Dr. Sonntag 13 – Arztroman. Peik Volmer

Dr. Sonntag 13 – Arztroman - Peik Volmer


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Langweilig. Aber verdammt gut in dem, was ich tue. Hätte ich mir aussuchen können, ob ich schwul oder hetero sein möchte, hätte ich mich vermutlich für hetero entschieden, einfach, um mit meiner Frau Kinder haben zu können. Aber ich habe die Wahl nicht. Du bist eine Traumfrau.«

      Marion schnappte nach Luft.

      »Nein«, kam Emmerich ihr zuvor. »Widersprich mir nicht. Das erkenne ich, auch wenn ich nicht auf Frauen stehe. Aber täte ich das, würde ich ­niemand anderen als dich wollen.«

      Warum bloß, grübelte Marion. Eine Frau sollte mindestens drei Männer haben. Nr. 1 für die emotionalen Bedürfnisse, Zärtlichkeit, Liebe. Nr. 2 für intellektuelle Herausforderungen, Besuche in Museen, Theatern, Konzerten. Nr. 3 für Sex. Jawohl. Mit drei Exemplaren von der Sorte käme man aus. Ob vor ihr schon mal jemand darauf gekommen war?

      »An was denkst du, Marion?«, erkundigte sich Emmerich. »Dein Gesichtsausdruck macht mir Angst!«

      »An Männer«, erwiderte Marion.

      »Das kenne ich!«, lachte Emmerich Fahl.

      Vater sein dagegen sehr

      »Aller guten Dinge sind drei!«, lachte Professor Antretter fröhlich. »Herzlichen Glückwunsch, die Damen und Herren! Es hat geklappt! Ich bin begeistert!« Chris und Philipp strahlten um die Wette. Hatice hielt es nicht auf dem Stuhl. Sie sprang auf und stürmte aus dem Zimmer. Veronika lief hinter ihr her.

      »Schatz, was ist denn, freust du dich denn gar nicht?«

      Zu groß war der Druck gewesen, unter dem ihre Lebensgefährtin gestanden hatte. Dieser fiel nun plötzlich von ihr ab. Es traf sie nicht unvorbereitet. Sie hatte es vorhersehen können. Und trotzdem überwältigte sie die offizielle Bestätigung durch den Professor. Es schien, als durchlebte sie sämtliche Emotionen gleichzeitig. Sogar die, die gar nicht zueinander passten.

      »Komm, lass uns wieder hineingehen. Wir müssen doch unser Kind mal anschauen, oder?«

      Professor Antretter brauchte die komplette Rolle des Thermoprint-Papiers auf. Die Bedürfnisse nach Ausdrucken der Fotos des kleinen Wunders, das sich da in Hatices Bauch befand, mussten befriedigt werden.

      »Beim nächsten Ultraschall gibt es eine DVD«, versprach der Chefarzt. »Das dauert allerdings noch. Die Sonografie gilt zwar als unbedenklich, trotzdem gehen wir sparsam mit dieser Methode um.«

      Stolz nahm die junge Mutter – die werdende junge Mutter – das blaue Vorsorgeheft in Empfang.

      *

      »Ich bin so gespannt!«, rief Chris. »Was meinst du? Wird er mir oder dir ähnlich sehen?«

      »Er?«, staunte Philipp. »Außerdem tust du mir bitte den Gefallen und hältst dich an die Vereinbarungen, ja? Es ist nicht unser Kind. Es ist das Kind von Hatice und Veronika. Wir haben maximal die Onkel-Rolle zu spielen, mehr aber auch nicht.«

      »Ich sag ja gar nichts«, erklärte sein Mann beleidigt. »Aber man wird doch wohl noch nachdenken dürfen, oder? Und sich freuen!«

      »Darfst du, Chris. Ich halte es nur nicht für gut, wenn du dein Herz an eine Hoffnung hängst, die sicher enttäuscht werden wird. Pacta sunt servanda – Verträge müssen eingehalten werden. Und wir haben nun einmal unterschrieben, dass wir uns aus allem, was das Kind betrifft, weitestgehend heraushalten.«

      »Das war gelogen. Ich habe das so nicht gemeint! Ich will mitbestimmen, wenn es um meinen Sohn geht!«

      »Ach Mensch, Chris! Das Kind hat noch kein Geschlecht, und sogar wenn es dein Kind oder mein Kind wäre, Eltern vertreten keinen Besitzanspruch an ihren Kindern. Ein Kind gehört niemandem. Maximal sich selbst.«

      »Du bist heute einfach unerträglich vernünftig!«

      »Einer von uns muss doch einen klaren Kopf bewahren. Es reicht, dass du am Rad drehst!«

      Er bremste ab und fuhr auf den Supermarkt-Parkplatz. Chris sah ihn fragend an.

