Ein himmlisches Chaos. Katharina Grabner-Hayden

Ein himmlisches Chaos - Katharina Grabner-Hayden


Скачать книгу
Bären waren wahrscheinlich von seiner blutrünstigen rumänischen Verwandtschaft allesamt zu gefüllten Tatzen verarbeitet worden. Arme Tiere! So eine Gemeinheit!

      Und überhaupt wer kocht in Österreich zu Ostern schon rumänisch? Ich sicher nicht!

       »Poftă bună!«

      Mörderische Weihnachten

      oder

      Der heilige Gral des Odysseus

      Besonders zu Weihnachten bewährt sich die mentale Stärke meines geliebten Mannes.

      Er ist das Gegenteil von mir. Während sich die Kinder vor dem Fernseher prügeln räumt er die Zimmer auf, schafft so ganz nebenbei die Bügelwäsche in die Kästen, nimmt Glückwunschtelefonate ruhig und liebenswürdig entgegen und denkt an die Kekse, die er für den Weihnachtstisch gebacken hat. Inzwischen ärgere ich mich in der Küche beim Filetieren des Karpfens, der zu einem gelungenen Weihnachtsfest nach Meinung der Urgroßmutter unbedingt dazu gehört.

      Das Argument der betagten Dame ist stets das Gleiche. Schon die Mutter und vor ihr ihre Mutter, hätten sich in der Fastenzeit das Letzte abgehungert, um auf diese traditionell fette Kost nicht verzichten zu müssen. Bei jeglichem Versuch, sie von etwas anderem zu überzeugen, verfällt sie in Tränen und kommt mir stets mit dem Totschlagargument, es seien wahrscheinlich ihre letzten Weihnachten auf dieser wunderbaren Erde. Und weil ich kein Unmensch bin, vor allem nicht am Heiligen Abend, gibt es bei uns jedes Jahr gebackenen Karpfen mit Mayonnaise-Salat.

      Vor Jahren hatte die Urgroßmutter ihre Drohung aber wahr gemacht, und so stand der urgroßväterliche Witwer am Heiligen Abend sichtlich erfreut mit einer riesigen Weihnachtsgans vor der Haustüre.

      Wobei ich mir nicht sicher war, ob sich seine Freude auf die wiedergewonnene Freiheit bezog oder sie allein ihren Grund in der lang ersehnten kulinarischen Veränderung hatte.

      Das Pflichtputzen und Aufräumen meiner Mutter und meiner Schwiegermutter musste ich wie üblich und besonders an diesem Tage über mich ergehen lassen, dafür ersparte ich mir die sonntägliche Beichte, die Sünden büßte ich mit den beiden ohnehin jede Minute ab.

      Odysseus konnte wie gewohnt nichts aus der Ruhe bringen. Er schmückte mit den Kindern den Christbaum, dekorierte die Krippe und stapelte Hunderte Pakete unter den grünen, herrlich duftenden Baum. Seinem unbestrittenen Organisationstalent und seiner Gabe, die Mütter charmant, aber mit Nachdruck zu Tätigkeiten im Haus zu verpflichten, war es zu verdanken, dass wir beide gemütlich im Wohnzimmer eine Tasse Tee trinken konnten. Die Adventlieder aus dem Plattenspieler plätscherten vor sich hin und von fern konnten wir in seliger Eintracht die besorgten Zwistigkeiten aus der Küche vernehmen, ob die Gans mit oder ohne Honig zu bestreichen wäre.

      Odysseus ist ein gleichmütiger, besonnener Mensch. Die einzige unangenehme Eigenschaft, die mich als Ehefrau ein wenig nervt, ist sein exaltiertes Faible oder besser gesagt, sein neurotisches Verhalten, Tee richtig zu trinken.

      Seine Teekanne, ein prunkvolles Silberstück einer Erbtante, darf seit Jahren weder mit dem plumpen Gebräu getrockneter Früchte, noch mit einer anderen Flüssigkeit in Berührung kommen. Einzig dunkler englischer Schwarztee duftet aus ihrem Inneren.

      Mit Argusaugen beobachtet er die Reinigung derselben und machte mich schon in frühen Ehejahren mit der Sinnhaftigkeit einer Spülung mit reinstem Hochquellwasser vertraut. Weder Essig, noch Zitronensäure und um Gottes Willen kein Spülmittel darf die durch Jahre aufgebaute Patina stören.

      Gut, der Krug ist für Odysseus lebenswichtig und in Anbetracht anderer durchaus liebenswerter Vorzüge scheint mir ein aufmüpfiges Verhalten, zumindest seinem heiligen Gral gegenüber, überflüssig und unpassend.

