Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
seine Tochter mit ihm!
Der Alte sah sich um. Die Eingangstür führte direkt in den Gastraum der Sennenwirtschaft. Sein Blick fiel auf die Petroleumlampen, die über den Tischen hingen.
Und ihm kam eine furchtbare Idee.
Hastig goß er den flüssigen Brennstoff aus den Lampen über Tische, Stühle und Fußboden. Sollten sie nur kommen. Sie würden schon merken, was sie damit anrichteten.
*
Pfarrer Trenker und seine Begleiter beratschlagten sich. Ihnen kam es vor allem darauf an, den alten Senner nicht zu einer unbedachten Handlung herauszufordern, was womöglich eine Gefahr für ihn und das Madel bedeuten konnte.
»Ich werde noch einmal versuchen, in Ruhe mit ihm zu reden«, sagte der Geistliche. »Er war zwar noch nie in unserer Kirche, doch immer wenn ich ihn hier mal besuchte, haben wir interessante Gespräche geführt. Urban kennt mich, und ich glaube, daß wir eigentlich ein gutes Verhältnis zueinander aufgebaut haben.«
Er näherte sich langsam der Sennerhütte. Es stimmte, was er gesagt hatte. Irgendwie schien Urban Brandner ihn zu respektieren, was aber seinen Grund nicht in der Tatsache hatte, daß Sebastian Geistlicher war. Der Pfarrer hatte nie versucht, den Einsiedler zu bekehren, sondern immer das Gespräch, den Dialog mit ihm gesucht. Leider, so mußte er einsehen, hatte er dabei zu wenig über den Menschen Urban Brandner erfahren. Sonst hätte die ganze Geschichte vielleicht einen anderen Verlauf genommen.
»Urban, ich bin’s, Pfarrer Trenker«, rief er gegen die verschlossene Tür. »Komm heraus. Wir wollen dir nichts Böses. Du weißt doch, daß du mir vertrauen kannst.«
»Macht, daß ihr fortkommt!« rief der Alte zurück. »Sonst geschieht ein Unglück!«
Sebastian spürte sein Herz schneller schlagen. Was hatte der Alte vor?
Christian und Toni waren näher gekommen. Sie hatten mitgehört, was der Senner gedroht hatte.
»Um Himmels willen, was meint er?« fragte Veronikas Bräutigam.
Der Geistliche hob die Arme.
»Ich weiß es nicht.«
»Hört ihr mich?« brüllte Urban Brandner.
»Ja, wir hören dich.«
»Verschwindet endlich, sonst zünd’ ich die Hütte an. Das ist mein Ernst.«
Es war, als bliebe ihnen allen das Herz stehen, so groß war der Schock. Verzweifelt rannte Christian um die Hütte herum und rief immer wieder Veronikas Namen.
»Was sollen wir tun?« fragte der Arzt. »Ich fürchte, in seinem Zustand ist der Mann zu allem fähig. Wir dürfen seine Drohung, die Hütte anzuzünden, nicht unterschätzen. Er hat das Gefühl, wir wollen ihm etwas wegnehmen, etwas, das sein größter Besitz ist. Das wird er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern wollen.«
»Christian, kommen Sie her«, rief Sebastian dem jungen Mann zu.
Nun galt, sich erst einmal zurückzuziehen und zu beraten, wie sie diese gefährliche Situation entschärfen konnten.
Abseits der Hütte standen sie beisammen und überlegten.
»Notfalls schlage ich ein Fenster ein, um hineinzukommen!« drohte Christian.
»Besser nicht. Wir wissen nicht, was der Alte da drinnen angestellt hat«, wandte Sebastian ein. »Jede unüberlegte Handlung könnte Veronikas Leben gefährden.«
*
Veronika spürte in ihrem Gefängnis, daß da draußen etwas geschah, das ungewöhnlich war. Mehrere Stimmen, von denen sie nur eine als die vom Großvater heraushörte, stritten miteinander. Eine vage Hoffnung keimte in ihr auf.
War das jemand, der sie hier herausholen wollte? Vielleicht sogar – Christian?
Das Madel rief so laut es konnte, den Namen des Verlobten und warf sich mit aller Kraft gegen die Tür, daß es krachte und splitterte. Sie wollte, sie mußte aus diesem Verschlag heraus, und der Großvater mußte endlich in ein Krankenhaus. Sein Zustand war immer schlimmer geworden und Veronika wußte, daß hier nur noch ein Arzt helfen konnte.
