Nur keine Panik. Wolfram Pirchner

Nur keine Panik - Wolfram Pirchner


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schreiben, wenn Sie das wollen«, meinte sie. Nun denn, ich ging hinunter, nahm meine Packung Zigaretten gierig-liebevoll in die Hand und dachte schon daran, wie gut mir die Zigerln schmecken würden, wenn ich nach der »Rauchentwöhnung« ins Auto steigen werde. Ich nehme also meine »letzte Zigarette« in die Finger, zünde sie an, ich erinnere mich noch an das fauchende Geräusch des Zündholzes, und dann ziehe ich, nein ich sauge den Rauch gierig in meine Lungen. Ist das ein Genuss! Oder doch nicht. Plötzlich wird mir übel, speiübel, und ich denke mir: Na super, jetzt fällt der Fernsehkasperl in Bregenz auf der Straße um, während er an seiner Abschiedszigarette nuckelt.

      Kein Kampf, kein Willensverzicht, keine Willenskraft. Versöhnung.

      Ich schnipse den Tschick auf die Straße – und das war es dann. Unfassbar nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen aus meinem engsten Umfeld, die mich doch ganz gut kennen und wissen, wie unbeherrscht, wie inkonsequent ich manchmal sein kann. Was hat sie gemacht, die Psychologin, die Frau Dr. Streubel-Gollob? Die Quintessenz des Seminars war schon das Gefühl, als hätten zwei Seelen (ach in meiner Brust) ein Tauziehen veranstaltet. Die eine schwelgt darin, wie schön es doch ist, zu rauchen, die andere trumpft mit Argumenten gegen das Rauchen auf. Alexandra Streubel-Gollob sagte mir, dass man an einen Punkt gelangen müsse, an dem man sich wünscht, dass alles anders wird. Das bedeutet Alarmstimmung. Beide Parteien rüsten also auf und machen sich bereit für die Schlacht. Ziel ist es, beide Stimmen, beide Seelen, beide Parteien zu versöhnen. Ein Bündnis zu schließen. Die Vereinbarung zu treffen, künftig an einem Strang zu ziehen. Das Ergebnis ist innerer Frieden. Kein Kampf, kein Willensverzicht, keine Willenskraft. Versöhnung. Klingt komisch, nicht? Aber ich habe es erlebt, wie es sich anfühlt, und ich rauche nicht mehr. Ohne Probleme, ohne mir Ersatzstoffe kaufen zu müssen, diese sonderbaren Glimmzigaretten oder Nikotinpflaster. Hinausgeworfenes Geld, meiner Meinung nach. Am Anfang ist es ein Rätsel, ich hatte auch ein flaues Gefühl im Magen. Heute lache ich befreit. Auch wenn ich daran denke, wie ich mir diesen berühmten Bestseller gekauft hatte, gierig darin las und mir ebenso gierig nach jeder fünften Seite eine Zigarette reinzog. Meine Lust am Rauchen wuchs bei der Lektüre dieses Buches. Das war wohl nicht die Intention des Autors, dessen Buch vielen hilft, dessen Seminare vielen helfen, aber mir halt nicht.

      Man darf und soll sich gratulieren. Man darf und soll sich wertschätzen. Man darf und soll sich loben.

      Handeln. Du machst etwas, damit hast du die Macht.

      Alles mit Maß und Ziel.

      Es fühlt sich an wie ein Sieg. Und zwar ein täglicher. Heute noch bin ich jeden Tag stolz auf mich, dass ich nicht mehr rauche. Ich gratuliere mir selbst dazu. Das darf man übrigens. Man darf und soll sich gratulieren. Man darf und soll sich wertschätzen. Man darf und soll sich loben. Und wenn jemand, egal wer, versucht, dich zur Zigarette zu überreden, obwohl sie oder er ganz genau weiß, dass du aufgehört hast zu rauchen, dann ziehe deine Konsequenzen. Wenn jemand spürt, wie sehr du mit dir und deinen zahlreichen Schweinehunden ringst (es gibt mehr als einen, glaube mir!), und er will dich (wieder) ins Rauchverderben ziehen, dann handle. Wenn dir das tatsächlich passiert, dann drücke den gedanklichen und in der Folge den realen Löschknopf. Den mentalen und jenen in deinem Handy. Weg mit diesem Kontakt. Auf Nimmerwiedersehen. Da brauchst du nicht lange zu überlegen. Jene oder jener will dich geradewegs in dein Verderben jagen und ermutigt dich auch noch dazu. Weißt du, warum er das macht? Damit er von seinen eigenen Schwächen, von den Myriaden von negativen Parametern in seinem Leben ablenken kann. Aber diese Mitmenschen gibt es, und sie sind dir oft näher, als du es ahnst. Sie sind es nicht wert, deine Freunde oder Bekannten zu sein. Das gilt übrigens auch für all jene, die sich ihr Maul über dich zerreißen. Was du anziehst, wie du dich bewegst, mit wem du dich triffst, was du und ob du arbeitest, wie du deine Kinder erziehst oder auch nicht, welches Auto du fährst, was du verdienst oder auch nicht, wie groß oder wie klein deine Wohnung oder dein Haus sind, was du isst, ob du zu dick bist und vieles mehr. Leute, die über dich reden. Tratschen. Dich ausrichten. Fies, gemein, hinterhältig – hinter deinem Rücken – über dich herziehen. Und die zum Teil dann auch, wenn du ihnen direkt begegnest, freundlich, sogar devot scheinen. Vergiss sie. Lösche sie aus deinem Leben. Wenn die Ausrichtungen, die Gerüchte, das Getratsche freilich zu verletzend, allzu ehrenrührig, verleumderisch und beleidigend werden, dann ziehe die Überbringer der schlechten Nachrichten auf deine Seite – meistens gelingt das – und dann schlage zu. Die Überbringer sind meistens Mitläufer, die interessierten Zuhörer, die dann wissend, manchmal peinlich berührt nicken, wenn sie deine Geschichten hören. Ziehe sie auf deine Seite. Verbünde dich mit ihnen. Du brauchst sie möglicherweise als Zeugen. Zerre die tatsächlichen Verursacher, die Lügner, die Verleumder, die Denunzianten und Diffamierer im Ernstfall vor Gericht, lasse ihnen von deinem Anwalt teure Briefe schreiben mit der noch freundlichen Aufforderung, das Getratsche einzustellen, weil es sonst teuer wird. Ignorieren? Nein, auf keinen Fall. Wehret den Anfängen! Frieden um jeden Preis? Warum? Nein. Handeln. Du machst etwas, damit hast du die Macht. Ich habe das in den letzten 30 Jahren zweimal mit großem Erfolg durchgezogen. Es ist sehr befriedigend, zu beobachten, wie jene ganz klein werden, die dich mit Schmutz bewerfen, die dich verteufeln, die dich herabsetzen. Es ist befriedigend, zu sehen, wie sie sich herausreden aus ihrem verleumderischen Wust. Es hat etwas Lustvolles, wenn sie sich winden wie Regenwürmer, die man aus der feuchten Erde zieht. Jenen sei gesagt: Haltet einfach die Klappe. Beschäftigt euch mit euch selbst und euren Misslichkeiten, bevor ihr anständige Leute anpatzt. Und euch Betroffenen sage ich noch einmal: Lasst es euch nicht gefallen. Handelt! Es funktioniert. Diplomatie ist hier völlig fehl am Platz.

