Dr. Sonntag 13 – Arztroman. Peik Volmer
Soll ich einen Termin …?«
»Nicht nötig. Ich habe die Schlüssel. Wenn du willst, fahren wir nach dem Dienst dorthin!«
In diesem Moment glitt die Tür zur Seite. Dagmar kam herein und gestikulierte wie ein Zirkusdirektor, der die folgende Attraktion ankündigte.
»Ich bitte um eure Aufmerksamkeit, liebe Kollegen! Zur Abschiedsfeier gerade noch rechtzeitig vom Krankenlager gesprungen steht sie hier wieder vor uns: Frau Kollegin Constanze Schickenreuth! Ich bitte um einen herzlichen Applaus!«
Die Kollegen, die die Wandlung der jungen Ärztin nicht mitbekommen hatten, sahen sich erstaunt an.
»Wieso: Abschiedsfeier?«, erkundigte sich Schwester Nasifa. »Sie gehen doch nicht schon wieder, oder?«
»Nur in die Gynäkologie, Nasifa. Dafür wurde ich ja auch ursprünglich eingestellt!«, lächelte Constanze. »Bevor Michael mit den guten Sachen kommt, möchte ich kurz ein paar Worte sagen. Ich weiß, dass ich mich hier etwas – sagen wir mal, unglücklich eingeführt habe. Dagmar weiß inzwischen auch, woran das liegt.«
Die Angesprochene, die dicht neben der jungen Ärztin stand, legte kurz den Arm um ihre Schultern und drückte sie.
»Ich habe Fehler gemacht. Und trotz allem bin ich hier zwar auf Kritik, doch auch auf Wohlwollen gestoßen. Besonders, als es mir so schlecht ging. Ich habe den Verletzungen, die ich erlitten habe, gestattet, mich in jemanden zu verändern, der ich gar nicht bin. Und, bitte glaubt es mir: Ich wollte perfekt sein. Eine Sache richtig machen. Vielleicht sogar bewundert werden. Aber das ist vorbei. Ich habe begriffen, dass man nicht allen gefallen muss, sondern nur den richtigen Leuten. Und ihr alle hier, ihr seid die richtigen Leute.«
Sie wischte sich trotzig eine vorwitzige Träne fort, die sich denWeg über ihre Wange zu bahnen suchte.
»Ich werde euch hier vermissen. Aber wenn ich darf, komme ich mir hier mal eine Tasse Kaffee abholen, wenn das für Sie okay ist, Nasifa! Und ich hoffe, dass ihr alle mich nicht in allzu schlechter Erinnerung behaltet!«
Unaufgefordert reichte Timon seiner Kollegin ein Papiertaschentuch.
»Schön, das du endlich an Bord bist. Unser Käpt’n sagt gern, das wir alle eine große Familie sind. Und wie das so ist in Familien: Man rauft sich mal, aber man versöhnt sich auch wieder. Aber man lässt niemanden fallen. Man hält zusammen.«
In diesem Moment fuhr Herr Barbrack, begrüßt von lauter begeisterten ›Ahs‹ und ›Ohs‹ etliche Platten und Teller mit Süßspeisen herein, die jedem Münchener Luxushotel zur Ehre gereicht hätten. Gespannt schaute er Constanze an. Ja, es gefiel ihr. Sogar sehr.
Man merkte ihm seine Erleichterung an.
»Übrigens«, rief er, »es braucht keiner Angst zu haben. Ich habe den Lieferanten gewechselt. Infektionen durch Lebensmittel wird es in diesem Hause nicht mehr geben!«
»Das hast du wirklich wunderschön gemacht … Ich meine, dass haben Sie wirklich wunderschön gemacht!«, stellte Constanze fest.
»Ich heiße Michael. Dass du Constanze heißt, weiß ich. Lassen wir es beim Du?«
Die Feier wurde lediglich durch zwei Patienten unterbrochen, denen man allerdings leicht und zügig helfen konnte.
Egidius bog mit Frau Kreuzeder und Herrn Somnitz um die Ecke.
»Gibt es Weißwurst-Pralinen?« Die Chefsekretärin war ganz aufgeregt.
»Ich weiß Bescheid, Frau Kreuzeder«, grinste Michael Barbrack. »Ich habe extra für Sie einen ganzen Teller reserviert!«
»Womit sie eine Freundin fürs Leben gefunden hätten, lieber Herr Barbrack«, lachte Egidius.
»Das wäre schön«, träumte der Koch versonnen und ließ Constanze nicht aus den Augen.
