Fiona - Sterben. Zsolt Majsai

Fiona - Sterben - Zsolt Majsai


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welchem Land denn?“

      „Spielt jetzt keine Rolle. Du kennst es nicht.“ Sie mustert Ben, dann zuckt sie die Achseln. „Mir ist es egal. Erfahrungsgemäß können halt die Menschen hier nicht mit Dingen umgehen, die ungewöhnlich sind.“

      „Ben weiß Bescheid. Du bist eine Hexe, nicht wahr?“ Jody. Es ist Jody, Helenas Freundin. Sie strahlt dieselbe Energie ab wie diese Blauhaarige.

      „Das stimmt. Ihr solltet mir die Handschellen abnehmen, dann muss ich sie nicht zerbrechen.“

      Ben sieht mich fragend an. Als ich nicke, holt er einen Schlüssel hervor und befreit die Hexe von den Handschellen.

      Sie reibt sich die Handgelenke. „Danke. Die Dinger sind unbequem.“

      „Also schön. Bevor wir weitermachen, möchte ich dich darauf hinweisen, dass ich über Kräfte verfüge, mit denen ich Ben und mich notfalls beschützen kann und die für dich schmerzhaft werden können.“

      „Ich weiß“, erwidert sie. „Dargk hat gesagt, dass du sehr mächtig bist.“

      „Dargk?“ Ich starre sie an. An diesen Namen erinnere ich mich noch sehr deutlich, aber ihn hier und jetzt zu hören, versetzt mir einen Schock.

      „Wer ist Dargk?“

      Sarah sieht Ben an, dann mich. „Bist du sicher, dass er das hören soll?“

      Ich erwidere den Blick nachdenklich. „Ben weiß, mehr oder weniger, wer und was ich bin. Aber wie kommst du an diesen Namen?“

      „Hallo? Hast du mir nicht zugehört? Ich habe mit Dargk gesprochen. Er ist der Vater meines Neffen.“

      „Dargk?“

      „Ja, Dargk. Wieso, was dachtest du denn?“

      „Also, mir hat ein Zauberer von Dargk erzählt, aber das klang nicht so, als wenn er der Vater des Neffen einer Königin wäre.“

      „Zauberer klingt schon mal gut. Hat er dir auch erzählt, was Dargk heute macht?“

      „Nein. Seine Spuren haben sich verloren.“

      „So kann man das auch nennen. Hör zu, mir wäre es echt lieb, wenn wir meinen Bruder holen und woanders hingehen könnten. Meinetwegen kann der auch mitkommen. Aber hier ist es nicht sicher.“

      „Nicht sicher?“

      Sie schließt die Augen und seufzt. „Oh je. Sag nicht, du hast gar nicht mitgekriegt, dass alles um uns herum sich langsam auflöst? Wenn du wirklich die Auserwählte bist, dann wird es hart.“

      „Auserwählte?“ Ich halte inne. Vor ein paar Tagen habe ich noch selbst meinen Eltern erzählt, dass ich keine gewöhnliche Kriegerin bin. Und es ihnen auch demonstriert. Ob mich das zur Auserwählten macht, wage ich zu bezweifeln, aber normal bin ich in keinerlei Hinsicht. Und wenn ich genau darüber nachdenke, dann finde ich es schon seltsam, dass mir Nasnat von Dargk erzählt hat. Und von unruhigen Zeiten gefaselt hat.

      Sarah beobachtet mich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Na, klingelt es jetzt?“

      „Okay, dass ich eine Auserwählte bin, glaube ich nach wie vor nicht, aber es passieren seltsame Dinge. Das gebe ich zu. Ben, darf ich sie mitnehmen oder sind sie verhaftet?“

      „Wenn du keine Anzeige erstattest, dann dürfen sie gehen.“

      „Okay, dann lass uns abhauen. Kommst du mit?“

      Er schüttelt den Kopf. „Das geht grad nicht. Aber ich will alles erfahren!“

      „Wir werden sehen, wie Fiona das sieht, sobald wir ihr alles erzählt haben“, erwidert Sarah. „Gehen wir, ich ersticke hier drin noch!“

      Wir warten auf dem Gang, während Ben den Bruder holt. Zwischenzeitlich kommen mehrere Polizisten vorbei, die mich kennen und grüßen. Sarah erntet von allen verwunderte Blicke. Sie scheint es allerdings gewohnt zu sein, denn sie reagiert darauf überhaupt nicht.