      Jetzt habe ich die letzte Zigarette fast vergessen. Oder das letzte Glas Wein oder Bier. Wobei ich Wert auf die Tatsache lege, dass, im Gegensatz zur Zigarette, die alkoholabstinente Zeit ein Ende haben wird. Alles mit Maß und Ziel – das hat schon etwas. Nein sagen zu können. Das ist ein großes und umfassendes Thema. Vielleicht denkst du jetzt, ich sei völlig durchgeknallt, wenn ich dir sage, dass das etwas Erotisches hat: zärtliche, aber bestimmte Ablehnung. Wie oft möchtest du Nein sagen, traust dich aber nicht? Aus Rücksicht, aus leicht berührter Peinlichkeit, aus einer Hemmung heraus. Nein sagen kann so befreiend sein. Nein sagen erhöht deine Lebensqualität rasant. Nein sagen ohne Begründung. Das hat für mich etwas Triumphales, etwas leicht Orgastisches. Nur muss man es durchziehen. Nein sagen. Ohne Begründung und – ganz wichtig – ohne Emotion. Davon werde ich dir später noch mehr erzählen.

       Burn-out

      Rasch erschöpft war ich damals, in meiner Panikattacken-Zeit, reizbar, kraftlos. Dazu kam auch ein sonderbares Phänomen: Ich war matt, träge, faul nach außen, innerlich aber war ich angespannt, unruhig und nervös. Heute weiß ich, dass das alles Vorzeichen eines beginnenden Burn-outs waren. Burn-out gehört in die Hand eines erfahrenen Arztes, eines guten Diagnostikers. Die Diagnose Burn-out sollte meiner Meinung nach aus einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis heraus gestellt werden. In der vollen Ausprägung umfasst Burn-out die Erschöpfung auf der körperlichen, der geistigen und auch der seelischen Ebene.

      Es existieren immer noch keine zuverlässigen und konkreten Burn-out-Statistiken. Wenn man die Entwicklung der psychisch bedingten Krankenstandsraten und Berufsunfähigkeitspensionen beobachtet, dann ergibt sich ein beängstigendes Bild. Seelische Beschwerden verursachten im Jahre 2009 mehr als 2,4 Millionen Krankenstandstage in Österreich. Frauen liegen hier mit 1,5 Millionen deutlich vor den Männern. Vergleicht man dies mit Zahlen aus dem Jahr 1995, so ergibt sich für Frauen ein unglaublicher Anstieg von mehr als 155 Prozent, bei Männern von 88 Prozent. Auch die Spitalsaufenthalte, die einen psychischen Hintergrund aufweisen, stiegen seit Mitte der Neunzigerjahre um 96 Prozent an. Würden dann noch jene Krankenstands- und Spitalstage, die auf einer »Organdiagnose« beruhen und hinter denen sich als Auslöser ebenfalls ein Erschöpfungssyndrom verbirgt, hinzugerechnet, ergäbe sich ein noch viel problematischeres Bild. Auch die Erwerbsunfähigkeitspensionen, denen eine psychische Ursache zugrunde liegt, sind laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger seit 1995 um 116 Prozent gestiegen. Das sind alarmierende Zahlen, bedenkt man den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von 7 Milliarden Euro, den psychische Erkrankungen verursachen. Burn-out findet sich heute in allen Berufsgruppen, beruflichen Hierarchiestufen und in allen Lebensphasen wieder.


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