Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

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war es schon?

      Da musste sie sich aber sputen. Sie musste die Kinder abholen, und sie wollte auch ein paar Sachen für sie zusammenpacken. Keine Ahnung, wann Fabian zurückkommen würde. Es war nicht das erste Mal, dass die Kinder bei den Verwandten übernachteten, das fanden sie ganz toll.

      Sollte Bambi nicht auftauchen, war mit Ricky und Jörg nicht so schnell zu rechnen.

      Was war bloß geschehen? Was hatte Bambi so sehr aus der Spur gebracht, dass sie kopflos geworden war?

      Und wenn sie schon dabei war, sich Fragen zu stellen, dann konnte sie sich auch fragen, was mit ihrer Mutter geschehen war.

      Es war ja schon unheimlich, was auf einmal mit ihr los war. Hatte Cecile mit ihrer sanften, freundlichen Art wirklich diese Veränderung bei ihr bewirkt?

      Stella konnte es nicht glauben, und deswegen entschied sie sich, erst einmal abzuwarten. Mit ihrer Mutter hatte sie schon manche Episoden erlebt, und die waren nicht immer zum Lachen gewesen. Eine große Liebe konnte es eh nicht mehr werden, dafür war einfach zu viel Porzellan zerschlagen worden, dafür hatte es in der Kindheit zu wenig Liebe gegeben. Eigentlich überhaupt keine.

      Nein! Stella zwang sich, nicht zurückzudenken. An der Vergangenheit konnte man nichts mehr ändern, die Zukunft war noch nicht da. Was zählte, das war die Gegenwart, und mit der war sie vollkommen zufrieden.

      Sie war gesund, sie hatte einen tollen Mann, und sie hatte herrliche Kinder. Sie lebte sorgenfrei in einem schönen Haus.

      Mehr zu verlangen, würde bedeuten, das Schicksal herauszufordern. Und sie wollte nicht so enden wie im Märchen von dem Fischer und seiner Frau, die, obwohl es ihr gut ging, sie alles hatte, immer noch mehr wollte.

      Für die Frau war es böse ausgegangen, sie hatte alles verloren.

      Ihre Mutter fiel ihr in diesem Zusammenhang ein, auf die traf das Märchen eigentlich voll zu. Dass ihr das nicht früher schon aufgefallen war. Wenn sie wirklich dabei war, sich zu ändern, dann konnte es nur gut sein, ehe es für sie ein böses Erwachen gab. Einen Hinweis hatte sie ja bereits bekommen, als man ihr den ganzen Schmuck geraubt hatte.

      Schluss, sie wollte nicht an ihre Mutter denken, jetzt nicht. Und sie wollte auch nicht orakeln.

      Ihre Welt war in Ordnung, und sie konnte nur beten, dass es auch so bleiben würde.

      An Bambi denken musste sie schon noch, und das war auch vollkommen in Ordnung.

      Hoffentlich war der Kleinen nichts passiert, das wäre ganz schrecklich, und das würden ihre Schwiegereltern nicht verkraften. Bambi war das Nesthäkchen, und das war nicht der einzige Grund, warum sie mit abgöttischer Liebe an ihren Eltern hing.

      Es musste gut ausgehen, dachte Stella, und sie schämte sich nicht, ein Gebet gen Himmel zu schicken.

      *

      Jörg Auerbach hatte es sich schlimm vorgestellt, so schlimm allerdings nicht. Seine Mutter war vollkommen neben der Spur, und seinen Vater hatte er noch nie zuvor so hilflos erlebt.

      Selbst die Großeltern waren vollkommen verunsichert.

      »Gut, dass du da bist, Junge«, sagte sein Großvater. »Vielleicht kannst du deine Mutter ein wenig beruhigen. Wir wissen nicht, was wir noch tun sollen. Inge dreht durch, und das bringt doch niemanden weiter.«

      »Ihr ist etwas passiert, das spüre ich. Vielleicht ist sie an den See gegangen, irgendwo am Ufer ausgerutscht, und dann ist sie ertrunken.«

      Jörg versuchte, seine Mutter zu beruhigen.

      »Mama, wenn sie an den See gegangen wäre, hätte sie Luna mitgenommen. Außerdem gibt es überall breite Wege, und an keiner Stelle sind die gefährlich. Außerdem kann Bambi schwimmen wie ein Fisch.«

      Werner Auerbach seufzte abgrundtief.