Doch die Tür gab nicht nach. Wütend und verzweifelt hämmerte die junge Frau dagegen und brach dann weinend zusammen. Schluchzend lag sie auf dem Boden ihres engen Verlieses und flüsterte Christians Namen.
Dann wurde es auch draußen still. Veronika hob lauschend den Kopf.
»Großvater?« rief sie, erhielt aber keine Antwort.
Aber sie ahnte, daß da eine Gefahr war, die sich über der Sennerhütte zusammenbraute.
*
»Ich versuche trotzdem, durch eines der hinteren Fenster einzusteigen«, beharrte Christian Wiltinger.
Die Warterei, daß endlich etwas geschehe, zerrte an seinen Nerven.
»Wenn Sie den Alten vorne ablenken, dann merkt er nicht, was hinter ihm geschieht.«
»Also gut«, willigte der Pfarrer ein. »Versuchen wir’s.«
Er lief zur Tür und redete auf den alten Senner ein, während Christian um die Sennerhütte schlich. Dahinter war der Pferch in dem die Kühe nachts standen. Der junge Mann kletterte über den halbhohen Zaun, durchquerte das Gehege und tastete sich vorsichtig an die Rückseite der Sennerhütte heran.
Dort gab es mehrere Fenster und – Christian frohlockte – eines davon stand halb offen. Vorsichtig schlich er näher und untersuchte das Fenster. Es war von innen mit einem Haken gesichert, der den Flügel festhielt und verhinderte, daß es ganz aufschwang. Christian steckte seine Hand hindurch, und mit einiger Mühe gelang es ihm, den Haken zu lösen. Das Fenster stand weit offen. Es war ein leichtes für ihn, sich hinaufzuschwingen. Er spähte hindurch und sah einen einfachen Raum, eingerichtet mit Tisch und Bettkasten. Eines der Gästezimmer, wie es sie auf jeder Hütte gab, vermutete Christian. Er stieg vollends ein und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Sie quietschte ein wenig, als er sie öffnete, Veronikas Verlobter zuckte unwillkürlich zusammen. Er war der Meinung, das Geräusch müsse man in der ganzen Sennerhütte gehört haben.
Einen Moment lauschte er mit angehaltenem Atem, doch es blieb alles ruhig, bis auf die Stimme des alten Urban, der irgend etwas nach draußen rief, das Christian nicht verstehen konnte. Er hoffte, daß der Pfarrer den Alten lange genug in ein Gespräch verstricken konnte, damit er, Christian, unbemerkt nach Veronika suchen konnte.
Flüsternd rief er nach seiner Braut. Er war aus dem Zimmer getreten und stand nun auf einem kleinen Flur, von dem vier Türen abgingen. Die erste, die er öffnete, führte in einen hellen gekachelten Raum, der größer war, als man von draußen annehmen konnte. Es war die Käserei, wie Christian später noch erfahren sollte. Darin gab es eine weitere Tür, die ins Käselager führte.
Hinter der zweiten Tür war ein kleiner Raum, mit Tisch und Bett. Auf dem Boden lag ein Rucksack, der Christian bekannt vorkam. Mit klopfendem Herzen bückte er sich und hob ihn auf.
Kein Zweifel – dieser Rucksack gehörte Veronika! Er selber hatte ihn ihr in das Zugabteil getragen.
Christian triumphierte innerlich. Das Madel war also hier irgendwo in der Hütte. Der Alte hatte ihn und den Pfarrer belogen, warum auch immer. Nun galt es, so schnell wie möglich, Veronika zu finden und hier herauszubringen, bevor ihr Großvater in seinem Wahn noch ein Unheil anrichtete.
Christian Wiltinger öffnete die dritte Tür und trat ein.
»Christian!« hörte er den Aufschrei seiner Braut.
Verwirrt schaute er sich um. Die Stimme hatte er gehört, das Madel allerdings konnte er nirgends sehen.
»Hilfe, hier bin ich«, rief Veronika und klopfte gegen die Tür ihres Gefängnisses. Plötzlich war sie überzeugt, daß jemand da war. Sie klopfte energischer.
Endlich sah ihr Verlobter die Tür, die sich kaum von der Bretterwand abhob, die den Verschlag vom Rest