Butler Parker Jubiläumsbox 4 – Kriminalroman. Günter Dönges
der Scheune im Gelände in Deckung gegangen. Sie konnten nur hoffen, daß man sie dabei nicht beobachtet hatte.
Der Hubschrauber blieb über den Resten des rauchenden Farmhauses stehen. Die Insassen des riesigen Insekts forschten jetzt nach Spuren ihrer Verfolger. Und sie hatten ganz sicher noch weitere Bomben bereit, um etwaige Spuren von Leben zu vernichten.
Rander und Parker ließen den Hubschrauber nicht aus den Augen. Es handelte sich um ein gängiges, großes Modell, das auch an Zivilpersonen verkauft wurde. Es war ordentlich registriert worden, wie die Zulassungs- und Kennzeichnungsnummern verrieten.
»Sie gehen runter und suchen nach uns«, sagte Rander leise zu seinem Butler. »Die sind aber verflixt genau!«
»Dieses Vorgehen sieht schon nicht mehr nach Rache aus«, erwiderte Parker, der ebenfalls überrascht war. »Es müssen zwingende Gründe vorliegen, warum man Sie und meine bescheidene Wenigkeit umbringen will!«
»Denken Sie mal an die Registriernummer des Hubschraubers«, sagte Rander. »Damit läßt sich schon einiges machen! Der Besitzer des Hubschraubers weiß, daß er früher oder später dran sein wird!«
Die weitere Unterhaltung zwischen Rander und seinem Butler wurde gestört.
Nachdem der Hubschrauber sich breit und behäbig niedergesetzt hatte, stiegen die drei Männer aus dem grauen Ford zurück auf den festen Boden und kämmten die Trümmer des zerbombten Farmhauses durch. Sie gingen dabei sehr gründlich vor. Und sie mußten früher oder später an die Trümmer der großen Feldscheune geraten.
»Im Hubschrauber sitzt nur noch der Pilot«, sagte Parker. »Ob man es mit einem Handstreich versuchen sollte?«
»Sie wollen das Ding kapern, Parker?«
»Man könnte sich dadurch vielleicht einen längeren Fußmarsch ersparen, Sir.«
»Keine schlechte Idee, Parker, aber sie kommt zu spät!«
Der Hubschrauber hob wieder ab und stieg wie ein Fahrstuhl etwa zehn bis fünfzehn Meter hoch. Dann blieb er stehen und überwachte das umliegende Gelände.
Rander und Parker konnten die Trümmer der Feldscheune nicht mehr verlassen, sie wären sonst unweigerlich ausgemacht worden. Die Taktik des Piloten war gut und richtig. Sah er die sich absetzenden beiden Verfolger, brauchte er sie nur anzufliegen und zu Boden zu zwingen. Ein einfaches und wirkungsvolles Verfahren.
Die drei Männer aus dem grauen Ford näherten sich inzwischen der Feldscheune. Sie hatten die rauchenden Trümmer des Farmhauses durchsucht und verständlicherweise nichts gefunden. Nun wollten sie wohl den Rest der Farm absuchen.
»Jetzt wird’s brenzlig«, sagte Rander. »An einer Schießerei werden wir nicht vorbeikommen … Mann, was machen Sie denn da, Parker? Haben Sie keine anderen Sorgen?«
Parker und Rander standen hinter einer niedrigen Bretterwand, die noch nicht eingestürzt war. Parker zog vorsichtig und prüfend eines dieser oben freien und unbefestigten Bretter zu sich heran. Da das Holz feucht war, ließ es sich willig biegen. Es spannte sich von Zentimeter zu Zentimeter. Dadurch verwandelte es sich in eine Art Katapult, in eine Alt Grobschleuder für dicke Steine oder sonstige Gegenstände, Parker mußte äußerst vorsichtig agieren, um von dem Hubschrauberpiloten nicht gesehen zu werden.
Die drei Männer aus dem Ford, die sehr gründlich arbeiteten, hatten das äußere Ende der großen Scheune erreicht und durchsuchten hier die ersten Trümmer.
»Darf ich Sie höflichst um einen mittelschweren Stein bitten?« fragte Parker seinen jungen Herrn.
»Wollen Sie den Hubschrauber mit einem Stein abschießen?« erkundigte sich Rander kopfschüttelnd. Dennoch beugte er sich zu Boden und suchte nach einem passenden Stein. Er fand einen in der Größe eines Kinderkopfes.
»Der Hubschrauber steht außerordentlich günstig«, sagte Parker leise.
Rander war zwar nicht so optimistisch, doch er wuchtete den Stein auf das äußere Ende des gespannten Brettes. Parker umfaßte ihn mit seinen Händen und … ließ das lange, federnde Brett zurückschnellen.