      Ich betrachte sie. Im Moment lehnt sie entspannt, scheinbar zumindest, gegen die Wand und mustert den Boden. Ein bisschen erinnert sie mich an Amanda Seyfried. Nur diese Haare und diese Augen … Echt irritierend.

      Endlich kommt Ben mit Thomas, dem Bruder. Der sieht eigentlich ganz normal aus. Schlank, schwarze, schulterlange Haare, grüne Augen.

      Und ein Vampir.

      „Der Bruder einer Hexe ist ein Vampir?“, erkundige ich mich und spanne meine Muskeln an.

      „Vampir?“, wiederholt Ben.

      „Selber Vater, unterschiedliche Mütter“, erwidert Sarah. „Thomas, das ist Fiona. Und es ist schlimmer, als wir befürchtet haben.“

      Jetzt ziehe ich die Augenbrauen hoch. „Könnt ihr das dechiffrieren?“

      „Gleich. Nicht hier.“

      Thomas scheint nicht besonders gesprächig zu sein. Das ist schon mal gut. Die Hexe redet ja genug für beide.

      Ich verabschiede mich von Ben. Ich sehe ihm an, dass er in Wirklichkeit sehr gern mitkäme und das auch könnte, aber schlau genug ist, sich aus der Schusslinie zu halten. Wenn eine Hexe und ein Vampir, die angeblich von Dargk geschickt wurden, mit Fiona reden wollen, dann haben Polizisten nichts dabei verloren.

      Während wir mit dem Aufzug nach unten fahren, mustere ich die beiden unverhohlen. Sie tragen beide Jeans, feste Schuhe, T-Shirts und sind unbewaffnet. Ben hat ihnen ihre wenigen Sachen zurückgegeben: etwas Geld, eine Landkarte.

      „Wo genau kommt ihr eigentlich her?“, erkundige ich mich, inzwischen auf dem Weg zum Auto.

      „Aus Untes. Meine Eltern waren dort mal die Herrscher, bis wir sie getötet haben, weil sie böse waren. Andere Erde, andere Zeit.“

      „Andere Erde? Wie meinst du das?“

      Sarah starrt mich an. „Hast du echt gedacht, es gibt nur eine Erde? Thomas, das klappt niemals! Die weiß ja gar nichts!“

      Ich verharre kurz, dann öffne ich den Wagen, steige ein, warte, bis die beiden auch drin sind, Thomas vorne neben mir, Sarah hinter ihm, und fahre dann ziemlich emotional los. Die Räder drehen kurz durch, bevor der Computer eingreift.

      Dadurch etwas abgekühlt, bemerke ich: „Ihr könnt mich ja aufklären.“

      „Müssen wir wohl“, sagt Thomas. Er hat eine angenehme, dennoch männliche Stimme.

      Wir biegen auf die North Avenue ab. Es herrscht ziemlich dichter Verkehr, ich muss mich darauf konzentrieren. Aber ein Teil meines Bewusstseins bleibt bei den beiden.

      „Dann erzählt mal. Wieso schickt Dargk überhaupt gerade euch?“

      Thomas lehnt den Kopf zurück und seufzt. „Sarah, Reden ist dein Part.“

      „Du Arsch!“ Sie schlägt nach ihm, er weicht grinsend aus. Sie scheinen tatsächlich Geschwister zu sein. „Also gut, da du eine Kriegerin bist, muss dir wenigstens bekannt sein, dass es einen Statthalter gibt.“

      „Drol Wayne. Ich kenne ihn.“

      „Das ist ja schon mal etwas. Weißt du auch von den Göttern?“

      „Alles ist Illusion.“

      „Super. Ich bekomme neue Hoffnung.“

      „Wir sind ja auch in Newope“, erwidere ich lächelnd.

      „Stimmt, da war was. Dass es aber mehrere Welten gibt, das hat man wohl vergessen, dir zu erzählen.“

      „Nein, das weiß ich. Verborgene Welt und Gefrorene Welt.“

      „Ja, die gibt es auch. Ich meinte aber Parallelwelten. Mehrere Erden und so.“

      Ich werfe einen hastigen Blick nach hinten auf Sarah, dann schaue ich wieder auf die Straße. Der Verkehr wird dichter, alle vier Spuren in unserer Richtung sind voll mit Autos.

      „Willst du mich verarschen?“


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