DARK ISLAND. Matt James

DARK ISLAND - Matt James


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durch die eigene Seite schwer verletzt wurde.« Ian entging nicht, dass sie das eigentliche Wort vermied und stattdessen von einem Zwischenfall sprach.

      Denn das damals war kein Zwischenfall gewesen.

      Das war ein Angriff.

      Mack sprach weiter. »Aus dem aktiven Dienst ausgeschieden, um zusammen mit seiner wunderschönen Schlaumeier-Gattin herumzureisen, und der Rest, ist, na ja, Geschichte.«

      Er dankte ihr mit einem Nicken schweigend für ihre Zurückhaltung. Sie hätte an dieser Stelle ebenso gut Abigails Tod erwähnen können, doch sie wusste, dass das nicht nötig war. Es fiel ihm nicht wirklich schwer, darüber zu reden; er sprach nur nicht gern darüber, wenn es nicht sein musste. Abgesehen davon kannte sie die Einzelheiten ohnehin aus den öffentlichen Aufzeichnungen. Er brauchte sie nicht über Dinge aufzuklären, die ihr ohnehin längst bekannt waren.

      Was hingegen die Dinge betraf, von denen sie noch nichts wusste …

      »Der Tunnel«, sagte er, nervös die Hände ringend. »Ich, ähm, habe ein kleines Problem mit dem Tunnel.«

      »Er haben Angst«, erklärte Babo mit einem verschlagenen Lächeln. »Wie kleines Baby.«

      Ian schloss die Augen und rieb sich fest die Schläfen. »Danke, Bob …«

      Babo lächelte. »Gern geschehen.«

      Ian schaute zurück zu Mack und verdrehte die Augen. Bisweilen konnte der große Kerl mit Sarkasmus nur wenig anfangen. Ian fiel es schon schwer genug, dem Hornochsen Englisch beizubringen, ganz zu schweigen davon, ihn all die feinen Nuancen zu lehren, die damit einhergingen.

      »Angst?«, fragte Mack ernst.

      Ian nickte. »Nach Abbys … nachdem mir meine Frau genommen wurde, habe ich es nie wieder über mich gebracht, nach dort oben zurückzukehren.«

      Mack wölbte eine Augenbraue. »Ähm, haben Sie sich in letzter Zeit mal im Spiegel angeschaut, Ian? Sie sehen nicht unbedingt wie jemand aus, der sich im Dunkeln fürchtet.«

      Er beugte sich vor und stürzte seine Ellbogen auf die Knie. »Vor der Dunkelheit habe ich keine Angst … ich fürchte mich vor dem, was in dieser Dunkelheit lauert.«

      »Und das wäre?«

      »Teufel«, entgegnete Babo, während er Ians Vorratskammer durchwühlte. »Die Kreaturen, die angegriffen ihn und seine Liebste.«

      Mack wandte sich wieder an Ian. »Die Teufel von Madagaskar … so haben Sie sie doch in dem Polizeibericht genannt, oder?«

      Er nickte schweigend, dann räusperte er sich. »Wissen Sie, was das für ein Gefühl ist, wenn Ihnen irgendein Monster aus der Hölle das Herz rausreißt und Ihnen dann alle einzureden versuchen, dass man sich das Ganze bloß eingebildet hat? Sie haben mich für den Mord an meiner Frau verurteilt – haben mich dafür in den Knast gesteckt, dass ich die einzige Frau getötet haben soll, die ich je geliebt habe!« Seine Stimme brach. Er musste sich beruhigen, andernfalls drohte er, einen hässlichen Heulkrampf zu kriegen. »Ich habe anderthalb Jahre meines Lebens hinter den Gitterstäben einer schimmeligen Gefängniszelle zugebracht, anstatt eigene Ermittlungen über ihren Tod anstellen zu können. Und als ich dann schließlich freigelassen wurde …« Seine Schultern sackten in sich zusammen. »Da fehlte mir der Mut, hoch auf den Gipfel zurückzukehren.«

      »Sie haben mehr getan, als Ihnen bewusst ist, Ian«, sagte Mack und beugte sich vor. »Sie haben es selbst gesagt: Sie haben das Ökosystem dieser Insel jahrelang studiert. Sie haben von einem der klügsten Köpfe in der Branche gelernt und dieses Wissen hier angewandt.« Sie stand auf. »Alles, was Sie brauchen, ist ein Schubs.«

      Ian stieß ein müdes Lachen aus. »Und Sie sind dieser Schubs?«

      »Warum denn nicht?«, entgegnete sie, die Hände in ihre schmalen Hüften gestemmt.

