Wyatt Earp 220 – Western. William Mark D.
von Arizona in der kleinen Stadt Caprun aufgetaucht, wo er alsbald auf der Billoc-Ranch Freunde fand. Er hatte Geld, und niemand wusste, woher. Er gehörte zu den Männern, die mit Laceso befreundet waren und trieb sich zeitweise in der Stadt herum. Dann war er wieder wochenlang, ja, sogar monatelang verschwunden.
Jetzt stand er hier in der dunklen Toreinfahrt und beobachtete die Straße. Eine Weile hatten die beiden drüben vor der Schmiede gestanden, und nun hatten sie sich hier vorm Haus des Sargtischlers Evans postiert.
Rachegedanken krochten in das Hirn des Banditen.
»Wenn ich ihn kriege«, sagte er sich immer wieder, »dann schlage ich ihn tot. Ich schlage ihn regelrecht tot!«
Da bewegte sich Billoc neben ihm, machte ein paar Schritte vorwärts und sagte:
»Ich gehe wieder auf die andere Seite. Du kannst ja hierbleiben.«
»All right«, knurrte Monk.
Billoc entfernte sich und nahm wieder drüben vor der Schmiede Aufstellung, wo er glaubte, im Dunkeln des Mondschattens sicherer zu sein.
Und so war es denn der Mörder Ferry Monk, alias Jonathan Copperfield, der eigentlich etwas hätte hören müssen, was er jedoch nicht hörte. Es war der Zorn, der ihn nicht nur blind, sondern auch taub gemacht zu haben schien.
Sonst hätte er doch jetzt die Schritte hören müssen, die nicht einmal allzu weit von ihm entfernt hinten auf dem Hof des Sargtischlers aufklangen.
Es war allerdings ein leichter, ein federleichter Schritt. Und die Person, die ihn verursachte – war eine Frau.
Eine große, schlanke Frau. Sie trug einen dunklen Mantel über ihrem Kleid und hatte eine schwarze haubenförmige Kappe über ihr schimmerndes Haar gezogen.
Es war eine hübsche Frau, die seltsam asiatische Gesichtszüge hatte.
Ihr Name war Ruth Capucine.
Jawohl, es war die Schwester jenes Mannes, der zusammen mit dem verbrecherischen Sheriff Larkin vor einiger Zeit die Galgenmännerbande angeführt hatte.
Wyatt Earp war vor wenigen Stunden auf Ruth Capucine im Hause Lester Lacesos getroffen und hatte sie in einem Mietstall untergebracht in der Hoffnung, dass sie dort vorerst einmal sicher saß. Aber die schöne Frau hatte es verstanden, den jungen Mietstall-Owner dazu zu bewegen, sie freizulassen.
Sofort hatte sie ihre Freiheit dazu benutzt, Sheriff Talbot aufzusuchen und ihn hinter dem Missourier herzuhetzen, von dem sie wusste, dass er zusammen mit Doc Holliday zur Billoc-Ranch reiten würde.
Sie war es eigentlich, die den Marshal auf der Ranch so in die Enge getrieben hatte. Aber Wyatt Earp und Doc Holliday war es gelungen, sich aus dem Feuer herauszureißen und den Sheriff und zwei seiner Komplicen dingfest zu machen.
Ruth Capucine hatte, nachdem sie den Sheriff und mehrere andere Verbrecher in die Sättel gebracht hatte, die Main Street verlassen und ein kleines älteres Haus am Südrand der Stadt aufgesucht, in dem ihre Freundin Barbara Norton wohnte.
Barbara Norton, ein bigottes Mädchen mit blassem Gesicht und großen verklärten Augen, hatte Ruth damals, als ihr Bruder festgenommen worden war, in das Haus des Reverenden Thomson gebracht, wo sie liebevolle Aufnahme gefunden hatte.
Aber Ruth Capucine hatte dem Gottesmann diese Freundschaft wenig gedankt. Als sie durch einen Zufall den Kartenhai Laceso kennenlernte, hatte sie sich sofort mit ihm angefreundet, obgleich sie doch wissen musste, dass er ein Verbrecher war.
Barbara Norton hatte es erfahren, aber sie glaubte ebenso wenig daran wie der Reverend selbst, und war jetzt freudig überrascht, die ehemalige Freundin so plötzlich bei sich auftauchen zu sehen.
Aber Ruth Capucine hatte weder Lust noch Zeit, sich auf einen Tee einladen zu lassen, sondern sie forderte Barbara Norton auf, ihr ein Pferd zu leihen.