      Nach geglückter Bescherung, tränenden Großmütteraugen und zufriedenen Kindern konnte einem ruhigen Abend nichts mehr im Wege stehen.

      Sollte man denken.

      Hungrig ließ sich die Großfamilie am Tisch nieder und erwartete gespannt die Gans, die uns nach Jahren Selbstüberwindung gegenüber glitschigen Teichbewohnern endlich eine willkommene Gaumenfreude versprach. Knödel, Kraut und der wohlig duftende Braten standen am Tisch, die Kinder jubelten.

      Bis meine Mutter stolz mit dem Bratensaft, der Krönung jeglicher Speise, bei der Türe hereinkam.

      Angeregte Gespräche verstummten jäh, das erhobene Besteck fiel uns aus den Händen, sogar die Pendeluhr hörte zu ticken auf. Klein Manuel ließ seine Flasche fallen und starrte erschrocken zur Türe, als hätte er den Leibhaftigen vor sich.

      Um dem Fest, der Gans, vor allem aber sich selbst besondere Bedeutung zu verleihen, war meine Mutter auf die ungeheuerliche Idee gekommen, den fetten Bratensaft aus dem heiligen silbernen Gefäß zu servieren.

      »Oh mein Gott! Papas Teekanne!«, schrie ein Kind in die Totenstille.

      »Jesus und Maria!«, betete der Großvater und fiel bewusstlos vom Stuhl.

      Die Schwiegermutter weinte still in sich hinein.

      Odysseus erhob sich schweigend und ging auf meine Mutter zu.

      Sie hob den Krug wie ein Schild vor ihr Gesicht und meinte mit zittriger Stimme, aus so einem Gefäß könnten die Kinder nicht patzen und überhaupt, sie würde ihn nachher mit Geschirrspülmittel und Essig putzen, es sei ja immerhin nur ein Krug.

      Das war meinem liebevollen und gleichmütigen Mann zu viel. Er fiel über sie her und fing die Erstaunte zu würgen an, während er ihr all die Grausamkeiten eines fünfzehnjährigen Ehelebens in meiner Familie vorwarf.

      »Drück zu, fester, fester!«, feuerten ihn die Kinder an, Klein Manuel klatschte im Takt.

      »Wach auf Liebes! Wach auf!«, rüttelte mich Odysseus aus meinen Träumen. Ich erschrak und fuhr schweißgebadet aus dem Bett hoch.

      »Lebt sie noch?«

      »Wer denn?«

      »Meine Mutter!«

      »Natürlich! Sie erfreut sich bester Gesundheit. Meine und deine Mutter werden dir heute bei der Weihnachtsgans helfen. Beide sind schon in der Küche.«

      »Welche Gans?«

      Mir graute vor dem Déjà-vu.

      »Sie wollten dich dieses Jahr mit einer Gans überraschen, weil du Karpfen so hasst. Ist dir das nicht recht?«

      »Nein, ganz und gar nicht!«, und dachte an meinen Traum und die schreckliche Vorsehung.

      »Am Heiligen Abend gab es und wird es bei uns immer Karpfen mit Mayonnaise-Salat geben!«, herrschte ich ihn an, rannte in die Küche und verkündete wild entschlossen den Großmüttern, die bereits zu kochen begonnen hatten, meine Entscheidung:

      Gebackener Karpfen mit Mayonnaise-Salat. Und keine weiteren Diskussionen!

      »Die weiß auch nicht, was sie will!«, flüsterte die Schwiegermutter meiner Mutter ins Ohr.

      Verständnisvoll nickend meinte daraufhin meine Mutter, dass bei ihr der Wechsel auch so begonnen hatte.

      Mich störte die Tuschelei nicht, ich ging ins Wohnzimmer und versteckte vorsorglich die Teekanne meines geliebten und gleichmütigen Ehemannes.

      Man kann ja nie wissen.

      Achtung, Parsifal verwirrt!

      1. Akt:

      »Wir wollten zum Festspielhaus, guter Mann!«, herrschte ich den Taxifahrer an, »Nicht zum Bahnhof!«

      Ich schaute aus dem Fenster, vor mir stand ein ästhetisch holprig wirkender klassizistischer Monsterbau. Seine dunkelrot gebrannten Backsteine ähnelten mehr einer Fabrikshalle englischen Stils als dem Walhalla deutschen Musikempfindens.

      »Das ist das Festspielhaus!«

      Der


Скачать книгу