Butler Parker Jubiläumsbox 4 – Kriminalroman. Günter Dönges
wer dieser sagenhafte Boß ist und was er mit seinen Leuten angestellt hat.«
»Ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß nur meine Handlungsweise allein Sie und meine Wenigkeit in diese peinliche Lage gebracht hat.«
»Haben Sie gesehen, wie die junge Dame behandelt wurde?«
»Sie schien die Männer mit den Maschinenpistolen gekannt zu haben, wenngleich ich mich nicht festlegen möchte. Sie zeigte auf jeden Fall keine Angst.«
»Klarer Fall, daß wir einem Lockvogel auf den Leim gegangen sind, Parker. Sie ist vom Boß losgeschickt worden, sie sollte uns in die Falle unten am See lotsen. Was ihr ja auch prächtig geglückt ist. Und nun sitzen wir auf irgendeinem Boot und haben keine Ahnung, wohin man uns bringt.«
Mike Rander hatte richtig beobachtet.
Er und sein Butler befanden sich auf einem Schiff. Und wahrscheinlich an der sichersten und dunkelsten Stelle, die zu finden gewesen war. Man hatte sie in eine enge, muffig riechende Kammer eingesperrt, deren Wände und Tür aus kaltem, feuchtem Eisenblech bestanden. Ein Freikommen ohne fremde Hilfe war so gut wie ausgeschlossen. In dieser Hinsicht brauchten sie sich keine Hoffnungen zu machen.
»Die Motorjacht, auf der Sie und meine Wenigkeit uns befinden, läßt Rückschlüsse auf den Eigner zu«, meinte Parker nach einer kleinen Weile. »Sie sagt vor allen Dingen Details über die Finanzkraft dieses Mannes aus.«
»Falls wir es mit dem Mann zu tun haben, dessen Leute die Banken ausgeraubt haben, hat er bestimmt genug Kleingeld«, gab Rander spöttisch zurück. »Womit wir bei John Digetti wären. Was halten Sie von ihm? Ist er der Boß?«
»Beweise dafür, Sir, sind nicht anzutreten, wenngleich einige Indizien für Ihre Unterstellung sprechen.«
Parker wollte sich über dieses Thema gerade verbreitern, als draußen vor der Tür schwache, scharrende Geräusche zu hören waren. Rander und Parker sahen sich wie auf ein geheimes Kommando hin an. Sekunden später wurde die Tür geräuschlos aufgezogen.
Zwei stämmige Männer, die durchaus freundlich wirkten, blieben in der geöffneten Tür stehen.
»Der Boß will Sie sprechen«, sagte einer der beiden zu Mike Rander. »Kommen Sie!«
»Und was geschieht mit mir?« erkundigte sich Parker.
»Sie sind anschließend an der Reihe«, erwiderte der Mann. »Aber Sie werden sich noch etwas gedulden müssen.«
Die beiden Männer schienen unbewaffnet zu sein, wie Parker feststellte. Im Grunde brauchten sie es auch gar nicht zu sein. Sie befanden sich schließlich auf einem Schiff und weitab von irgendeinem Ufer. Wer wollte hier schon wohin flüchten?
»Würden Sie Ihrem Arbeitgeber bitte diesen wichtigen Gegenstand überreichen?« fragte Parker und hob seinen Universal-Regenschirm. Die beiden Männer wurden leicht irritiert. Mit einem Regenschirm wußten sie nichts anzufangen.
Im Gegensatz übrigens zu Josuah Parker.
Er nutzte die kleine Verwirrung der beiden Männer aus und schlug mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms zu. Er besorgte das kurz und knapp. Und brachte die beiden Männer augenblicklich zu Boden, was er im Grunde zwar ungemein bedauerte, was sich in Anbetracht der Umstände aber nicht anders machen ließ.
Mike Rander handelte augenblicklich.
Er beugte sich nieder, durchsuchte die beiden ohnmächtigen Männer nach Waffen, um sich dann enttäuscht aufzurichten.
»Nichts!« rief er Parker zu.
»Ich schlage vor, Sir, diese Kammer nun zu verlassen«, sagte Parker. »Man könnte die Männer einschließen.«
Rander und Parker beeilten sich, um den Rückweg zu decken. Nachdem sie die beiden Männer eingesperrt hatten, eilten sie durch den langen, schmalen Kabinengang, in dem die Arbeit eines starken Dieselmotors deutlich zu hören war. Der Maschinenraum mußte sich ganz in der Nähe befinden.
