Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
fragte er, bevor er einstieg.
»Der? Der weiß noch gar nichts davon. Er wird’s noch früh genug erfahren. Ich bin ja gestern erst heimgekommen. Ein paar Wochen braucht’s noch, bis ich mich wieder eingerichtet hab’ und sich alles normalsiert hat. Mit der Michaela hab’ ich aber schon gesprochen. Wir sind uns einig. Ich denk’, so in zwei, drei Monaten werden wir vor den Traualtar treten.«
Sebastian verabschiedete sich und fuhr nachdenklich nach St. Johann zurück.
Josef Anstetter wußte also noch nichts von den Heiratsplänen seines Sohnes. Ganz gewiß aber ahnte er etwas, dessen war sich Pfarrer Trenker sicher.
Der Blick des Alten hatte Bände gesprochen!
*
Nach dem Abendessen nahm Maria Engler ihre Tochter beiseite. Sie hatten den Tisch abgeräumt und kümmerten sich um den Abwasch, während Markus mit den beiden Knechten besprach, welche Arbeiten am nächsten Tag zuerst getan werden mußten.
Die Magd wusch Teller, Tassen und Bestecke, während Michaela das Geschirr abtrocknete und in den Küchenschrank stellte. Maria beobachtete das Madel dabei aus dem Augenwinkel.
»Freust’ dich, daß der Markus wieder daheim ist?« fragte sie. Michaela sah sie verständnislos an.
»Aber natürlich, Mutter, das weißt’ doch. Warum fragst’?« Die ältere Frau zuckte die Schulter.
»Nur so…«
»Geh’, Mutter, ich kenn dich doch. Wenn du so fragst, dann hat’s auch einen Grund.«
»Also, der Markus, ich hab’ bemerkt, wie er dich anschaut…«
Die Tochter schmunzelte.
»Herrgottnocheinmal, nun spann’ mich doch net auf die Folter! Du weißt doch, was ich wissen will.«
Michaela stellte den Teller ab, den sie gerade in den Händen hielt, und umarmte ihre Mutter.
»Ja«, lachte sie. »Er hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will, und ich hab’ ja gesagt.«
»Ach, Madel…!«
Maria drückte ihre Tochter an sich.
»Ich freu’ mich ja so. Wißt ihr denn schon, wann Hochzeit sein soll?«
»Erst in ein paar Wochen werden wir den Termin festsetzen. Markus muß sich ja erst einmal wieder eingewöhnen.«
Die Magd deutete mit dem Kopf zur Stubentür, wo sie den alten Anstetter wußte.
»Und – weiß er es schon?«
»Nein«, schüttelte Michaela den Kopf. »Aber Markus will schon bald mit ihm sprechen. Sein Vater drängt ja darauf, daß Markus heiratet. Er will den Hof erst abgeben, wenn eine Bäuerin im Haus ist.«
»Na, die hat er ja«, schnaubte die alte Magd. »Eine bessere, als dich, findet der Markus eh net.«
»Ach, Mutter, ihm brauchst’ es auch net zu sagen, sondern dem Josef.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, antwortete Maria Engler.
Sie schaute nachdenklich vor sich hin. So manches Mal hatte sie sich schon ausgemalt, wie es sein würde, wenn Michaela erst mal die Bäuerin auf dem Anstetterhof war. Aber so oft sie auch dieses Thema beim Altbauern vorsichtig angesprochen hatte – Markus’ Vater hatte immer unwirsch reagiert, und die Magd wurde das Gefühl nicht los, daß er sich eine andere als Schwiegertochter wünschte.
Aber da kannte Josef Anstetter seine Magd net! In all den Jahren hatte sie sich eine Position auf dem Hof geschaffen, die es ihr erlaubte, anders mit dem Bauern umzugehen, als es sich etwa Valentin oder Franz erlauben konnten. Wenn ihr danach war, dann machte Maria Engler den Mund auf und ließ ihren Worten freien Lauf, denn sie redete, wie sie dachte.
Michaela hatte die letzten Messer und Gabeln abgetrocknet. Sie hängte das Geschirrtuch an den Küchenherd und band ihre Arbeitsschürze ab.
»Ich kümmere mich jetzt um die Abendmilch«, sagte sie.
Maria nickte und sah ihr mit stolzem Blick hinterher.
