Wyatt Earp 220 – Western. William Mark D.
der dazu noch eine Brille trug, sollte der Sheriff von Apache sein?
»He, ich dachte Jack Lorenzo wäre der Sheriff von Apache«, meinte der Marshal.
»Ja, das war er auch bis vorgestern. Da wurde er leider abberufen.«
»Wohin?«
»In die Ewigen Jagdgründe, Mister«, entgegnete der junge Sheriff, während er sich ein paar Holzspäne aus den Kleidern schlug und dann an Wyatt vorbei ins Office trat.
»Schon mal den Namen Jimmy Dragoon gehört?«
»Allerdings«, entgegnete der Missourier. »Es ist ein Verbrecher aus Nogales, wenn ich mich nicht irre.«
»Stimmt genau«, meinte der Sheriff, während er sich nach dem Missourier umsah. »Und mit wem habe ich die Ehre?«
»Mein Name ist Earp. Ich komme aus Caprun und –«
»Earp?«, meinte der Bursche, während er die Brauen zusammenzog, »sind Sie etwa Virgil Earp? Nein, das ist ja unmöglich, der ist doch tot?«
»Ich bin Wyatt Earp«, entgegnete der Missourier. »Ich komme eben aus Caprun und –«
»Wyatt Earp?« Dann meinte der junge Mann, während er sich das struppige Haar zurückstrich und sein Hemd glatt zog: »Ich glaubte, ich habe Knöpfe auf den Augen. Natürlich sind Sie Wyatt Earp. Hier«, er wandte sich um, deutete auf einen Zeitungsausschnitt, der in einem Rahmen unter Glas gepresst und an der Wand hing und das Konterfei des Marshals zeigte, »kennen Sie den?«
Wyatt zog die Schultern hoch. »Ich würde mir ein so hässliches Bild nicht an die Wand hängen.«
»Ein hässliches Bild? Hören Sie, das ist ein gut aussehender Mann, sagt meine Braut, und zwar ein sehr gut aussehender, und wenn ich ihn in natura so vor mir sehe, kann ich nur sagen, dass meine Braut einen guten Geschmack hat.«
Wyatt berichtete nun, was er in Caprun erlebt hatte.
»Ich habe Sheriff Talbot und die beiden Banditen auf einer kleinen Farm zurückgelassen. Da müssen sie abgeholt werden. Am besten heute Abend.«
»Sie können sich ganz auf mich verlassen«, entgegnete der junge Sheriff Will Bonney. »Ich erledige das schon mit einem Deputy. Wenn es dunkel geworden ist, holen wir die drei Vögel ab. Sie können beruhigt sein, Marshal, ich erledige das bestens. Es wird mir sogar eine Ehre sein …«
Am Nachmittag hatten die beiden Westmänner ihr Quartier wieder verlassen und ritten nach Süden zurück.
Aber nicht nach Caprun, sondern auf die Billoc Ranch.
Da aber schien jegliches Leben erstorben zu sein.
Zwar flatterten fünfzig oder sechzig Hühner nervös vom Zaun herunter, als der Missourier in ihre Nähe kam, und auf der Pferdekoppel drängten sich die Tiere unter einem Sonnendach zusammen, aber ein menschliches Wesen war nirgendwo zu entdecken.
Wyatt wusste von dem Reverend, dass Ed Billocs Bruder Gap der Boss der Ranch war, und der Reverend hatte den Marshal noch besonders vor diesem Mann gewarnt. Aber offensichtlich hielt Gap Billoc sich nicht hier auf.
Die beiden Westmänner setzten ihren Weg fort.
Es war längst Abend, als sie in die Main Street von Caprun einritten.
Unweit der Heuler-Bar trennten sie sich.
Wyatt Earp ließ seinen Falbhengst neben dem Haus in einer Enge stehen und trat auf den Vorbau.
Mit einem Blick durch das Fenster stellte er fest, dass die Bar noch völlig leer war.
Er ging weiter, stieß die holzgeschnitzten Schwingarme der Pendeltür auseinander und trat ein.
Der Schankraum war tatsächlich noch leer. Trübes Halbdämmerlicht herrschte in dem Raum, denn der Keeper sparte offensichtlich mit dem Kerosin und hatte nur über der Theke eine Lampe hängen, die brannte. Die drei anderen Lampen im Raum waren nicht angezündet.
Wyatt ging zwischen den Tischreihen hindurch auf die Theke zu.
Der Mann, der da stand und Gläser polierte, mochte etwa fünfzig Jahre alt sein. Er hatte ein hageres Pferdegesicht, eine lange gebogene Nase und ein fliehendes Kinn. Der Mund war seltsam weich und verschwommen. Die Augen lagen hinter borstigen wuchernden Brauen und wurden unten von rötlich-blauen Tränensäcken eingeengt. Er hatte schütteres graues Haar und abstehende, ungesund wirkende gelbliche Ohren. Sein grünes Hemd war ganz sicher nicht mehr frisch, und die schwarze Halsschleife war unsauber gebunden. Überhaupt wirkte alles an diesem Mann irgendwie schmuddelig und unappetitlich. Nicht zuletzt auch das Tuch, mit dem er die Gläser polierte.
Als der Missourier in den Lichtkreis der Lampe trat, kniff der Keeper das rechte Auge ein und schob den Kopf etwas vor.
Er hatte den Fremden bisher noch nicht in der Stadt gesehen.
Wyatt war bis dicht an den Schanktisch herangekommen und sagte mit unterdrückter Stimme:
»Wo ist der Boss?«
Da stieß der Keeper den Kopf vor wie ein Raubvogel und riss die Augen plötzlich sperrangelweit auf.
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