgegangen. Und nur wenige Menschen haben es bemerkt. Als ich zum ersten Mal massive Schwindelgefühle, vermeintlich Kreislaufprobleme, spürte, nahm ich die Dienste einer Ärztin in Anspruch, die auch Akupunktur machte. Damals erlebte ich zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie einen »Flow«, also »Fluss«. Im Fluss sein, ohne Blockaden. Als sie mir die Akupunkturnadeln am Kopf, an der Stirn, der Nase, am Hals, an den Schultern und verschiedenen Bereichen des Körpers setzte, dachte ich mir: Toll, ich habe eine Nadelaversion, was mache ich hier? Was heißt Aversion, ich hatte eine Heidenangst, eine Panik, vor Nadeln. Und an und für sich war ich alternativen Methoden wie der Akupunktur gegenüber nicht gerade wohlwollend eingestellt. Plötzlich staken gefühlte 200 Nadeln in meinem Leib. Es waren rund 20. Es war ein komisches Gefühl, ich lag auf einer bequemen Liege in einem ruhigen, freundlichen Zimmer und mein Körper begann zu summen. Ich hatte zumindest das Gefühl, dass er summt. Natürlich summte mein Körper nicht, das wäre ja noch schöner gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Blut in Wallung, im schnellen Fluss war, und sagte dann auch zur lieben Frau Doktor: »Mir wird ein bisserl schwindelig, mein Blut rast so schnell.« Sie beruhigte mich und sagte, dass ich meine Meridiane fühlen würde und meine Blockaden sich lösten. Meine Energie würde fließen. Meine Energie fließt? Na Servus. Meine Meridiane? Was zum Teufel sind Meridiane? Sie erklärte mir, dass meine Lebensenergie »Qi« nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) auf Energiebahnen, den Meridianen, durch den Körper strömt und an mehr als 700 Punkten die Hautoberfläche berührt. Fließt die Qi-Energie harmonisch, ist der Mensch gesund. Krankheit und Schmerz sind dagegen Ausdruck von Disharmonien im Qi-Fluss. Sie können durch äußere oder innere Einflüsse wie Kälte, Wärme, falsche Ernährung, aber auch psychische Faktoren entstehen.

      Die Akupunktursitzungen, einmal wöchentlich, taten mir gut. Bis ich auf einmal, als ich auf der Liege lag, eine Panikattacke bekam, die sich gewaschen hatte. Ich wusste aber nicht, dass es eine Panikattacke war. Ich dachte an meinen Kreislauf, meinen niedrigen Blutdruck und japste und jammerte, gespickt von vielen Nadeln, vor mich hin, bis die Frau Doktor kam, mir gut zuredete und mir von meinen Meridianen erzählte. Das lenkte mich ab und ebenso die Panikattacke. Sie war nicht mehr dominant. Und während ich interessiert feststellte, dass ich die Meridiane nachzeichnen hätte können, war sie auch schon wieder verschwunden. Super, dachte ich, meinem Kreislauf geht es wieder besser. Meinem Kreislauf …

      Ganz blöd waren die Chinesen ja nicht, seit rund 3000 Jahren schätzt man die Akupunktur-Therapie in China als wirksame Hilfe bei Schmerzen, funktionellen und seelischen Erkrankungen sowie zur Harmonisierung des Immunsystems. Seit den Siebzigerjahren hat auch die Schulmedizin bei uns die sanfte Heilkraft der Traditionellen Chinesischen Medizin entdeckt und in ihr Behandlungsspektrum aufgenommen. Akupunktur hat mir bei der Bewältigung vieler »Gschichterln« geholfen und ich kann sie ruhigen Gewissens empfehlen. Wie jedoch bei allen Dienstleistern, Schulmedizinern, TCM-Ärzten, Masseuren, Therapeuten etc. – du musst die Richtige/den Richtigen selbst finden. Und: Nicht jeder gute Trainer ist ein guter Fußballspieler.

       Panik Teil 1

      Das war schon etwas Einschneidendes, etwas Gewaltiges. Es ist lange her, das genaue Datum ist mir entfallen, aber es war in etwa im Februar 1995. Ich moderierte mit Hannelore Veit die Zeit im Bild 1, die wichtigste TV-Sendung im ORF, in Österreich, was heißt Österreich? Im Universum. ICH war der Auserwählte für diese Aufgabe. Die – ich flüstere ehrfurchtsvoll – Zeit im Bild. Das war etwas Tolles. Ich, der Tiroler, der Provinzler – griasch di! – durfte oder musste, je nach Interpretation, die Hauptabend-Nachrichtensendung moderieren. Nur nebenbei: Vom tatsächlichen Arbeitsaufwand her war das nicht zu vergleichen mit Willkommen Österreich zum Beispiel – ich meine das ursprüngliche, das einzig wahre Willkommen Österreich, das äußerst erfolgreiche, quotenstarke Nachmittagsmagazin in ORF 2. Etwa sechs bis sieben Moderationen musste sich jeder von uns pro Zeit im Bild »umschreiben«, mundgerecht machen und dann von der »Autocue« ablesen. »Autocue« ist die Vorrichtung, die deinen Text gespiegelt vor dem Kameraobjektiv einblendet und nach deinem jeweiligen Sprechtempo ablaufen lässt. Damit erweckst du den Eindruck, alles auswendig zu können. Die Moderationen werden von den Redakteuren, zumeist nachdem sie den Bericht gestaltet haben, vorgeschlagen. Das solltest du prinzipiell können, also umschreiben sowieso und dann kompetent wirkend ablesen. Erzählen. Da gab und gibt es auch »Sprechpuppen«, denen du als Zuschauer ein nervöses Augenzucken andichten willst. »Sprechpuppen« meine ich übrigens liebevoll – bevor sich da jemand auf den Schlips oder sonst wohin getreten fühlt. Ich bezeichne mich auch ganz gerne als solche. »Autocuelesen« ist schwierig und wenn man es nicht kann, ist das ein Problem. Ich weiß, dass man »Autocue-Lesen« nicht lernen kann, genauso wenig wie Moderieren. Entweder du kannst


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