Das Phantom vom Pfaffenteich. Marc Kayser

Das Phantom vom Pfaffenteich - Marc Kayser


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– trat schweigend ein, eine Bohrmaschine, eine Magnet­tafel und eine Menge Schrauben in den Händen. Lindenthal warf ihm einen erstaunten, dann missbilligenden Blick zu.

      »Grippeschutz«, murmelte der Mann und tippte mit einem Zeigefinger gegen seine Maske. »Bin gleich wieder verschwunden.« Er bohrte zwei Löcher, schraubte die Tafel an die Wand, hustete seine Bronchien frei, murmelte ein »Tschüss« und verschwand so fix wieder, wie er auch hereingekommen war.

      Eva Lindenthal betrachtete dessen Werk und nahm das White­board dann in ihren Besitz. Die Magnete schob sie an die rechte obere Ecke. Den Trockenschwamm platzierte sie auf die untere Leiste, die Marker daneben. In blauer Farbe schrieb sie unterein­ander auf, was Laura und sie bislang über den Fall der getöteten Mathilda wussten, welche offenen Fragen es gab und wo sie neu ansetzen mussten. Mitten in ihre Gedankenarbeit platzte ein Jubel­ruf Lauras. Eva Lindenthal blickte missmutig auf. Laura erschien in der Verbindungstür, ihre Kettchen am linken Arm klingelten leise. »Ich habe eine Entdeckung gemacht«, sagte sie und schwieg dann wieder.

      Die Kommissarin hob die Augenbrauen.

      »2009 wurde in Schwerin ein damals achtundzwanzig Jahre alter Gelegenheitsarbeiter wegen sexueller Nötigung und versuchter Vergewaltigung zu achtzehn Monaten Haft verurteilt. Sein Name ist Jonas Lipsky. Der Mann kam allerdings auf Bewährung wieder frei, weil sein Anwalt in Berufung ging. Damals neue Ermittlungen machten den Richtern glaubhaft, dass das Opfer zwar gegen seinen eigenen Willen sexuell genötigt wurde, aber in einem späteren Chat mit einer Freundin schrieb, dass es den Mann attraktiv fand. Außerdem attestierten die Richter dem Täter eine angeblich günstige Sozialprognose.«

      »Und was könnte der Kerl mit unserem Fall zu tun haben?«, fragte die Kommissarin neugierig.

      »Sie war Schülerin der ›ecolea‹-Schule und wohnhaft in der Parallelstraße von Mathilda. Sie war minderjährig, wuchs ohne Vater auf, eher Einzelgängerin. All das trifft auch auf Mathilda zu.«

      »Und auf Lea«, ergänzte Eva Lindenthal. »Vielleicht doch ein und derselbe Mensch? Vielleicht unser Täter? Hast du dessen aktuelle Anschrift?«

      »Ich bin mit den Meldebehörden in Kontakt. Die Staatsanwaltschaft will mir ihre Akten schnellstmöglich übersenden.«

      »Gute Arbeit, Laura«, sagte die Kommissarin anerkennend. »Hast du schon einen Termin mit der Schule gemacht?«

      »An einem Freitag passt es denen am besten«, antwortete Laura.

      »Hmm, gut, heute ist Dienstag. Freitag ist Feiertag. Ich nehme inzwischen mal Kontakt mit der Redaktion von ›XY … ungelöst‹ auf. Der Fall Mathilda muss viel mehr in die Öffentlichkeit, als er es bislang war. Vielleicht bekommt der Täter davon Wind, dass wir an ihm dran sind, und macht Fehler, die uns nützen.«

      »Oder er taucht ab … Wenn du Hilfe bei der Aufarbeitung der Fakten für die Redakteure brauchst, dann …«

      »Schon gut, Laura, ich bekomme das allein hin. Mörder haben im Übrigen immer die Chance, abzuhauen. Tun sie aber meist nicht, sondern bleiben, wo sie sind, und wirbeln keinen weiteren Staub auf. Ich habe mich oft gefragt, warum das so ist … ähm … kümmere dich um unseren Mann aus den Akten und die Schulbefragung. Denk daran, dass in ein paar Tagen die Osterferien beginnen. Bis dahin sollten wir mit der Schule durch sein.«

      »Und mit ›XY‹, die senden doch nur drei- oder viermal im Jahr, oder?«

      »Da hast du recht. Ich bespreche das mal mit Timmermann. Und nun frisch ans Werk!«

      Laura streckte ihren linken Daumen in die Höhe und verschwand in ihrem Büro.

