Dr. Sonntag 13 – Arztroman. Peik Volmer
des nur weniger, und mein Vertrauen zu Banken ist eher limitiert. Deswegen die Wohnungen.«
»Donnerwetter! Das nenne ich Glück!«
»Das Geld, meinst du? Quatsch. Mein Glück begann in der Sekunde, als ich in der chirurgischen Ordination in St. Bernhard stand, vor Frau Kreuzeder, die damals noch Frau Fürstenrieder war, und Egidius Sonntag. Das war Glück. Das Geld ist doch völlig egal!«
»So gesehen … Weißt du denn, wer dir den Lottoschein geschenkt hat?«
»Nein, leider nicht. Weißt du, ich hab früher so gern Märchen gelesen, als Kind. Kennst du das Märchen ›Sterntaler‹? Das ist genau meine Geschichte. Irgendwas ist vom Himmel gefallen. Wer weiß. – Du, Timon … Bitte sag niemandem was, hörst du? Das soll ein Geheimnis bleiben. Nur Frau Kreuzeder weiß davon.«
*
»Besuch für Sie, Herr Professor! Eine schöne Überraschung!« Bei so viel Optimismus in Frau Kreuzeders Stimme hielt es Egidius nicht auf seinem Platz.
»Was? Sind die paar Wochen schon wieder ins Land gegangen? Willkommen zurück, liebe Schwester Marion! Gut, Sie wiederzuhaben! Geht es ihnen besser?«
»Die Schmerzen sind besser geworden, Herr Professor. Ich habe Ihnen einen Brief mitgebracht hat, vom dortigen Kurarzt!«
Egidius überflog die Zeilen.
»Das machen wir. Erneute Behandlung in einem halben Jahr! Und bis dahin gibt’s Akupunktur und Physiotherapie mit Osteopathie! Das hat genützt?«
»Sehr, Herr Professor! Sie wissen aber schon, dass die Kasse das nicht bezahlt?«
»Ach, wissen Sie … Machen Sie lieber eine Liste, was die Kassen überhaupt noch zahlen. Das geht schneller! Haben sie keine Sorge, Marion. Ich kümmere mich darum! – Sagen Sie, ich will nicht indiskret sein, aber irre ich mich, oder tragen Sie ihren Koffer hier spazieren? Sie sind doch nicht direkt vom Bahnhof hierher gekommen, oder?«
Sie biss sich auf die Lippen.
»Doch! Ich wollte nur mal nach dem Rechten sehen!«
Egidius zog die Augenbrauen hoch, und nestelte an seiner Lieblingsfliege: rotes Schottenmuster.
»Wie lange kennen wir uns eigentlich, Marion? Ich weiß, dass das nicht die Wahrheit ist. Ich kann Sie natürlich nicht zwingen. Aber wenn Sie je die Lust überkommt, mir reinen Wein einzuschenken, garantiere ich Ihnen offene, chefärztliche Ohren!«
»Herr Professor, es geht nicht. Sie haben so viel um genau diese Ohren. Meine paar Probleme muss ich gefälligst selbst lösen, finden Sie nicht?«
»Herr Professor? Herr Fahl ist da und möchte nur kurz etwas zur Behandlung des Patienten mit der Tibiakopffraktur fragen, ist das möglich?« Frau Kreuzeder hatte ihren Kopf in das Reich des Chefarztes gesteckt.
»Stört es Sie, Schwester Marion?«
»Natürlich nicht. Emmerich ist ja auch mein Physiotherapeut!«
Der Angekündigte betrat elastischen Schritts das Zimmer.
»Danke, Herr Professor, dass Sie sich kurz die Zeit nehmen … Marion! Du bist zurück? Alles gut bei dir?«
Sie nickte, wenig überzeugend. Professor Sonntag erstellte den Behandlungsplan.
»Steigen wir vorsichtig ein, Herr Fahl. Bitte um Kryotherapie, sicher benötigen wir zusätzlich eine manuelle Lymphdrainage mit Kompression. Isometrische, achsengerechte Krankengymnastik. Ganz klar: Dorsale Grifftechnik am Tibiakopf. Und auf keinen Fall Rotation im Kniegelenk zulassen!«
»Herr Professor!«, sprach Emmerich Fahl vorwurfsvoll.