Das Katapult funktionierte außerordentlich gut!
Der Stein wurde durch die Federkraft des Brettes in die Luft geschleudert und zischte dicht an der Plexiglaskuppel des Hubschraubers vorbei. Er traf gegen die Mittelachse der Rotoren und richtete dort im Mechanismus einige Verwirrung an, die sich nicht mehr gutmachen ließ. Mit anderen Worten, die Rotoren gerieten ins Flattern, knatterten und stöhnten und falteten sich flügellahm zusammen. Der unter den Rotoren hängende Hubschrauber trudelte, kippte zur Seite und flatterte müde wie ein welkes Blatt zu Boden.
Er war eben nur schwerer als ein welkes Blatt. Daher war es auch zu verstehen, daß der Bruch vollendet wär. Der Hubschrauber verwandelte sich innerhalb weniger Sekunden in ein Knäuel aus Blech, Stahl, Rotorblättern, die absplitterten, und zerbrochenem Glas. Eine Stichflamme aus dem Tank besorgte den Rest, kurz, der Hubschrauber spielte plötzlich keine Rolle mehr.
Dafür aber die drei Männer aus dem grauen Ford.
Sie mußten erraten haben, von wo aus der nützliche Stein in die Luft geschleudert worden war.
Stumm, aber ungewöhnlich schnell, wild und entschlossen, kamen die drei Männer heran. Sie waren bestens bewaffnet. Jeder von ihnen besaß eine Maschinenpistole und jeder von ihnen wußte damit auch umzugehen.
Rander und Parker ließen sich jedoch nicht ins Bockshorn jagen. Sie besaßen schließlich handliche 45er, die auch nicht gerade als Spielzeuge zu bezeichnen waren.
Mike Rander setzte einen der drei Männer außer Gefecht. Das heißt, er schoß diesem Mann die Waffe aus der Hand.
Josuah Parker besorgte den Rest.
Es dauerte nur wenige Sekunden und kostete nur drei gezielte Schüsse, um die drei Männer zu entwaffnen.
Normalerweise – sie waren schließlich zusätzlich noch verwundet worden – hätten sie nun aufstecken müssen. Normalerweise hätten sie eingesehen, daß hier für sie nichts anderes mehr zu holen war als eine weitere zusätzliche Verwundung. Doch daran dachten sie überhaupt nicht.
Stur wie Panzer, wie es im Jargon so treffend heißt, arbeiteten sie sich weiter an Mike Rander und Josuah Parker heran. Die Gesichter der drei immerhin verwundeten Gangster zeigten weder Haß noch Rachsucht. Die Gesichter drückten irgendeine unverständliche, stille, innere Freude aus. Und vielleicht wirkten die drei Männer deshalb so gefährlich und so tödlich, obwohl sie doch entwaffnet worden waren.
Rander und Parker mußten sich mit den Fäusten wehren. Schießen wollten sie nicht. Es ging ihnen darum, Gesprächspartner zu gewinnen, die vielleicht mit Informationen dienen konnten.
Die restliche Auseinandersetzung ging schnell und routiniert über die Bühne. Sowohl Parker als auch sein junger Herr kannten sich in der relativ edlen Kunst der Selbstverteidigung bestens aus. Hinzu kam Parkers Universal-Regenschirm, der das letzte Wort sprach. Kurz, nach wenigen Minuten lagen drei angeschlagene Männer regungslos auf dem Boden und wußten nicht, was mit ihnen geschah!
*
Parker stand vor den rauchenden Trümmern des Hubschraubers. Er sah gleich, daß hier nichts mehr zu machen war. Der Pilot hatte sich nicht mehr retten können. Er mußte noch unter den Resten dieses riesigen Insekts aus Stahl begraben liegen.
Parker wollte sich aus Gründen der Sicherheit schon abwenden, da er mit dem Detonieren von Munition oder von einigen kleinen Bomben rechnete, als er plötzlich ein unterdrücktes Stöhnen hinter dem Wrack hörte. Die genaue Sicht wurde ihm durch eine dichte Wand aus Feuer, Rauch und dunklem Qualm versperrt. Doch das Stöhnen konnte kein Irrtum gewesen sein.
Parker lief um das Wrack herum und traute seinen Augen nicht. Im rauchenden Gras, nicht weit von einer brennenden Benzinlache entfernt, lag ein Mensch.
Es mußte der Pilot des Hubschraubers sein.
Der Mann trug einen Overall, der jetzt zerrissen und völlig verschmiert war. Der Mann lag auf dem Bauch