Fiona - Sterben. Zsolt Majsai

Fiona - Sterben - Zsolt Majsai


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einen Film gucken. Nicholas erklärt sich bereit, den Fernseher auf der Terrasse aufzubauen.

      Ich sehe Katharina an. „Gehen wir auch ins Bett? So für ein paar Stunden?“

      „Klar. Meine Nacht war auch kurz.“

      „Na, dann bis später“, sagt mein Vater und zieht Mama mit sich.

      Ich winke den Mädchen zu, dann gehe ich mit Katharina nach oben. Dass sie schlafen wird, bezweifle ich allerdings.

      „Bis später. Und noch was: Ich liebe dich!“

      „Ich liebe dich auch“, erwidere ich lächelnd.

      Dann ziehe ich mich aus und einen Bademantel an. Einen ganz kurzen. Nur ist jetzt niemand da, dem das peinlich sein könnte. Während ich nach unten gehe, wird mir richtig bewusst, dass ich in diesem riesigen Haus allein bin. Bis auf die unsichtbaren Diener natürlich, aber die zählen nicht wirklich. Hat andererseits den Vorteil, dass ich auf niemanden Rücksicht nehmen muss und nackt schwimmen kann. Mein Handy lege ich für den Fall der Fälle auf einem der Tische ab, lasse den Mantel einfach fallen und springe ins Wasser.

      Es tut einfach nur gut. Ich schwimme mehrere Bahnen auf dem Rücken und sehe mir dabei den Himmel an. Mir wird klar, warum Menschen früher gedacht haben, da oben wäre etwas Besonderes. In gewisser Weise stimmt das ja auch, nur nicht so, wie die Menschen sich das vorstellen.

      Irgendwann wird es langweilig und ich klettere aus dem Wasser. Selbst die späte Septembersonne hat noch ordentlich Kraft. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Fast eine Stunde ist seit Katharinas Anruf vergangen. In einer weiteren Stunde ist ihr Meeting zu Ende, dann fährt sie los und um halb sieben haben wir wilden, leidenschaftlichen Sex.

      Ich mache mir einen Sour à la Fiona, lege mich auf eine Liege und nippe genüsslich an meinem Drink. Vielleicht das erste Mal seit drei Wochen … Moment mal. Es sind genau drei Wochen. Heute ist Mittwoch.

      Ich überlege kurz, ob ich das Glas durch die Gegend werfen soll. Letztlich ist es mein Handy, das den Geistern, oder was das für Geschöpfe auch immer sind, das Saubermachen erspart.

      Ich werfe einen Blick auf das Display. Ben. Das war es wohl mit dem Sex um halb sieben?

      Missmutig nehme ich den Anruf an: „Ja?“

      „Oha, bist du schon wieder oder immer noch unausstehlich?“

      Ich liebe Ben. Er bringt mich mal wieder zum Lachen.

      „Geht schon. Eigentlich ging es mir ganz gut, bis mir einfiel, dass wir Mittwoch haben.“

      „Oh. Das tut mir leid. Ist Katharina bei dir?“

      „Ich bin allein. In dem ganzen, großen, supergroßen Haus bin ich allein. Um genau zu sein, bin ich gar nicht im Haus, sondern liege neben dem Pool, nachdem ich fast eine Stunde geschwommen bin.“

      „Nackt?“

      „Ja. Aber wieso interessiert dich das? Bleib du schön auf deiner Seite, ich bleibe auf meiner.“

      Ich höre ihn förmlich grinsen. „Keine Sorge. Hör mal, du warst heute früher aus dem Büro weg als sonst.“

      „Ja. Und?“

      „Dein Besuch hat dich verpasst.“

      „Hä? Besuch? Was für Besuch?“

      „Eine junge Frau und ein junger Mann. Sie wurden ziemlich ungehalten, als sie dich nicht vorgefunden haben, da hat Monica meine Kollegen gerufen. Als ich die Adresse gehört habe, bin ich einfach mal mitgefahren. Also, die beiden sind schon etwas seltsam. Sie hat total blaue, ultrakurze Haare. Er ist auch … irgendwie anders. Ich kann nicht sagen, was, aber etwas ist sehr anders an ihnen. Ich glaube nicht, dass es Menschen sind.“