      Ian warf die Hände in die Höhe. »Ich wollte damit nicht sagen, dass ich das für unwahrscheinlich halte. Ich bin einfach … hören Sie, wenn wir diese Sache wirklich durchziehen, müssen wir verdammt vorsichtig sein. Die hiesige Regierung mag es nicht, dass ich mich auf dem Berg rumtreibe.«

      »Warum nicht? Das Massiv ist Teil eines Nationalparks.«

      Babo sagte etwas auf Malagassi und Mack wartete, dass ihr jemand seine Worte übersetzte. Ian räusperte sich. »In den letzten Jahren ist es zu mehreren weiteren Angriffen gekommen. Über die meisten davon wurde bislang nicht in den Medien berichtet.«

      »Bislang?«

      Ian nickte. »Aber irgendwann wird das natürlich passieren, und dann werden sie den ganzen Berg deshalb dichtmachen müssen. Doch viele der Menschen in dieser Gegend sind auf den Berg angewiesen; er sichert ihnen den Lebensunterhalt. Sie wissen schon, wegen des Tourismus und alldem.«

      Mack lehnte sich wieder zurück. »Von was für Angriffen genau sprechen wir hier?«

      »Es passieren immer nachts«, erklärte Babo. Dann hielt er sich die freie Hand vor die Augen. »Nur in Dunkelheit.«

      »Dann ist das, was auch immer dafür verantwortlich ist, nachtaktiv?«

      »Sieht ganz danach aus«, entgegnete Ian, ehe er weiter ausführte: »Ich nehme an, Sie haben von der Zunahme der seismischen Aktivitäten in dieser Gegend gehört?«

      »Ja, habe ich. Sie haben seinerzeit zu Protokoll gegeben, dass sich der Angriff nur wenige Sekunden nach dem damaligen Erdbeben ereignet hat.«

      »Das stimmt auch. Ich wurde auf dem Berg herumgeschleudert wie ein Pingpongball. Dann waren sie plötzlich da, wie aus dem Nichts – es waren drei. An alles, was danach passierte, kann ich mich nur noch ziemlich vage erinnern.«

      Das entsprach nur teilweise der Wahrheit. Er konnte sich nur zu gut daran entsinnen, wie Abigail davongezerrt worden war. Das war der Moment gewesen, in dem er dieses feuchte Gurgeln gehört hatte, als irgendetwas zustieß und ihre Kehle durchbohrte. Dennoch erzählte er den Leuten reflexartig, sich an nichts erinnern zu können, darum er nicht darüber reden musste.

      »Na ja«, fuhr Ian fort. »Wie schon gesagt, es hat seit damals weitere Angriffe gegeben, jeweils nach einem neuerlichen Beben. Die meisten davon waren allerdings nicht stark genug, dass man sie in der Stadt gespürt hätte, deshalb lässt sich das nur schwer mit Bestimmtheit sagen.«

      »Aber Sie glauben, dass es so ist.«

      »Ich habe es selbst erlebt.«

      Sie klatschte in die Hände und erhob sich. »Also, wann können wir loslegen?«

      Ian warf einen Blick auf seine Armbanduhr und grummelte verdrossen. »Nicht vor morgen früh.«

      »Morgen früh?«, echote Mack, die ihrerseits auf die Uhr schaute. »Es ist doch erst zwei Uhr nachmittags.«

      »Er hat heute aber keine Zeit.«

      »Wer? Dieser Nash-Typ?«

      Babo seufzte besorgt.

      Ian gebot ihm mit einem Winken, die Klappe zu halten. »Du weißt genau, dass wir das nicht ohne ihn machen können. Wenn wir auf die Jagd gehen wollen, brauchen wir seine Kanone.«

      »Was ist an diesem Kerl eigentlich so besonders?«, fragte Mack. Sie wirkte resigniert.

      »Thomas Nash ist das, was Sie als exzentrisch bezeichnen würden.«

      Babo lachte und tippte gegen seine rechte Schläfe. »Nein, er verrückt!«

      Kapitel 5

      Als das Tageslicht zusehends schwand, verabschiedete sich Babo und ging, um Mack mit einem Mann allein zu lassen, den sie gerade erst kennengelernt hatte, in einem Land, in dem sie noch nie zuvor gewesen war. Hätte ihr in diesem Moment jemand anderes gegenüber gesessen, wäre ihr unbehaglich zumute gewesen – insbesondere, wenn dieser Jemand so ausgesehen hätte, wie Ian. Doch genau das war der springende Punkt: Mack empfand ihm gegenüber keinerlei Abneigung.


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