»Ein Pferd«, meinte das bleiche sommersprossige Mädchen, »ja, wenn du meinst, kann ich dir ein Pferd leihen, aber es ist nur ein Wagenpferd.«
»Ihr habt doch diesen schnellen Apfelschimmel, den brauche ich«, forderte die Gangsterbraut.
Barbara nickte wieder. »Ja, das ist ein Wagenpferd, ich habe es schon gesagt.«
»Ist das das Tier, mit dem dein Vater neulich hinauf nach Apache gefahren ist?«
»Ja, aber es tut mir leid, Ruth, der Wagen ist kaputt. Zwei Räder sind gebrochen, du weißt, dass mein Vater leider Gottes ein ziemlich wilder Fahrer ist, er trinkt zuweilen unterwegs, und dann kennt er keine Rücksicht.«
Ruth nagte an ihrer Unterlippe. Dann schnippte sie mit den Fingern und meinte:
»Komm, gib mir das Pferd.«
Wenige Minuten später stand sie mit dem aufgeschirrten Tier vor der Tür.
»Was hast du vor?«, fragte Barbara zitternd, obgleich die Nacht nicht einmal kalt war.
»Geh zurück ins Haus, du wirst dich erkälten«, forderte Ruth sie kühl auf und ging dann mit dem Pferd davon.
Aber den Wagen, den sie suchte, konnte sie nirgends finden.
Sie hatte das Pferd hinter dem Haus des Reverenden untergebracht, wo es so leicht niemand finden würde, und suchte weiter.
Wo konnte sie noch einen Wagen finden?
Überall waren die Höfe geschlossen, und sie als Frau konnte unmöglich eine Fenz übersteigen.
Natürlich wusste sie, dass Laceso eine Menge Freunde in der Stadt hatte, aber sie wollte sich nirgends mehr sehen lassen, da sie befürchtete, dass Wyatt Earp in die Stadt zurückkommen könnte. Und wenn sie dann irgendwo gesehen worden war, lief sie Gefahr, dass der Missourier sie aufspüren würde. Das wollte sie auf keinen Fall mehr riskieren.
So war sie nach längerer Zeit schließlich an den offenen Hof des Sargtischlers Evans gekommen, war hineingeschlüpft und hatte auch prompt den Wagen gefunden, den sie suchte.
Evans hatte einen kleinen leichten Buggy, den er immer hinten links unterm Wagendach stehen hatte.
In dem Augenblick, in dem Ruth Capucine den Wagen aus dem Dunkel des Vordaches herausgezogen hatte, hörte sie Reiter in die Main Street sprengen.
Sie lief vorn an das offene Tor und blickte hinter ihnen her.
Sie machten drüben vor der Heuler-Bar Halt, sprangen ab und liefen auf die Schenke zu.
Einen von ihnen erkannte sie sofort: Ferry Monk. Sie hatte ihn mehrfach bei Laceso gesehen.
Well, die Männer bedeuteten für sie keine Gefahr, dennoch wollte sie sich auch von ihnen nicht sehen lassen.
Sie ging in den Hof zurück und hatte den Wagen an das rückwärtige Tor gebracht, das ebenfalls offen stand, zog ihn hinaus und hatte schon ein Stück weggezogen, als sie plötzlich bemerkte, dass sie ihre Handtasche verloren hatte.
Sie lief zurück in den Hof und suchte im Dunkeln unter dem Wagendach.
In diesem Augenblick kamen zwei Männer von der Straße her vorn an das Hoftor.
Monk und Billoc!
Ruth Capucine biss die Zähne aufeinander und ballte ihre kleinen weißen Fäuste.
Um keinen Preis durften die beiden sie hier finden. Aber konnte sie es wagen, sich jetzt hier aus dem Hof zu stehlen?
Billoc, den sie jetzt auch erkannt hatte, war durchaus fähig, sofort einen Schuss abzugeben.
Und auf wen die beiden da lauerten, das war ihr klar. Höchstwahrscheinlich war der Überfall auf Wyatt Earp fehlgeschlagen. Jedenfalls hätte sich Billoc jetzt sonst kaum hier in der Stadt aufgehalten. Die beiden lauerten auf den Marshal, der also in der Stadt zurückerwartet wurde.
Der Boden brannte der Gangsterbraut unter den Füßen.
Da entfernte sich Billoc vom Hoftor und ging davon.
Nur Monk stand noch allein da.