Markus war ein Glückspilz, daß er solch eine Frau bekam, dachte sie.
*
In seiner alten Kate, am Rande von St. Johann, empfing der Brandhuber-Loisl Maria Erbling.
Die Frau war die Witwe des Postbeamten Johannes Erbling und die gefürchteste Klatschtante des ganzen Dorfes. Wenn man sicher sein wollte, daß sich etwas schnell herumsprach, brauchte man es nur Maria unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen, und konnte sicher sein, daß spätestens am nächsten Tag ganz St. Johann Bescheid wußte.
»Ich brauch’ wieder ›mal‹ was von der Rheumasalbe«, sagte die Witwe, während sie sich in der halbdunklen Hütte umsah.
So oft sie schon hiergewesen war – nie hatte es anders ausgesehen als heute auch. Ein großer, schummriger Raum, ein Tisch, zwei Stühle und etliche Holzregale mit Töpfen, Flaschen und Tiegeln, in denen sich die obskuren Heilmittel, Pasten, Salben und Kräutertees befanden, die der alte ›Wunderheiler‹ nach Rezepten herstellte, die aus einem uralten Buch stammten, das der Brandhuber wie sein Augenlicht hütete.
Der Dorfarzt von St. Johann, Dr. Toni Wiesinger, kämpfte vergeblich gegen die Dummheit der Leute an, die lieber diesem Scharlatan, wie der Arzt den Brandhuber-Loisl nannte, ihr Geld in den Rachen warfen, als zu ihrem Doktor zu gehen. Dabei war Toni der Letzte, der eine sanfte Medizin auf Naturheilbasis ablehnte. Im Gegenteil, wo immer es ging setzte er chemisch hergestellte Medikamente ab und verabreichte homöopathische Mittel. Die Erfolge, die er damit erzielte, gaben ihm recht. Leider sprachen sich diese Erfolge nicht immer bei seinen Patienten herum. Zwar hatte der junge Arzt in Pfarrer Trenker einen Mitstreiter, der oft genug von der Kanzel herab gegen den Brandhuber und dessen Wunderkuren predigte, doch immer wieder fanden sich welche, die dem Alten mehr vertrauten als dem studierten Fachmann.
Loisl schlurfte in den hinteren Teil der Hütte und kam nach einer Weile mit einer Dose zurück, die er der Witwe Erbling in die Hand drückte.
»Macht vierzig Mark«, sagte er dabei.
Die Frau sah ihn erstaunt an.
»Vierzig?« fragte sie ungläubig. »Das letzt Mal hab’ ich noch dreißig bezahlt.«
»Was soll ich machen?« zuckte der Alte die Schulter. »Es wird eben alles teurer, und für dich ist’s ja schon ein Sonderpreis.«
Maria kramte in ihrer Handtasche nach der Geldbörse.
Schließlich fand sie sie und nahm die Scheine heraus. Alois Brandhuber steckte das Geld achtlos in die Hosentasche, dann deutete er mit dem Kinn auf einen der Stühle.
»Setz’ dich. Ich hab’ da was zu bereden mit dir.«
Die Frau setzte sich nur widerwillig. Es behagte ihr überhaupt nicht, sich auf diesen schmuddeligen Stuhl zu setzen, und am liebsten wäre sie gleich wieder gegangen. Es hatte sowieso schon genug Mühe gekostet, aufzupassen, daß sie niemand sah, als sie auf dem Weg hierher war. Allerdings wollte sie es sich auch nicht mit dem Brandhuber verderben. Seine Rheumasalbe half ihr wirklich. Darauf konnte und wollte sie nicht verzichten.
»Was gibt’s denn?« fragte sie. »Ich hab’ gar keine Zeit, net.«
Was sie dann allerdings zu hören bekam, ließ Maria Erbling schnell vergessen, daß sie es eben noch eilig gehabt hatte.
Alois Brandhuber berichtete mit schnellen Worten von seinen Beobachtungen im Wald.
»Kannst’ dir darauf einen Reim machen?« wollte er abschließend wissen.
Die Witwe stand auf. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Noch net«, antwortete sie. »Aber, ich find’s heraus. Die Theresa ist doch die Patin von der Katja Hardlacher. Vielleicht weiß sie ja etwas, und wenn net, dann muß sie ihr Patenkind fragen. Wenn jemand etwas weiß, dann sie. Schließlich ist die