      Die Kommissarin griff zu ihrem Telefonhörer. Die Regenbogenhäute ihrer Augen sahen verdunkelt aus.

      11 Nächster Tag, um die Mittagszeit

      Über die Jahre rutschen Gerichtsakten nach und nach immer tiefer in die Archive der Staatsanwaltschaft oder eines Landgerichts. Auch wenn den Akten über Sexualstraftaten eine gesonderte Priori­tät zukommt, so liegen sie doch nicht griffbereit in einer Schublade des beteiligten Staatsanwalts oder gar des verantwortlichen Richters. Und so verging ein Tag, bis die Ermittlungsakten im Falle der Verurteilung eines Schweriner Sexualstraftäters im Jahr 2009 auf Lauras Schreibtisch landeten. Ein eher schmaler Ordner, in dem Polizeirecherchen, Zeugenaussagen, Einlassungen des Täters und die seines Rechtsanwalts sowie die Bewertung durch die Justiz zusammengetragen waren.

      Die Sachlage war damals eindeutig gewesen, der Täter geständig, das Opfer minderjährig.

      »Hast du es schon gelesen?«, fragte Eva Lindenthal ihre Assistentin.

      »Nur die Klageschrift der Staatsanwaltschaft. Das Gericht war ihr weitestgehend gefolgt.«

      »Gibt es denn Hinweise darauf, dass es sich um ein und denselben Täter handeln könnte, der auch Mathilda auf dem Gewissen hat?«

      Laura zögerte für einen Moment. »Vielleicht solltest du dir selbst ein Bild machen. Ich habe nicht den Eindruck, als sei es tatsächlich die gleiche oder ähnliche Handschrift. Unser gesuchter Täter ging bei Mathilda sehr viel brutaler vor als dieser Kerl hier. Zwar war das Opfer ebenfalls vierzehn, aber kennengelernt hatten sie sich in einem Chat. Darin machte ihm das Mädchen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft und des Gerichts sexuelle Avancen, die sich später strafmildernd auf das Urteil auswirkten.«

      »Aber erst, nachdem der Täteranwalt in Berufung gegangen war, richtig?«

      »Ja, so steht’s in den Akten.«

      Die Kommissarin stützte ihren Kopf in beide Hände und sah auf den kleinen Bilderrahmen vor sich. Sie hatte ihn sich heute Morgen auf den Schreibtisch gestellt. Auf dem Foto waren zwei Kinder zu sehen, die sich an den Händen hielten, im Hintergrund eine Weide mit Kühen, darüber der Himmel mit ein paar weißen Wolken. In der rechten unteren Ecke des Fotos waren die Buchstaben E und T in Blau und zwischen ihnen ein rotes Herzchen hineingemalt.

      »Wir sollten ihn besuchen«, sagte Eva Lindenthal, »und von ihm selbst hören, was er in den letzten Jahren getrieben hat. Wurde er nochmals auffällig …?«

      Mitten hinein in ihren Satz schellte Lauras Handy. Die Kommissarin runzelte die Stirn.

      »Derwall?« Laura lauschte eine Weile. »Wirklich? Das ändert einiges«, sagte sie dann. Sie lauschte erneut. »Aber kein kinderpornographisches Material?«, fragte sie nach. Sie schwieg wieder. »Ja, gut, ich gebe es gleich weiter. Danke, Frau Staatsanwältin.«

      Das Gesicht der Kommissarin stand auf Spannung.

      »Unser Mann aus den Akten wurde zwischen 2009 und heute insgesamt viermal wegen sexueller Übergriffe angezeigt, aber nie verurteilt. Zweimal wegen der Entblößung seines Geschlechtsteils vor Minderjährigen in der Öffentlichkeit. Einmal wegen mehrfachen unsittlichen Berührens einer Zwölfjährigen im Schwimmbad unter Wasser und nochmals wegen des Versuchs der sexuellen Nötigung auf einem Campingplatz in der Nähe von Wismar.«

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