      „Wo sind sie jetzt?“

      „Erst einmal in einer Zelle. Sie sind auch brav mitgegangen, aber mein Gefühl sagt mir, wir konnten sie nur verhaften, weil sie es zugelassen haben.“

      „Okaaay. Soll ich hinkommen?“

      „Na ja, vielleicht ist es wichtig. Immerhin wollten sie dich sprechen. Monica meint, sie haben nicht den Eindruck gemacht, als wollten sie dir was tun.“

      „Also schön, ich bin gleich da.“

      „Gut. Aber zieh dir vorher was an.“

      Haha. Ich laufe in unser Zimmer und denke über den Anruf nach. Auf Bens Instinkt kann man sich normalerweise verlassen, vor allem, seitdem er weiß, dass da mehr ist, als es uns die Unis und die Kirche weismachen wollen. Aber irgendwie eigenartig ist das schon.

      Ich ziehe Jeans, T-Shirt und Sportschuhe an und begebe mich in die Garage. Nach kurzem Nachdenken entscheide ich mir für einen 7er. Schlüssel finde ich im Handschuhfach und drücke den Startknopf. Der Motor geht kaum hörbar an.

      Ich gebe unterwegs ordentlich Gas, denn trotz allem ist es nicht ausgeschlossen, dass Bens Gäste es sich anders überlegen. Als ich vor dem Polizeipräsidium parke, verrät mir ein Blick auf die Uhr, dass ich meinen eigenen Rekord gebrochen habe.

      Ben wartet unten auf mich. Wir fahren nach oben zu den Verhörzimmern. In einem davon sitzt die Frau, mit Handschellen an den Tisch gefesselt. Sie starrt den Spiegel an und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie mich beobachtet.

      „Sie sieht mich“, bemerke ich.

      „Das ist unmöglich“, erwidert Ben. „Jeder Mensch weiß, was sich hinter dem Spiegel im Verhörzimmer befindet.“

      Ich werfe ihm einen Blick zu, dann gehe ich ein paarmal auf und ab. Die Augen der jungen Frau folgen meinen Bewegungen. Ein leichtes Lächeln erscheint auf ihren Lippen.

      „Okay, okay. Kannst du einschätzen, was sie ist?“

      Ich mustere sie. Die blauen Haare sind nicht das einzige Ungewöhnliche an ihr, obwohl das ihre Naturfarbe zu sein scheint. Mich irritieren ihre Augen viel mehr. Sie sind weiß, dadurch wirkt es, als hätte sie keine Iris.

      „Nein. Ich habe noch nie jemanden mit solchen Augen gesehen.“

      „Ich auch nicht. Erst dachte ich, sie sei ein Albino, aber es sind nur die Augen.“

      „Okay, fragen wir sie doch einfach.“

      Ben nickt. Wir gehen hinüber. Ben schaltet die Kamera aus, während ich mich schon einmal setze und die Frau aus der Nähe betrachte. Sie ist etwa in meinem Alter, vermutlich ein wenig kleiner als ich. Ihre Brüste unter dem ungemusterten T-Shirt wirken voll. Sie ist auf ihre Art ziemlich gutaussehend, aber nicht mein Typ.

      Mir wird bewusst, was ich grad gedacht habe, und habe Mühe, keine Regung zu zeigen.

      „Ich bin Ben Norris und das ist Fiona Flame.“

      „Ich weiß, wer sie ist“, erwidert sie. Ihre Stimme ist klar, dennoch leicht rauchig.

      „Aber ich weiß nicht, wer du bist“, erwidere ich.

      „Mein Name ist Sarah.“

      „Sarah? Und wie weiter?“

      „Einfach nur Sarah.“

      „Sie hatten beide keine Papiere bei sich“, erklärt Ben. „Nur etwas Geld.“

      „Auch keine Waffen?“ Ich spüre eine seltsame Macht von ihr ausgehen, die mir irgendwie vertraut vorkommt. Ich kenne jemanden, dessen Nähe sich auch so ähnlich anfühlt. Aber wen?

      „Wo ist mein Bruder?“

      „Der andere ist dein Bruder?“

      „Ja. Er heißt Thomas. Und wir müssen uns mit dir unterhalten, Fiona. Es ist dringend und wichtig.“

      „Wir können uns hier unterhalten.“

      Sie sieht Ben an.

      „Ich vertraue ihm.“

      „Es gibt Dinge, die darf er nicht hören.“


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