»Ist ja schon gut. Ich weiß, dass sie es wissen. Ich wollte nur ganz korrekt sein!«
»Das ist Ihnen gelungen! – Marion, kommst du noch in die Bäderabteilung? Dann können wir die nächsten Termine abmachen!«
»Ich könnte gleich mit dir kommen, wenn du Zeit hast! Herr Professor, wir sehen uns morgen! Was steht auf dem Programm?«
»Nur eine Leistenhernie rechts, und ein Magentumor!«
»Das bekommen wir hin, Herr Professor!«
*
»Kind, jetzt sag aber mal … Da stimmt doch was nicht! Das sieht doch ein Blinder? Und was hat dieser Koffer zu bedeuten?«
»Ich habe es getan, Emmerich. Ich habe es endlich geschafft. Ich habe mich getrennt.«
Der Physiotherapeut sah sie erstaunt an.
»Aber du hast doch immer gesagt, das Haus …«
»Ach, das soll ein Anwalt klären. Ökonomisch ist es ein Wahnsinn. Meine gesamte Absicherung fürs Alter geht den Bach runter. Aber wenn ich dieses Leben so weiterleben muss, werde ich gar nicht alt.«
Emmerich ergriff ihre Hände.
»Und wie geht es dir damit, Marion?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin froh. Ich habe Angst. Ich darf überhaupt nicht lange darüber nachdenken, dann bekomme ich Panik. Ich bin traurig. So viele Erinnerungen muss ich begraben. O Gott, wenn ich bedenke, wie viel Arbeit in diesem Haus steckt! Emmerich, sag mir: Hab ich richtig gehandelt? Eben fühlte es sich nicht richtig an, aber gerade bin ich überhaupt nicht mehr sicher! Sag schon! Hätte ich nicht so schnell aufgeben sollen?«
Er umarmte sie.
»Nicht so schnell? Machst du Witze? Du hast das Jahrzehnte ausgehalten. Und du hast es immer wieder versucht, um seine Unterstützung, seine Anerkennung zu bitten. So, wie du es mir erzählt hast, hat er sein Leben durchgezogen. Wer weiß, ob es ihm überhaupt auffällt, dass du nicht mehr da bist. Ich bin auch gar nicht sicher, ob man ihm einen Vorwurf machen darf. Du gehörst zu diesen komischen Frauen, die glauben, dass sie den Kerl, den sie geheiratet haben, sich schon irgendwie zurechtbiegen können. Aber das funktioniert nicht. Nie. Du bastelst dir aus einem Mr. Hyde keinen Dr. Jekyll.«
»Du findest mich sehr dumm, oder, Emmerich?«
»Ich finde dich sehr tapfer, Marion. Du bist sehr tüchtig. Ohne dich geht im OP alles drunter und drüber. Vielleicht hast du nicht unbedingt ein glückliches Händchen bei der Partnerwahl. Aber man kann ja nun auch nicht alles können!«
Sie weinte. Dann musste sie lachen.
»Ich bin eine dumme Kuh, Emmerich. Ich weiß nicht einmal, wo ich die Nacht verbringen werde. Ich wollte eigentlich den Chef fragen, ob ich hier irgendwo ein Bett finde, bis ich mich um eine Wohnung gekümmert habe. Aber es kam mir plötzlich so ungehörig vor, ihn danach zu fragen. Und dann warst du plötzlich da!«
»Also, wenn du dir vorstellen könntest, bei mir einzuziehen? Mein Untermieter zieht gerade aus!«
»Dein Unter … ach so, ich dachte, ihr seid – naja, zusammen, Dr. Süden und du!«
Emmerich senkte den Kopf.
»Reib du jetzt auch noch Salz in meine Wunden! Ich wünschte, es wäre so. Er ist ein Goldschatz, wirklich. Zärtlich, liebevoll, lustig, intelligent. Er kann kochen, bügeln und ist hinreißend ordentlich. Außerdem pinkelt er im Sitzen! Kann es einen besseren Mitbewohner geben? Aber: Er ist nicht schwul! Er findet Männer attraktiv, sehr sogar, aber er kann sich eine Lebensgemeinschaft eben nur mit Frauen vorstellen! Verdammt!«
»Naja«, gab Marion zu bedenken, »schwul ist ja nun auch nichts, was man sich aussucht. Man entscheidet sich ja auch nicht, hetero zu sein!«
»Das ist so, Marion. Aber er hat mir nach zwei Gläsern Wein erzählt, dass da mal was war, mit dem Mann von Dr. Angerer. Und ich hatte eben gehofft – ach, egal. Wir sind Freunde. Und das will ich nicht kaputtmachen. – Was ist denn nun? Hast du Lust auf eine Wohngemeinschaft?«
»Das ist nicht die Frage. Aber du hast vorhin gesagt, dass ich glaube, mir den Kerl, mit dem ich zusammenlebe, nach meinen Bedürfnissen zurechtbiegen zu können, oder so ähnlich. Wenn dich das nicht stört?«
Sie