Der neue Sonnenwinkel 74 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel 74 – Familienroman - Michaela Dornberg


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komplettes Kulturprogramm. Ach, Rosmarie, du glaubst überhaupt nicht, wie sehr ich mich darauf freue. Manchmal kann ich es noch immer nicht richtig fassen, was sich da gerade in meinem Leben ereignet. Ich habe Angst, irgendwann aus einem schönen Traum zu erwachen.«

      »Es ist wunderbare Wirklichkeit, meine liebe Inge. Wenn du so willst, ist diese Reise nach New York praktisch das Tüpfelchen auf dem I. Werner hat sich verändert, und seit er da in der Jugendstrafanstalt mit den Jugendlichen arbeitet, ist er viel freier, viel umgänglicher geworden. Man merkt, welchen Spaß er dabei hat. Ich glaube auch, dass er es sehr genießt, nicht mehr vor Wissenschaftlern reden zu müssen, sondern vor so unterschiedlichen jungen Menschen, die wirklich nicht einfach sind, oftmals diese negative Einstellung zum Leben haben. Er hat sie für sich gewonnen, er bringt dir ohne Anlass Blumen mit und nun diese Reise, um die du wirklich zu beneiden bist.«

      Sie trank etwas von ihrem Cappuccino.

      »Inge, ich freue mich so sehr für dich. New York ist wirklich eine sehr faszinierende Stadt, und eigentlich stellt man sich so Amerika vor, nicht das, was beispielsweise in Nebraska, Wyoming oder Idaho geschieht. Wie du weißt, seid ihr für mich immer die beneidenswerte Vorzeigefamilie gewesen.«

      Inge winkte ab. »Nur in deinen Vorstellungen, Rosmarie, du weißt, wie viel davon im Laufe der Zeit abgebröckelt ist. Eine ganze Weile konnte man eher dich und deinen Heinz beneiden. Nobody is perfect, und eine Beziehung funktioniert nur, wenn man daran arbeitet, wenn man offen und ehrlich zueinander ist und wenn man seine Bedürfnisse auch ausspricht. Wir Auerbachs waren halt immer die ›Unterdenteppichkehrer‹. Und irgendwann ist uns diese Haltung um die Ohren geflogen. Ach, Rosmarie, daran möchte ich nicht mehr denken. Es war ganz schrecklich. Und wenn du so willst, hat es auch Pamela aus dem Haus getrieben.«

      Davon allerdings wollte Rosmarie nichts hören.

      »Inge, ich bitte dich, zieh dir den Schuh nicht an. Pamela wäre irgendwann auch gegangen, wenn bei euch eitel Sonnenschein geherrscht hätte. Immer mehr junge Leute machen ein Auslandsschuljahr, was ja auch niemandem schadet. Und vergiss nicht, Pamela und Hannes sind ein Herz und eine Seele, die können gut, was sage ich, die können großartig miteinander. Das haben sie ja auch bewiesen während ihrer gemeinsamen Zeit in Australien.«

      »Oh Gott, bitte erinnere mich nicht daran, das war die allerschlimmste Zeit meines Lebens. So etwas möchte ich niemals wieder erleben. Es hat mich beinahe zerrissen.«

      »Inge, es ist vorbei, denk nicht mehr daran. Jetzt sieht alles wirklich sehr gut aus. Und dass Werner Hannes angerufen hat, um sich quasi bei ihm zu entschuldigen, das ist schon enorm. Meine Liebe, das kannst du dir im Kalender rot anstreichen. Inge, ihr werdet wieder die, die ich immer in euch gesehen habe. Und ihr seid schon etwas ganz Besonderes, ihr Auerbachs. Und du hast alles richtig gemacht, da muss man sich ja bloß Ricky ansehen. Die ist für mich die allerbeste Schwiegertochter von der ganzen Welt, wie die den Haushalt schmeißt. Ich werde niemals vergessen, dass Ricky niemals gegen mich war, sondern dass sie immer versucht hat, zwischen mir und Fabian zu vermitteln, was ihr ja auch gelungen ist. Und ich weiß selbst, wie peinlich ich mich damals benommen habe.«

      Natürlich ging es bei Inge herunter wie Öl, wenn Rosmarie so über Ricky sprach. Aber es war schon fast unglaublich, wie prima die ihr Leben im Griff hatte, mit Ehemann und ihrer süßen Kinderschar war das ganz gewiss nicht so etwas wie ein Spaziergang durch einen Rosengarten.

      »Zum Glück läuft es ja mit euch und Fabian richtig gut, ich bin überzeugt davon, dass er euch die Vergangenheit nicht mehr nachträgt. Und was Ricky betrifft, natürlich höre ich gern, wenn du derart lobende Worte für sie findest. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass alles eben deswegen so hervorragend funktioniert, weil Ricky und Fabian an einem Strang ziehen. Sie haben sich gesucht und gefunden. Es kam nicht von ungefähr, dass sie sich direkt am ersten Tag begegnet sind, als wir hierher gezogen sind. Das war Schicksal, Liebe auf den ersten Blick, ein Blitzschlag der Liebe, und wenn das der Fall ist, ich glaube, da kann man wirklich Hand in Hand durchs Leben gehen, da ist einem kein Berg zu hoch und kein Wasser zu tief.«

      Rosmarie seufzte.

