Räucherstoffe und Räucherrituale. Thomas Kinkele
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Register nach botanischen Namen
Stichwortzuordnung der Aromapflanzen
Einführung in das Räuchern
Etwa zeitgleich mit der Jahrtausendwende hat sich das Interesse an einer Tradition neu belebt, die seit Menschengedenken die verschiedensten Kulturen unseres Planeten auf die eine oder andere Art begleitet hat. Das Verräuchern aromatischer pflanzlicher Substanzen zum Zwecke des körperlichen sowie geistig-seelischen Wohlbefindens, als Begleiter religiös-spiritueller oder auch magischer Zeremonien, zum Schutz gegen Krankheitskeime oder als sinnvolles Verfahren zur Konservierung von Lebensmitteln, hat es in jeder Gesellschaft dieser Erde irgendwelche Spuren hinterlassen. Diese Spuren haben immer etwas mit dem Erhalt des Lebens zu tun. Tief im Inneren spürt das jeder, der mit aromatischem Rauch in Kontakt kommt. Natürlich sind die Reaktionen äußerst vielfältig, weil dieses Spüren häufig mit elementaren Erfahrungen in Verbindung steht. Von archaischen Instinkten bis hin zu angenehmen oder unangenehmen Kindheitserfahrungen werden unterschiedlichste Bereiche unseres Innenlebens aktiviert und zeigen eine deutliche Resonanz.
Wer im Umfeld einer Fischräucherei seine Kindheit verbrachte, für den wird der Duft von Buchen- und Wacholderrauch wahrscheinlich stark mit inneren Bildern verwoben sein. Ob das angenehme oder unangenehme Assoziationen mit sich bringt, macht eine Aussage über die emotionale Qualität der Kindheitserfahrungen. Das kann recht unterschiedlich ausfallen, wird aber immer eine ganz authentische Botschaft sein.
Wir nehmen wahr, wie sich durch einen Dufteindruck etwas in uns manifestiert, was nach Raum verlangt. Der Rauch aromatischer Pflanzen mutet ein wenig an wie ein Schlüsseleffekt. Etwas, was im Keller eingeschlossen ist, möchte frei werden.
Es ist wirklich erstaunlich, dass so viele Menschen dem Räuchern plötzlich so aufgeschlossen gegenüberstehen. Es scheint, als sollten wir uns zurückbesinnen auf etwas Wesentliches, eine Qualität, die uns auf dem Weg durch die jüngere Vergangenheit irgendwie verloren gegangen ist. Wir wollen es wiederfinden bzw. zulassen.
Überall dort, wo sich die warm-würzigen, süß-aromatischen oder herb-holzigen Räucherdüfte entfalten, scheint die Zeit für einen Moment stehen geblieben zu sein. Menschen halten inne in ihren mechanischen Alltagsaktivitäten und verharren für einen kleinen Augenblick in der zeitlosen Gegenwart von sensorischer Wahrnehmung. Dieser Eindruck ist oftmals so intensiv, dass sich Überraschung einstellt. Beim Weitergehen fühlen sie sich dann manchmal ein wenig verwandelt, denn diese Erfahrung kann durchaus bewirken, sich auch selbst bewusster wahrzunehmen.
Dieses Phänomen können vor allem diejenigen gut beobachten, die sich mit diesem Medium in einen öffentlichen Bereich begeben, um damit zu arbeiten. Die zahlreichen Reaktionen der Mitmenschen sprechen für sich und werden das vorab Gesagte immer wieder bestätigen.
Wer sich lieber ins stille Kämmerlein zurückziehen möchte, um persönliche Erfahrungen zu machen, dem wird sich eine ganze Welt von Eindrücken eröffnen, die interessant und hilfreich sind. Eine detaillierte Erklärung und differenzierte Anleitung zu einer kreativen Vorgehensweise erhalten Sie in meinem Buch „Spirituelles Räuchern“*, falls das vorliegende Werk Sie inspirieren sollte und das Bedürfnis weckt, noch tiefer in die Erfahrung hineinzugehen.
* ebenfalls im Windpferd Verlag, Aitrang 2000, erschienen
Woher kommt das Räuchern?