Sie erreichten eine Treppe, die hinauf in ein Zwischendeck führte. Sollten Sie sie benutzen? Liefen sie ihren Gegnern in die Arme? Was wartete überhaupt auf sie?
Parker riß die Initiative an sich.
Er stieg schnell nach oben, doch selbst jetzt wirkten seine Bewegungen würdevoll und gemessen. Er ließ sich eben niemals aus der Ruhe bringen. Er blieb stets und immer der bestens erzogene Butler englischer Provenienz.
Die Treppe führte zu einem zweiten langen Gang, dessen Boden aber bereits mit einem roten Teppich bedeckt war. Am Ende dieses Korridors war eine Tür geöffnet, aus der strahlend helles Licht nach draußen fiel. Leise Musik war zu hören. Der Duft guten und starken Kaffees drang in Parkers Nase, die angenehm reagierte.
Parker schritt auf die erleuchtete Kabine zu. Eine andere Möglichkeit bot sich ohnehin nicht. Im Vorgehen prüfte er die Klinken der übrigen Türen, an denen sie vorbeikamen. Sie waren alle verschlossen und ließen kein Abirren zu.
Dann war der große Kabinenraum erreicht. Er war luxuriös eingerichtet. Schwere und tiefe Sessel standen auf weichen Teppichen. Die Wände waren sehr reichlich mit Gobelins aller Art und Stilrichtungen behängt.
»Hier läßt es sich durchaus leben, Sir«, sagte Parker, sich an seinen jungen Herrn wendend. »Ich vermisse allerdings den Kaffee, den ich doch deutlich gerochen habe!«
Parker ging an den Sesseln vorbei, hielt auf eine Tür zu und wollte sie aufdrücken. Sie war versperrt. Und im gleichen Moment fiel die Tür, durch die sie hereingekommen waren, laut und deutlich ins Schloß. Rander und Parker saßen erneut in einer Mausefalle, die allerdings den Vorzug hatte, daß sie behaglich eingerichtet war.
»Nehmen Sie doch Platz und entspannen Sie sich!«
Die Stimme, die irgendwo aus einem versteckten Lautsprecher kam, klang höflich und verbindlich. »Ich habe Sie erwartet, Mr. Rander, Mr. Parker. Sie werden sich gewiß nicht die Gelegenheit entgehen lassen, sich einen kleinen Film anzusehen, nicht wahr?«
»Mit wem hat Mr. Rander die zweifelhafte Ehre?« erkundigte sich der Butler respektlos.
»Das wissen Sie immer noch nicht? Ich bin der Mann, hinter dem Sie her sind? Ich bin der Mann, der vom FBI und von der CIA gesucht wird, um von den örtlichen Polizeibehörden einmal ganz zu schweigen. Aber setzen Sie sich endlich! Ich möchte mit der Vorführung beginnen!«
Rander und Parker sahen sich einen Moment lang schweigend an. Dann nahmen sie Platz und starrten auf die Leinwand, die aus einem Sideboard hochfuhr und die Hälfte einer Wand einnahm. Sekunden später flackerten bereits die ersten Bilder über diese Leinwand …
*
Die Bilder waren ausgezeichnet. Sie zeigten Straßenszenen mit Durchschnittsmenschen, den üblichen Verkehr auf den Fahrbahnen und dann Bankgebäude. Und sie zeigten anschließend heitere Männer, die mit geraubten Bankgeldern diese Bankgebäude verließen, sich ohne weiteres auf selbstmörderische Schießereien einließen und es immer schafften, ihre Beute in unauffällig aussehende Wagen zu bringen, kurz, der kleine Film blätterte die Vergangenheit auf und befaßte sich ausschließlich mit Banküberfällen.
»Wie gefällt Ihnen die Arbeit meiner Organisation?« fragte die Stimme plötzlich, als das letzte Bild ausgeblendet wurde.
»Primitiv, würde ich sagen«, gab Parker sofort zurück. »Die Verluste Ihrer Leute sind beträchtlich. Sie wuchern nicht schlecht mit Ihren Pfunden, wenn ich mich so ausdrücken darf.«
»Warum sollte ich …?«
»Darf ich daraus schließen, daß Ihre Organisation keine Nachwuchssorgen kennt?«
»Richtig, Mr. Parker. Sie treffen den Nagel auf den Kopf.« Die Stimme ging in ein leicht hysterisches Lachen über. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder beruhigt hatte. »Sie haben wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Nachwuchssorgen kenne ich nicht. Sehen Sie, wie ich meine Mitarbeiter rekrutiere!«
Auf