Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 3 – Familienroman. Michaela Dornberg
es ist mir gelungen.«
Das ließ Roberta sich nicht zweimal sagen, und der Kuchen war wirklich sehr köstlich. Sie trank auch noch etwas von dem Tee, dann wandte sie sich an Hilde Hellwig.
»Ehrlich gesagt, habe ich mich so über Ihre Tochter aufgeregt, dass ich Ihretwegen ganz besorgt war und hergekommen sind. Sie wirken so gelassen, bitte entschuldigen Sie die Frage, haben Sie …, haben Sie etwas genommen?«
Jetzt musste Hilde Hellwig lachen.
»Nein, es ist nicht das erste Mal, wie gesagt, schon zu Lebzeiten meines Mannes war es so. Wir haben wirklich alles für sie getan, ihr immer wieder aus der Patsche geholfen, sie hat die Eigentumswohnung, die wir ihr gekauft haben, in den Sand gesetzt, eine Wohnung auf Sylt, sie hat immer wieder Geld gebraucht. Mit Mallorca würde es auch so gehen, am Anfang hätte sie Gefallen an der Wohnung, doch dann hätte sie sehr schnell das Interesse verloren, würde sich nicht mehr kümmern. Sie würde nicht mehr hinfahren, kein Hausgeld bezahlen, keine Reparaturen, keinen Strom, sie würde alle Briefe, alle Mahnungen ignorieren, und dann käme es, wie in den anderen Fällen auch, zu Zwangsversteigerungen. Wenn ich wüsste, dass sie endlich zur Besinnung kommt, würde ich ihr das Geld geben. Mein Mann hat mich sehr gut versorgt, ich muss das Haus nicht verkaufen. Das kann ich übrigens auch nicht. Mein Mann und ich haben gemeinsam festgelegt, dass sie nach meinem Tod monatlich nur einen bestimmten Betrag erhält. Genug, um gut davon leben zu können. Sie bekommt weder das Haus noch das Geld, das wäre alles so schnell weg, so schnell kann man überhaupt nicht gucken.«
Sie seufzte bekümmert.
»Es ist so traurig, dass man in dieser Weise über sein einziges Kind reden muss, aber man muss Cornelia vor sich selber schützen.«
»Frau Hellwig, wenn es so ist, warum sagen Sie ihr das denn nicht, dann würde es aufhören, von ihr bedrängt zu werden.«
Hilde warf ihrer Ärztin einen tieftraurigen Blick zu.
»Das würde sie so wütend machen, dass sie überhaupt nicht mehr käme. So kommt sie wenigstens hier und da, weil sie sich etwas erhofft.«
Oh Gott!
Wie traurig war das denn!
»Frau Hellwig, wenn Sie Hilfe brauchen, oder wenn Sie wollen, dass ich noch einmal mit Ihrer Tochter rede und ihr alles erzähle, dann sagen Sie es mir bitte. Ich bin immer für Sie da. Sie haben es nicht verdient, so behandelt zu werden, ganz gewiss nicht. Und wenn ich sonst etwas für Sie tun kann, bitte sagen Sie es mir.«
Ein feines Lächeln machte Hildes Gesicht ganz weich. Für ihr Alter sah sie wirklich bei all ihrem Schmerz noch sehr gut aus.
»Danke, es ist ganz lieb von Ihnen, Frau Doktor. Es ist schön zu wissen, dass es jemanden wie Sie gibt. Wir lassen alles am besten so, wie es ist. Der Kauf der Ferienwohnung wird sich so oder so zerschlagen, Cornelia wird für eine Weile wütend sein, nicht mehr mit mir reden. Aber dann wird sie doch kommen, weil sie Geld braucht.«
Sie blickte Roberta an.
»Bitte, sagen Sie jetzt nichts, Frau Doktor. Ich weiß, es ist erbärmlich. Doch was Cornelia immer auch tut, wie sehr sie mich beschimpft und verletzt, sie ist und bleibt mein Kind. Und solange ich lebe, muss ich für sie da sein. Ich bin ja schon schlauer geworden und bremse sie. Wie sagt man so schön? Durch Schaden wird man klug, Cornelia hat schon sehr viel Schaden angerichtet, und ich weiß, dass es nie aufhören wird, wenn nicht ein Wunder geschieht.«
Roberta versuchte, so weit es ging, Hilde Hellwig zu trösten, sie auch ein wenig aufzubauen und ihr Kraft zu geben. Viel war es nicht, was sie tun konnte, sie konnte im Grunde genommen nur froh sein, dass Hilde es mit Fassung trug. Sie war halt eine starke Frau.
Irgendwann blickte Roberta auf ihre Armbanduhr und war ganz entsetzt, als sie sah, wie spät es schon war. Wenn sie jetzt noch pünktlich in ihre Nachmittagssprechstunde wollte, dann musste sie jetzt eigentlich fliegen.