Die Verwendung aromatischer Pflanzenstoffe hat unterschiedlichste Formen und Gebräuche entstehen lassen. Ein Tag ohne Duft, so sagt man, galt für die alten Ägypter als ein verlorener Tag. Am Morgen räucherte man Olibanum, zu Mittag die Myrrhe und abends ein Kyphi genanntes, sorgfältig zubereitetes Räucherwerk. Kyphi, so sagt man, sei das Räucherwerk zur Entspannung gewesen und die lauen Abende einer altertümlichen ägyptischen Stadt seien von süßen, aromatischsinnlichen Duftschwaden erfüllt gewesen, die sich aus Tausenden von Heimstätten in unterschiedlichsten Nuancierungen zu einer Symphonie der Düfte verbanden. Kyphi, so berichtet der römische Geschichtsschreiber Plutarch (100 n. Chr.), wurde zur Nacht geräuchert. Es vermochte die Menschen in den Schlaf zu wiegen, Träume hervorzurufen und die Sorgen des Tages zu vertreiben. Ruhe und Frieden sollten dem geschenkt werden, der es einatmet – eine wunderbare Vorstellung. Auch wenn Sie eine gute heutige Kyphi-Komposition riechen, die sich nach der uns fragmentarisch erhaltenen Überlieferung aus mehr als zwölf aromatischen Komponenten zusammensetzt, haben Sie vielleicht die Möglichkeit, dieser Erfahrung selbst ein wenig nachzuspüren. Die süß-würzig-aromatischen Schwaden dieses Duftes machen dem Ausdruck „Nahrung der Götter“ alle Ehre.
Die babylonische Kultur vor ca. 3.500 Jahren kannte bereits eine breite Palette von Duftstoffen. Zedernholz wird im Gilgamesch-Epos verherrlicht, Olibanum, Myrrhe, Galbanum, Kalmuswurzel, Myrte, Labdanum, Zypresse und Styrax wurden von den Philosophen der Antike wegen ihres Duftes gepriesen. Von Mesopotamien über Indien bis nach China und Japan zieht sich eine historische Räucherspur. In den religiösen Überlieferungen finden wir immer wieder den Gebrauch verschiedener Räuchersubstanzen, wie beispielsweise in der Bibel, wo das Hohelied des Alten Testaments auch die Kraft des Duftes in seiner Wirkung auf Liebe und Freude an sinnlicher Lust besingt. Die arabische Traumwelt aus Tausendundeiner Nacht sowie die indische Vielfalt an magischen Wundergeschichten und spirituellen Mysterien werden immer wieder mit Duftphänomenen verbunden, wobei mit aromatischen Rauchschwaden Herz und Geist in die Welt der inneren Wirklichkeit getragen werden.
Aus der japanischen Empfindung für das Detail wurde eine Räucherkultur von hoher Ästhetik geboren, die im spirituellen ebenso wie im profanen Leben eine besondere Rolle spielt. Respekt für das Leben und Freude am SEIN finden ihren Ausdruck in einer Tradition, wo kostbarste aromatische Hölzer wie Adlerholz (Jinkoh) und Sandelholz, in winzigen Portionen mit präzisionsgefertigten Utensilien verräuchert, die Sinne beglücken, die Phantasie anregen und damit zu der hohen Kunst des Koh-do führen. Das ist eine Duft-Zeremonie, die in der Gemeinschaft mit ausgesuchten Menschen stattfindet und Achtsamkeit sowie Inspiration stärken soll.
Die amerikanisch-indianische Räuchertradition sieht in den „Pflanzen der Kraft“ wie Weißer Salbei, Präriebeifuß, Wacholder und Zeder eine kosmische Präsenz, die den Menschen wieder in Kontakt mit der ganzen Natur und mit dem Großen Geist zu bringen vermag.
Es lässt sich also ein eindrucksvolles Panorama erkennen, das uns als westlich geprägten Kulturmenschen die Wiederentdeckung dieses faszinierendem Mediums nahe legt. Allerdings gibt es hier auch Schattenseiten.
So treffen wir nicht allzu selten auf starke Ablehnung von allem, was unter dem Sammelbegriff „Weihrauch“ zusammengefasst wird. Die Reaktionen sind dann instinktiv und bisweilen sehr heftig und gehen bis zu spontaner Übelkeit und Aggression. In diesen Zusammenhang spielt fast immer die Kirche hinein.
Der katholisch-liturgische Gebrauch von reichlich Weihrauch (in der Regel sind es Rezepturen aus Olibanum, Myrrhe, Tolubalsam, Benzoe, Mastix, Labdanum und Drachenblut) hat hier meistens in der Kindheit ganze Arbeit geleistet. Es sind intensive Dufteindrücke, die übermäßig auf die kindliche Psyche eingewirkt