      »Jörg, lass es bleiben. Das habe ich Inge auch schon alles erzählt. Im Augenblick kann man nicht vernünftig mit ihr reden. Aber gut, dass du gekommen bist. Ricky muss auch bald hier sein. Ich hoffe, dass es ihr gelingen wird, Mama zur Vernunft zu bringen.«

      »Du machst es dir einfach, Werner«, rief Inge aufgeregt. »Man kann fühlen, dass etwas Schreckliches passiert sein muss, sonst wäre Bambi daheim, und die Polizei …, ich bringe es in die Presse, wie lasch und unqualifiziert man mit besorgten Eltern umgeht.«

      Inge begann zu weinen, mit wenigen Schritten war Werner Auerbach bei seiner Frau, nahm sie behutsam in die Arme.

      »Liebes, so beruhige dich doch. Die Polizei wird sich kümmern. Aber versteh doch bitte, dass man da nicht sofort aktiv werden kann, wenn jemand anruft. Die Polizei ist unterbesetzt, man hat da nicht einmal die Leute, die sich sofort auf die Suche machen können. Und, mal ganz ehrlich, wo sollen sie anfangen? Wir sind ihre Eltern und haben keine Ahnung, wo Bambi abgeblieben sein könnte.«

      Inge war vom Weinen von ihrer Angst schon so erschöpft, dass sie nicht antworten konnte, aber die Nähe von Werner tat ihr gut.

      Und sie war froh, dass Jörg gekommen war. Er hatte alles stehen und liegen lassen. Und Ricky versäumte sogar eine sehr wichtige Vorlesung.

      Wie auf Kommando kam Ricky angebraust, man hörte, wie sie mit quietschenden Bremsen vor dem Haus hielt und kurz darauf hineingestürmt kam.

      Ricky, eigentlich Henrike, war eine sehr attraktive junge Frau, der niemand ihre Kinder ansah. Sie war groß, sehr schlank, und der Pferdeschwanz ließ sie noch jünger erscheinen als sie war.

      Sie begrüßte ihre Großeltern, die Eltern, umarmte schließlich ihren Bruder. »Gut, dass du auch gekommen bist, Jörg. Wir zwei müssen uns jetzt kümmern, Bambi kann nicht einfach verschwunden sein. Allerdings wäre es vermutlich besser gewesen, darauf zu bestehen, dass sie mit zum Flughafen kommt. Dann hätten wir den Schlamassel jetzt nicht. So, wie Bambi an Hannes hängt, hätte man sich eigentlich denken können, dass sie das Alleinsein nicht verkraftet.«

      Jörg warf seiner Schwester einen warnenden Blick zu, Ricky konnte manchmal sehr direkt sein.

      Zu spät. Inge begann wieder stärker zu weinen, obwohl das kaum noch möglich war.

      »Willst du damit sagen, dass es meine Schuld ist, dass Bambi jetzt weg ist?«, wollte sie wissen.

      »Hört mit diesen Schuldzuweisungen auf«, ergriff Magnus von Roth das Machtwort. »Bambi ist weg, und jetzt sollten wir uns alle zusammensetzen und überlegen, wo sie sein könnte. Brainstorming nennt man das heutzutage. Was man in den Werbeagenturen tagtäglich tut, werden wir ja wohl auch können. Wir sind ja alle gescheite Leute. Also, Inge, du hörst auf zu weinen, damit erreichst du nichts. Setzen wir uns also, am besten an den großen Küchentisch, da haben wir alle Platz. Ich denke, wir sollten auch die Frau Doktor Steinfeld anrufen. Zu der wird Bambi zwar nicht gegangen sein, aber sie kann uns vielleicht sagen, an wen wir uns sonst noch wenden können. Im Kreiskrankenhaus in Hohenborn ist Bambi ja nicht. Und hat jemand schon bei den Lehrern nachgefragt?«

      Inge schüttelte den Kopf.

      »Nein, noch nicht, und ich weiß auch nicht, ob das eine gute Idee ist, dann ist Bambi bei denen ja unten durch.«

      »Hast du Angst um dein Kind oder um dessen guten Ruf, Inge?«, erkundigte Magnus von Roth sich.

      Ricky konnte nicht anders, sie warf ihrem Opa einen bewundernden Blick zu.

      Das war so typisch ihr Opa, der hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern handelte. Und das lag ganz gewiss daran, dass die Großeltern in ihrem Leben schon viel mitgemacht hatten.

      Ricky liebte ihre Großeltern über alles, und das nicht nur, weil sie sie darin bestärkt hatten, trotz ihrer Kinder zu studieren. Sie hatten ihr sogar ein kleines Auto finanziert, und sie waren sehr glücklich gewesen, dazu in der Lage zu sein.

      Ricky fühlte sich auch überfordert, weil sie sich nicht vorstellen konnte, wo Bambi sein könnte. Natürlich hatte sie schon von Jugendlichen gehört und gelesen, die von zu Hause wegliefen, und das aus den unterschiedlichsten Gründen.

      Aber nicht


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