Der neue Sonnenwinkel 37 – Familienroman. Michaela Dornberg
man lebt hier nicht schlecht. Doch freiwillig würde ich niemals herziehen, auch nicht deinetwegen. Da würde ich lieber lange Fahrten auf mich nehmen, um dich zu besuchen.«
Pamela war nicht böse.
»Für mich ist es ein Paradies, und das wird es auch immer bleiben. Unser Sonnenwinkel ist der schönste Platz auf der ganzen Welt.«
Maren holte aus einer Schublade des Küchenschrankes, der ja zum Haus gehörte und bleiben würde, ein paar Schokoriegel, die sie redlich mit ihrer Freundin teilte.
»So was geht immer«, sagte sie, »komm, lass uns direkt einen essen.«
Pamela sah sich entsetzt um.
»Ich liebe Schokoriegel, doch ehrlich mal, Maren, sollen wir die wirklich hier essen? In diesem Chaos?«
»Stimmt, das ist wirklich keine gute Idee, dann lass uns noch mal mit dem Fahrrad um den See fahren. Ich fürchte, es wird eh das letzte Mal sein. Und dann vergiss bitte nicht, dir mein Fahrrad abzuholen. Es ist so gut wie neu, Papa hat es mir gekauft, als wir hier ankamen.«
»Und es ist supercool«, bestätigte Pamela. »Maren, ich habe schon ein richtig schlechtes Gewissen. Du hast mir so viel geschenkt. Eigentlich dürfte ich jetzt nichts mehr annehmen.«
»Pamela, das Fahrrad bleibt so oder so hier. Soll ich es auf die Straße stellen, damit irgendein Fremder es sich mitnimmt?«
Natürlich wollte Pamela das auch nicht, sie umarmte Maren, bedankte sich, dann verließen die beiden Mädchen das Haus.
Ehe sie sich auf die Fahrräder schwangen, Pamela durfte direkt Marens Rad ausprobieren, schnappte die sich das von Tim, das irgendwann ein Freund abholen würde, aßen sie erst einmal einen Schokoriegel. Ein wenig Stärkung konnte nicht schaden.
*
Teresa von Roth zog durch, wenn sie sich zu etwas entschlossen hatte.
Und sie gab vor Erreichen ihres Zieles nicht auf.
Leider musste sie wieder einmal feststellen, dass einem Grenzen gesetzt waren und man nicht direkt alles schaffen konnte. Zumal nicht, wenn man nicht sehr viel über das Objekt seiner Begierde wusste.
Sie hatte sich zwar mit ihrem Schwiegersohn darüber unterhalten, und Werner hatte auch versprochen, sich zu kümmern.
Doch Teresa hätte darauf wetten können, dass Werner es wieder vergessen hatte.
Es lag also allein bei ihr, wenn sie wollte, dass ihr Plan aufging. Und weil es so viele Widerstände gab, wurde sie nur noch verbissener.
Sie musste Berthold von Ahnefeld finden!
Kein Mensch ging in einer zivilisierten Welt einfach verloren!
Wenn sie wenigstens noch ein paar Verbündete hätte, die ihr bei der Suche helfen könnten. Die hatte sie leider nicht, musste es in einem Alleingang stemmen. Nur Sophia wusste von ihrem Plan. Und es hatte sie einige Überredungskünste gekostet, sie davon zu überzeugen. Teresa konnte noch immer nicht verstehen, warum Sophia so zögerlich war. Auf der einen Seite jammerte sie herum, dass ihre Angela allein durchs Leben gehen musste. Sophia wünschte ihrer einzigen Tochter ein neues, vor allem ein richtiges Lebensglück, nachdem Angelas Ehe mit diesem grässlichen Wim Halbach gegen die Wand gefahren war.
Was dachte Sophia eigentlich? Dass die Männer vom Himmel purzelten? Gut, ihr Enkel Jörg hatte eine passable Partnerin im Internet gefunden, mit der er sich hoffentlich wieder versöhnen würde. Doch das war nicht ihr Ding, und Angela würde sich ebenfalls nicht dafür hergeben.
Berthold von Ahnefeld!
Der wäre der richtige Partner für Angela, und Teresa war überzeugt davon, dass dieser einfühlsamen Frau es auch gelingen würde, Berthold wieder ins Leben zurückzuführen. So etwas konnte nicht jeder. Es war ja auch ein schweres Paket, das einer allein nicht tragen konnte. Teresa mochte es sich überhaupt nicht vorstellen, wie Berthold zumute sein musste. Auf einen Schlag die gesamte Familie zu verlieren, Frau und Kinder, mitten aus dem Leben. Und wenn man dann auch noch bedachte, dass es nicht mehr als ein dummer Zufall war, dass es ihn nicht ebenfalls erwischt hatte.
