Der neue Sonnenwinkel 74 – Familienroman. Michaela Dornberg
Almas merkwürdiges Verhalten, als sie den Besuch ankündigte. Roberta hatte keine Gelegenheit, es zu hinterfragen, denn der Besucher betrat direkt hinter Alma den Raum. Roberta konnte nur froh sein, dass sie saß, sonst wäre ihr gar vor lauter Überraschung die kleine Adrienne aus den Armen gefallen.
Max.
Sie hätte mit allem gerechnet, mit ihrem Exmann allerdings nicht. Sie hatte versucht, alles zu vergessen, was zwischen ihnen gewesen war, die guten und die schlechten Zeiten, von denen die schlechten Zeiten deutlich in der Überzahl gewesen waren.
Was wollte Max von ihr?
Roberta spürte, wie alle Alarmglocken in ihr angingen. Sie hatte vor ihm Ruhe gehabt, weil eine Frau die Kosten für sein aufwendiges Leben übernommen hatte. War das vorbei, und er hatte sich an sie erinnert und wollte nun versuchen, etwas aus ihr herauszuquetschen? Solche Gedanken waren nicht abwegig, denn Dr. Max Steinfeld hatte da überhaupt keine Skrupel.
Allerdings war auch er mehr als bloß überrascht, der blieb stehen, schaute sie voller Erstaunen an. Er war es allerdings, der sich zuerst fasste.
»Du hast ein Kind?«, quetschte er überrascht hervor, deutete auf die kleine Adrienne, die in Robertas Armen lag.
Sollte sie ihm erzählen, wie sie an das Baby gekommen war, dass es einfach vor ihrer Tür gelegen hatte?
Es schossen ihr viele Gedanken durch den Kopf, dann entschied sie, darauf nicht zu antworten, sondern ihn zu fragen, was er von ihr wolle, und das tat sie dann auch.
»Darf ich mich vielleicht erst mal setzen?«, erkundigte er sich. »Zwischen Tür und Angel lassen sich Gespräche nicht so gut führen, nicht wahr?« Er schaute sie an, und dann kam ihm ein Gedanke. Er grinste. »Roberta, wenn du jetzt Angst hast, ich sei gekommen, um dich anzupumpen: Vergiss es. Nein, das ist wirklich nicht der Grund. Ich hatte in der Nähe zu tun und dachte, dass ich dir hallo sagen könnte, zumal unsere letzte zufällige Begegnung doch ganz friedlich verlaufen ist.«
Ja, sie erinnerte sich, sie hatte ihn und seine neue Flamme getroffen. Ihr war schon ein bisschen peinlich, dass er ihre Gedanken erraten hatte. Ein Wunder war es allerdings nicht, schließlich waren sie miteinander verheiratet gewesen, und Geld von ihr wollte er immer schon haben, Max wusste von Geld nicht, wie man es verdiente, sondern nur, wie man es ausgeben konnte. Und das hatte er immer mit vollen Händen getan. Doch darum ging es jetzt nicht. Es war lange schon vorbei, und allmählich begann sie auch, sich von dieser Überraschung zu erholen, ihn plötzlich zu sehen. Er war schon ein guter Typ, der Max und ein richtiger Charmeur. Sie war nicht umsonst auf ihn hereingefallen. Auch heute war er elegant, vor allem teuer angezogen, wenngleich er in Robertas Augen verloren hatte. Er sah ein wenig verlebt aus, was allerdings auch überhaupt kein Wunder war. Max hatte nichts anbrennen lassen, und das hatte sich vermutlich bis heute nicht verändert, und eine solche Lebensweise schlug sich halt irgendwann auch im Äußeren eines Menschen nieder.
»Setz dich, Max«, sagte sie, »möchtest du einen Kaffee trinken oder sonst etwas?«
»Kaffee wäre wundervoll«, sagte er sofort und nahm Platz, sehr schnell, als habe er Angst, sie könne es sich anders überlegen.
Alma, die ratlos dabei gestanden hatte, war froh, jetzt eine Aufgabe zu haben. Sie nahm Roberta das Baby aus den Armen, legte es behutsam in den Stubenwagen, und dann zog sie den wortlos mit sich weg.
Was wollte der Exmann der Frau Doktor hier? Sie konnte schon beunruhigt sein, denn dieser Mann hatte die Frau Doktor gestalkt, hatte versucht, sie wegen angeblicher Arzneimittelkungelei zu verunglimpfen, und eingebrochen war er ebenfalls. Die Frau Doktor war einfach zu gut, sie hätte sich nicht darauf einlassen sollen, ihm sogar Kaffee anzubieten. Der führte nichts Gutes im Schilde, daran konnte man fühlen. Aber es ging sie nichts an, deswegen kochte sie, wenn auch mit Widerwillen, den Kaffee, und sie packte sogar ein paar Kekse in eine Silberschale. Sie wusste halt, was sich gehörte, der Gast war König, auch wenn er ein ungewünschter, ein unangenehmer war. Unangenehm, das konnte man leider auf den ersten Blick nicht sagen, irgendwie hatte er schon etwas, dieser Hallodri.