Sie schob sich das letzte kleine Stückchen des Kuchens in den Mund, trank den letzten Schluck Tee, dann stand sie auf.
»Tut mir leid, Frau Hellwig, ich wäre gern noch geblieben, aber ich habe heute Nachmittag noch Sprechstunde, und ich möchte nicht, dass die Patienten warten müssen. Ich finde die Kollegen ganz schrecklich, die glauben, nur weil sie einen weißen Kittel tragen, über die Zeit beliebig verfügen zu können.«
Sie umarmte ganz spontan Hilde Hellwig.
»Wenn Sie mich brauchen, oder wenn Sie mal reden wollen, Frau Hellwig, bitte scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen. Ich finde es übrigens ganz großartig, wie souverän Sie mit allem umgehen. Einfach ist es für Sie wirklich nicht.«
»Danke, Frau Doktor, danke für Ihren Besuch, Ihre Worte, Ihre Anteilnahme, und bitte entschuldigen Sie, dass Cornelia Sie einfach überfallen hat.«
Jetzt entschuldigte sie sich auch noch für das ungebührliche Verhalten ihrer Tochter.
Roberta hatte schon eine heftige Erwiderung auf den Lippen, doch die schluckte sie herunter. Die arme Frau war gebeutelt genug.
»Sehen wir es einmal so, Frau Hellwig, wäre Ihre Tochter nicht zu mir in die Praxis gekommen, dann wäre ich nicht hier, und dann wäre ich nicht in den Genuss dieses wirklich superleckeren Kuchens gekommen.«
Das freute Hilde Hellwig, sie errötete wie ein junges Mädchen.
»Frau Doktor, Sie können sich gern noch ein Stück Kuchen mitnehmen«, schlug Hilde Hellwig vor.
Das würde Roberta ja sogar, aber sie musste an ihre Alma denken. Und das war so etwas, Alma war ein ganz wunderbarer Mensch, aber was ihre Koch- und Backkünste betraf, da war sie sehr eigen und leider auch ein wenig eifersüchtig. Die könnte schnell auf den Gedanken kommen, der von ihr gebackene Kuchen schmecke ihr nicht, und sie müsse sich deswegen Kuchen mitbringen, den andere Frauen gebacken hatten. Es war ein wenig albern, aber da Alma sonst ziemlich pflegeleicht war, konnte Roberta diese Marotte durchaus lächelnd in Kauf nehmen.
Was jetzt tun?
Sie wollte natürlich auch Hilde Hellwig nicht enttäuschen. Da kam ihr zum Glück eine Idee.
»Das ist ganz lieb, Frau Hellwig, aber ich glaube, ich habe genug Kuchen gegessen, ein bisschen muss ich auch auf meine Linie achten. Aber was halten Sie davon, wenn ich ein Stückchen dieses wunderbaren Kuchens für meine Mitarbeiterin Frau Hellenbrink mitnehme? Ich weiß, dass die ganz verrückt nach Kuchen ist, und die würde sich ganz bestimmt sehr darüber freuen.«
Hilde Hellwig war von der Idee begeistert, zumal sie die Mitarbeiterin der Frau Doktor sehr mochte, die war immer so freundlich.
»Ja, das mache ich. Ich packe der netten Frau Hellenbrink etwas ein«, sagte Hilde Hellwig und verschwand in ihrer Küche.
Und Roberta wurde klar, dass das keine so gute Idee gewesen war, denn nun wurde sie noch länger aufgehalten, dabei lief ihr doch die Zeit davon.
Zum Glück dauerte es nicht lange, Hilde Hellwig kam relativ schnell zurück. Roberta nahm den Kuchen entgegen. Sie umarmte Hilde noch einmal, bedankte sich, dann eilte sie davon.
Jetzt musste sie wirklich fliegen, dachte sie, als sie sich in ihr Auto setzte und rekordverdächtig startete. Das war sonst wirklich nicht ihre Art. Sie war eher eine besonnene Autofahrerin. Das lag gewiss auch ein wenig daran, dass sie als Ärztin schon viele Verkehrsverletzte behandelt hatte, und sie hatte leider auch einige davon sterben sehen. So etwas konnte man nicht einfach beiseiteschieben. Wer sich über solche Tatsachen hinwegsetzte, war einfach nur töricht, und das war Roberta nun ganz gewiss nicht.
Aber heute …
Darüber wollte sie jetzt einfach nicht nachdenken. Ausnahmen gab es schließlich immer …
*
Robertas Befürchtungen, Hilde Hellwig könne leidvoll zusammengebrochen sein, hatten sich zum Glück nicht bewahrheitet. Aber mitgenommen war sie auf jeden Fall, denn es war ja mit ihrer Tochter ein steter, unschöner Kampf, der an den Kräften zehrte. Zwischen Mutter und Tochter, das war ein so ungesundes Verhältnis. So konnte