Es war grausam!
Schön, Teresa hatte im Hinterkopf, Berthold und Angela miteinander zu verkuppeln. Aber sie suchte ihn auch, um ihm zu helfen, aus dem Loch herauszukommen. Und der Sonnenwinkel, die wunderschöne Villa ihrer Kinder, wäre der richtige Ort, um die Wunden zu lecken.
Magnus hatte sich Luna geholt, um mit ihr um den See zu laufen. Ehrlich gesagt, Teresa wäre gern mitgegangen. Aber es ging nicht. Sie musste jede Sekunde für ihre Suche nutzen. Sie konnte nicht riskieren, dass Magnus hereingeplatzt kam. Und natürlich würde er sich sofort dafür interessieren, womit sie sich gerade beschäftigte. Das war nicht einmal neugierig. Sie und Magnus hatten nicht das kleinste Geheimnis voreinander. Dass sie das jetzt an ihm vorbei machte, bereitete ihr schon ein wenig ein schlechtes Gewissen. Aber sie hinterging ihn ja nicht, sie wollte etwas Gutes tun. Dagegen hatte Magnus ebenfalls nichts, doch sich in das Leben anderer Menschen einzumischen, zu versuchen, so etwas wie Schicksal zu spielen, das widerstrebte ihm. Dagegen hätte er ganz entschieden etwas.
Ihre anfängliche Euphorie war längst einer leisen Hoffnungslosigkeit gewichen, und ohne eine Erwartung zu haben, setzte sie sich an ihren Computer.
Sie klickte in allen möglichen Foren herum. Eigentlich war es eher ein Zufall, dass sie Gesellschaftsklatsch anklickte. Berthold war abgetaucht, es war also unvorstellbar, dass er auf irgendeinem Event das Tanzbein schwang.
Teresa überflog flüchtig die Spalten, wollte schon weiterklicken, als ihr der Atem stockte.
Es war kaum zu glauben, aber wahr!
Es gab tatsächlich etwas über Berthold von Ahnefeld zu lesen. Natürlich wurde erst einmal in aller Ausführlichkeit über den schrecklichen Unfall berichtet. Das sorgte für Schlagzeilen, erweckte das Interesse der Sensationslustigen, brachte mehr Klicks. Worauf es wirklich ankam, das wurde nur ganz nebenbei erwähnt. Berthold sollte für seine unermüdliche Spendenbereitschaft ausgezeichnet werden, die immer da gewesen war, die nach dem Tod seiner Familie noch zugenommen hatte. Es war ein internationaler Preis, dem er sich nicht entziehen konnte.
Sie hatte ihn gefunden.
Teresa bekam hektische rote Flecke im Gesicht, sie sprang auf. Jetzt musste sie Werner nur noch bewegen, zu der Preisverleihung zu fahren und dann Berthold am besten direkt mitzubringen.
Was für ein Zufall!
Sie hatte keine Ahnung, wieso sie das angeklickt hatte, freiwillig wäre das wirklich nicht geschehen. Es hatte so sein sollen.
Welch ein Glück, dass sie und ihre Tochter, ihr Schwiegersohn und jetzt leider nur noch Pamela so dicht beieinander wohnten. Das hatte unglaubliche Vorteile, und es war einfach ein Segen, für sich zu sein und doch dicht beieinander. Dafür waren Magnus und sie unendlich dankbar, weil das ja überhaupt keine Selbstverständlichkeit war. Wenn sie sich in Hohenborn war, ging sie auch immer in die Kirche, um eine Kerze anzuzünden. Das ließ sie sich nicht nehmen, und wenn das jetzt mit Berthold wirklich klappen sollte, was ihr Herzenswusch war aus mehreren Gründen, dann käme es ihr auf eine weitere Kerze wirklich nicht an.
Teresa von Roth war entschlussfreudig, nicht unbedacht. Jetzt war sie es. Sie stolperte einfach los, in Hausschuhen und ohne wenigstens eine Strickjacke überzuziehen, weil es draußen heute ziemlich kühl war.
So kopflos, den Hausschlüssel von der Villa der Auerbachs mitzunehmen, das war sie allerdings nicht. Und so stand sie wenig später ein wenig atemlos in der geräumigen Diele, und da ihre Tochter Inge Ohren wie eine kleine Maus zu haben schien, stand die dann auch direkt vor ihr.
»Mama, was ist los? Du bist ja ganz aufgeregt.«
Teresa gab ihrer Tochter keine Antwort, sondern erkundigte sich: »Ist Werner daheim?«
So ganz verstand Inge die Frage ihrer Mutter nicht, denn Werners Auto stand vor der Tür, außerdem hatte er, als sie gemeinsam zusammen am Tisch gesessen hatten, lauthals verkündet,