Was in Almas Kopf vor sich ging, davon ahnten die beiden Zurückgebliebenen nichts, außerdem hätte Max ohnehin nichts dazu sagen können.
Nachdem Alma gegangen war, blieb es für einen Augenblick still zwischen ihnen.
Roberta war noch immer beunruhigt wegen seines plötzlichen Auftauchens, sie wappnete sich gegen einen plötzlichen Angriff. Max würde nicht handgreiflich werden, er schätzte keine verbalen Auseinandersetzungen, ging ihnen aus dem Weg. Doch er konnte sehr beharrlich sein, sich auch in seiner Wortwahl vergreifen, wenn es darum ging, Geld herauszuschlagen. Alles zwischen ihnen war geklärt, sie war mehr als großzügig gewesen, hatte auf vieles verzichtet, sogar auf die große Praxis. Das allerdings hätte sie sich ersparen können, denn die hatte Max sehr schnell gegen die Wand gefahren. Es war auch geklärt gewesen, als er dennoch hergekommen war, um auf unschöne Weise an Geld zu gelangen.
Roberta hielt es nicht länger aus. »Max, weswegen bist du gekommen?«, erkundigte sie sich erneut. »Dass du geschäftlich hier in der Nähe zu tun hast, nehme ich dir nicht ab. Was sollte das denn sein?«
Er ging nicht sofort darauf ein, vertröstete sie auf später, nachdem sie Kaffee miteinander getrunken hatten, er blickte sie an. Früher war ihr ein derartiger Blick durch Mark und Bein gegangen, jetzt prallte es bei ihr ab. Max war wie ein Fremder für sie.
»Du siehst wunderschön aus«, säuselte er, »du bist schon etwas Besonderes, schade, dass ich das früher nicht zu schätzen gewusst habe, jetzt gibt es in deinem Leben einen neuen Mann, mit dem du sogar ein Kind bekommen hast. Freilich, Kinder wolltest du ja schon immer. Er scheint es richtig zu machen. Was für ein Mann ist es denn, der den ich früher hier mal ganz flüchtig gesehen habe?«
Es reichte Roberta.
»Max, was soll das? Du bist liiert.«
Er nickte. »Aber es ist nicht die Frau, mit der du mich damals auf dem Marktplatz gesehen hast. Das ist vorbei. Es gibt eine neue Partnerin.«
Roberta konnte es sich nicht verkneifen, ihm eine Frage zu stellen: »Hat sie mehr Geld?« Sie beantwortete sich die Frage selbst. »Aber ja, natürlich.«
Er grinste, es war ihm in keiner Weise unangenehm.
»Wie gut du mich kennst, ja, sie besitzt mehr Geld, und sie ist auch umgänglicher. Aber jetzt bist du dran, erzähle von ihm, dem Baby. Was ist es denn, ein Junge oder ein Mädchen?«
Sie kam nicht dazu, ihm zu antworten, denn in diesem Augenblick betrat Alma das Zimmer, ohne Adrienne, aber beladen mit einem Tablett, das sie auf den Tisch stellte, und die Kekse entlockten Max ein: »Wie nett von Ihnen, wie aufmerksam, auch an Gebäck zu denken.«
Alma sagte nichts dazu, warf ihm einen unfreundlichen Blick zu, servierte alles, schenkte sogar noch den Kaffee ein, dann wandte sie sich an Roberta. »Wenn Sie noch etwas benötigen, Frau Doktor, Sie wissen, wo Sie mich und Adrienne finden.«
Ohne Max auch noch einen einzigen Blick zuzuwerfen, verließ sie hochaufgerichtet das Zimmer, was er mit der Bemerkung quittierte: »Ich glaube, sie kann mich nicht leiden.«
Das hätte Roberta jetzt bestätigen können, doch sie unterließ es. Sie hatte sich von ihrer ersten Überraschung erholt, sie konnte mit ihrem Ex umgehen, für den sie überhaupt keinerlei Gefühle mehr hegte, Liebe schon lange nicht, die war während ihrer Ehe gestorben, und die Verbitterung war einer Gleichgültigkeit gewichen. Max Steinfeld war ein Fremder für sie, ob er da war oder ob in China der berühmte Sack Reis umfiel, das war eines. Roberta wünschte sich nur noch, er möge gehen. Das allerdings konnte sie nur erreichen, indem sie alles ein wenig beschleunigte, seine Fragen beantwortete, denn Max konnte sehr beharrlich sein, er würde immer wieder davon anfangen. Also erzählte sie ihm, dass sie nicht verheiratet sei, keinen Partner habe, was ja auch zutraf, und dass die kleine Adrienne nur vorübergehend im Doktorhaus sei. Das traf zu, über das wie, was, warum musste sie ihm nichts erzählen. Es ging ihn nichts an.
Er gab sich mit ihrer Antwort zufrieden, fügte lediglich hinzu, dass er das sehr bedaure, dass er nicht begreife könne, dass eine Frau wie sie keinen Partner an ihrer Seite