      »Inge, das hast du ganz wundervoll gesagt. Ja, sie sind wirklich etwas Besonderes, unsere Kinder, und das färbt auf unsere Enkelinnen und Enkel halt sehr günstig ab. Es ist so schön …« Rosmarie brach ihren Satz ab, und Inge ahnte es nicht nur, nein, sie wusste es, dass Rosmarie in diesem Augenblick an Stella dachte, die auf eigenen Wunsch den Weg in die Anonymität gewählt hatte und die nun wie vom Erdboden verschwunden war. Rosmaries Tochter Stella …

      Es war nicht so, dass Inge das gleichgültig war. Um Stella ging es ihr dabei nicht so sehr. Sie war zwar mit ihr als Schwiegertochter gut ausgekommen, doch mit Charlotte kam sie sehr viel besser aus, sie war die richtige Ehefrau für Inges Sohn Jörg. Nein, nicht nur Rosmarie jammerte wegen der Enkelkinder, das tat Inge ebenfalls. Stella hatte Eltern und Schwiegereltern die Enkelkinder genommen.

      »Du dachtest gerade an Stella, nicht wahr, Rosmarie?«, erkundigte Inge sich leise, auch ein wenig verunsichert, denn Stella war etwas, worüber sie alle nur sehr selten sprachen, obwohl es sie zutiefst bewegte.

      Und richtig, Rosmarie konnte zunächst einmal nur nicken, und es dauerte eine Weile, ehe sie Inges Frage beantworten konnte. Rosmarie war traurig und berührt zugleich, und Inge machte sich Vorwürfe, warum sie überhaupt von diesem Thema angefangen hatte.

      »Ach, weißt du, Inge, es könnte alles so wundervoll sein. Mit Heinz und mir wird es immer schöner, inniger, mit Fabian sind wir ebenfalls auf einem wundervollen Weg. Ist es da nicht normal, dass es einen beinahe zerreißt, wenn man an sein anderes Kind denkt und vor allem auch an die Enkelkinder? Sosehr ich mir auch den Kopf zermartere, ich kann einfach nicht begreifen, was eigentlich in Stella gefahren ist, jeglichen Kontakt zu allen von uns abzubrechen. Überhaupt hat sie sich ja sehr verändert, niemand kann nachvollziehen, warum sie Jörg verlassen hat. Er hat Stella auf Händen getragen, und seine Familie war ihm gewissermaßen heilig. Mit dem anderen Mann hielt sie es ja nicht lange aus. Gut, man kann sich irren, und ob man die richtige Wahl getroffen hat, stellt sich spätestens nach den Werbewochen heraus. Aber warum, warum ist sie mit den Kindern einfach sang- und klanglos abgetaucht? Sie hätte doch wieder nach Deutschland kommen können oder wenigstens eine Adresse hinterlassen, wenn Aus­tralien jetzt das Land ihrer Träume ist. Was ist da bloß geschehen?«

      »Rosmarie, das alles haben wir doch bereits mehr als nur einmal erörtert. Hör endlich auf, dich zu quälen und dir Vorwürfe zu machen. Es hat nichts mit dir und Heinz zu tun. Stella hat ja auch jeglichen Kontakt zu Fabian abgebrochen, und die beiden waren ja wohl immer ein Herz und eine Seele. Stella hat sich für einen Weg entschieden, in dem die Familie keinen Platz mehr hat, und das müssen wir akzeptieren. Wir können nur darauf hoffen, dass die Kinder, wenn sie volljährig sind, den Weg zu uns finden, ihren Großeltern, zu Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen.«

      Rosmarie winkte ab.

      »Die können sich irgendwann doch überhaupt nicht mehr an uns erinnern, außerdem weißt du nicht, was Stella ihnen über uns erzählt. Sie wird die Kinder gegen uns aufhetzen. Inge, wir haben sie verloren.«

      Das wollte Inge so nicht akzeptieren, auch wenn das, was sie dazu sagte, ein wenig Augenwischerei war, wie ihr selbst bald bewusst wurde.

      »Wenn es uns vorbestimmt ist, werden sie den Weg zu uns finden, und bis es so weit ist, müssen wir uns halt gedulden.«

      »Glaubst du an Karma?«

      Diese Frage musste Inge nicht mehr beantworten, denn ihre Mutter gesellte sich überraschend zu ihnen.

      »Schön, dass ich euch hier treffe, dann muss ich meinen Kaffee nicht allein trinken. Ihr habt doch nichts dagegen, dass ich mich zu euch setze? Es ist ja nicht der Kaffee, der mich hierher zieht, sondern es gibt köstlichen Kuchen, der mich an meine Kindheit erinnert.«

      Natürlich hatte niemand etwas dagegen, ganz besonders Rosmarie nicht, die Teresa von Roth glühend bewunderte.

      »Wie kommt es, dass du nicht im Internat bist?«, wollte Inge wissen.

      »Weil ich diesen Bauernmarkt liebe und gern hier einkaufe«, war die lakonische Antwort. Und als Inge sofort


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