      »Das Zeugs für den Geschirrspüler ist alle. Und ich habe gerade wahnsinnig Lust auf Salat bekommen. Einverstanden?«

      »Ich komme mit rein«, sagte Chris und schnallte sich ab. »Ich schau mal, ob ich eine reife Ananas finde!«

      *

      Liebe Felicitas – mein einziger Schatz!, schrieb Oberarzt Cortinarius. Heute wirst du acht Jahre alt. Ich weiß, dass du mir in deinem Brief an mich – dem auf dem blauen Papier, du weißt schon – mitgeteilt hast, dass du keinen Kontakt zu mir wünschst. Ich kann dich natürlich nicht zwingen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Leben manchmal nicht so geradlinig verläuft, wie wir es gern hätten. Und dann könnte es doch sein, dass du deinen Papa, der ich ja unstrittig bin, brauchen könntest.

      Das ist das, mein Kind, was ich dir zu deinem Geburtstag sagen will. Ich verspreche dir, dass ich mich ungefragt niemals einmischen werde. Ich werde darauf warten, dass du mir ein Zeichen gibst. Und, was auch immer es ist: Ich werde für dich dasein.

      Kilian Cortinarius musste eine Pause einlegen. An einer Stelle war das Briefpapier so feucht geworden, dass die Tinte seines Füllfederhalters verlief. Er saß da und versuchte, seine Worte zu lesen, auch, wenn sie immer wieder verschwammen. Es war ein so hoffnungsloses Unterfangen, Briefe zu schreiben an einen Menschen, der offensichtlich keinen Wert darauf legte. An einen Menschen, der sie vielleicht nie erhalten und lesen würde.

      Auch diesmal wieder würde es so sein wie immer. Spätestens im Verlauf der kommenden Woche würde er sein Kuvert in seiner Post vorfinden, mit einem amtlichen, auberginefarbenen Stempel, der verschiedene Gründe für die Rücksendung angab. Und es würde, wie immer, der Vermerk dick angekreuzt sein, dass der Empfänger die Annahme verweigert hatte. Er würde dann diesen Umschlag zu den anderen legen, hoffend, dass einmal Felicitas die Gelegenheit haben würde, sie zu lesen.

      Der Briefkasten unten in der Eingangshalle wurde um 18 Uhr 30 geleert. Das schaffte er noch. Er musste sich zwar beeilen, aber etwas schnelle Bewegung tat ihm gut nach diesem Tag am OP-Tisch.

      Er hatte sich eine etwas alberne Angewohnheit angenommen, nachdem sein erster Brief abgelehnt zurückgekommen war. Jeden der Briefe hatte er in einen anderen Kasten geworfen. Wer weiß? Vielleicht half das? Vielleicht fand er eines Tages den magischen, ihm wohlgesinnten Briefkasten, der die Verbindung herstellen konnte zwischen seiner Tochter und ihm! Wie ein Portal, durch das man hinüber gelangen konnte in eine wunderbare, verzauberte Welt, in der es immer Frühling und in der jeder verliebt war, und in der es nach Karamell und Erdbeeren duftete …

      *

      Das kleine Mädchen war es gewohnt, die Haustür nicht selbst aufschließen zu müssen. Üblicherweise hatte ihre Mama bereits mit der Zubereitung des Mittagessens begonnen und öffnete auf ihr Klingeln hin. Warum das heute – ausgerechnet heute, an ihrem Geburtstag – nicht so war, begriff sie nicht. Sie setzte sich auf die Stufen vor der Haustür und machte sich Gedanken darüber, ob alles rechtzeitig vorbereitet werden konnte für ihre kleine Feier, zu der sie einige Freundinnen eingeladen hatte. Um 15 Uhr 30 würden sie vor der Tür stehen. Jetzt war es schon halb Eins durch.

      »Na, kleines Fräulein«, ertönte es einen guten Meter über ihr.

      »Guten Tag, Herr Korritke!«, erwiderte sie höflich.

      »Nimmst du heute die Post entgegen? Scheint so, als ob da jemand ein Jahr älter wird, heute!«

      Sie streckte die Hand aus nach dem bunten Papierstapelchen.

      »Ja, das bin ich! Dankeschön, Herr Korritke!«

      »Ist es indiskret nachzufragen, wie alt Sie heute geworden sind, meine Dame?«

      »Neun!«

      »Neun, soso! Ein hervorragendes Alter! Noch ein Jahr bis zur ersten Null!«

      Das kleine Mädchen verstand nicht.

      »Nun, die zehn ist deine erste Null. Ich habe bereits die sechste Null überschritten!«

      Der freundliche Postbote zog sich zurück, und


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