Egidius und Karin sahen sich vergnügt an.
»Ich meinte allerdings eher meine Frau Kreuzeder, Herr Barbrack, nicht das junge Gemüse!«
»Junges Gemüse?« Michael verstand überhaupt nichts mehr.
»Herr Professor!«, mahnte Karin Kreuzeder. »Jetzt verwirren Sie den jungen Mann doch nicht! Nachher brennen ihm morgen die Rouladen an! Und die mag ich doch so gern!«
Michael strahlte.
»Lassen Sie mich wissen, wenn Sie da sind, Frau Kreuzeder! Sie bekommen ein Roulade extra!«
»Sie sind ein Schatz, Herr Barbrack. Ich weiß auch nicht, wie der Chef das immer hinbekommt – er findet immer Mitarbeiter, die hervorragend zu uns passen! – Aber aus der doppelten Portion machen wir uns keine liebe Gewohnheit, hören Sie? Nur bei Roulade, da kann ich nicht widerstehen!«
»Alles schön und gut, aber – zu wessen Lasten geht denn diese Veranstaltung hier?«, mischte sich der Verwaltungsleiter ein. »Haben Sie dies alles während Ihrer Dienstzeit zubereitet, Herr Barbrack?«
»Es handelt sich um meine Feier, Herr Somnitz. Ich zahle die Rechnung!«, warf Constanze ein.
»Das wäre ja wohl noch schöner. Nein, Herr Somnitz, das habe ich in meiner Freizeit angerichtet. Und die Zutaten gehen zu meinen Lasten. Als Geschenk für Constanze, sozusagen.«
Die Ärztin sah ihn überrascht an.
»Warum schenkst du mir etwas, Michael?«
»Ich mag dich eben.«
Der Satz purzelte so spontan aus ihm heraus, dass er selbst überrascht war und verlegen zu Boden sah.
»Stimmt, Micha«, stellte Timon fest. »Wie ein Mensch sich ändern kann! Aus einer schwierigen Kollegin ist eine bildschöne, attraktive, schicke Frau geworden! Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast!«
*
Die Wohnung war der Hit. Ludwig hatte nicht zu viel versprochen. Zwar hatte sie aufgrund der Lage keinen See-, dafür aber reichlich Bergblick. Sie war mit allem ausgestattet, was man so brauchte. Und die 100 Quadratmeter sollten gerade mal 800 Euro kosten.
»Das kann doch nicht sein, Ludwig. So ein Objekt kann ein Vermieter doch nicht für’n Appel und ’n Ei zur verfügung stellen! In Hamburg würdest du 2500 bis 3000 Euro bezahlen!«
Ludwig klopfte ihm auf die Schulter. »Gut, dass wir nicht in Hamburg sind, oder?«
Timon strahlte. »Ich nehme sie. Wenn der Vermieter mit mir einverstanden ist.«
»Ist er«, lachte Ludwig. Wenn du hier den Mietvertrag unterschreiben willst …!«
»Sag mal! Hast du so was wie eine Generalvollmacht?«
»Ja, so was Ähnliches!«
Timon griff nach den Papieren und las.
»Vertrag zwischen Herrn Dr. Timon Süden, im weiteren ›Mieter‹ genannt, und Herrn Dr. Ludwig Lechner, im weiteren ›Vermieter‹ … sag mal – spinne ich? Das Ding hier gehört dir?«
»Tu mir bitte den Gefallen und behalte es für dich, ja? Ich will das nicht an die große Glocke hängen!«
»Aber entschuldige mal! Ich dachte, als du hier ankamst, warst du ein armer Hund! Du sollst sogar in einem Restaurant am Tegernsee auf der Toilette als Klomann gearbeitet haben!«
»In einem sehr guten Restaurant!«
»Und von den 50 Cent kann man sich eine Wohnung kaufen?«
»Nein. Man kann sich drei Wohnungen kaufen!«
»Du machst mich fertig!«
»Ich habe auf der Weihnachtsfeier im letzten Jahr einen Lottoschein bekommen. Mit dem habe ich einen höheren Betrag gewonnen, und konnte damit in der Hauptsache dem Chef nach seinem Unfall helfen. Und mit dem Rest des Geldes habe ich hier drei Wohnungen gekauft. Die Große, in der ich wohne, die Mittlere, in der du wohnst, und noch eine kleine Bude, die leer steht. Frau Kreuzeder hatte mich doch aufgenommen, und ich wollte nach dem Gewinn für