Quantumdrift. Tilo Linthe

Quantumdrift - Tilo Linthe


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des Satzes in sein Bewusstsein ein und er musste sich hinsetzen.

      "Tot?", fragte er kraftlos. Er hatte es geahnt, als er seinen goldschimmernden Körper betrachtet hatte. "Also ist das hier das Paradies?"

      "Das Paradies? Nichts könnte weiter entfernt von der Realität sein."

      Sam konnte nur immer wieder den Kopf schütteln und murmelte: "Das passiert nicht wirklich. Das ist alles nur ein Traum."

      "Stellen Sie sich nicht so an", sagte der Samurai unerbittlich. "Bei unserem Beruf muss man nun mal täglich damit rechnen, nicht mehr aufzuwachen."

      "So gefährlich war mein Job auch wieder nicht …"

      "Nicht? Was haben Sie denn in ihrem früheren Leben gemacht?"

      Sam entging die Ironie nicht, die in diesem Wortspiel steckte.

      "Ich habe in einer Verwaltung gearbeitet."

      Der Anzugträger schnaubte verächtlich.

      "Aha, ein Bürohengst aus der Militärverwaltung. Der hat uns hier oben gerade noch gefehlt."

      "Wieso Militärverwaltung? Ich bin bei der Stadt angestellt. War … sollte ich wohl besser sagen", korrigierte Sam unwillig.

      Jetzt wirkte der Anzugträger zum ersten Mal unsicher. Er schwieg kurz, dann sagte er: "Sie waren nicht beim Militär?"

      "Das klingt bei Ihnen, als wäre es ein Makel."

      "Ach, mir egal. Soll sich doch der Captain darüber den Kopf zerbrechen."

      "Was soll das denn heißen?"

      Eine erneute Erschütterung ging durch den Boden, heftiger diesmal als bei den ersten beiden Malen.

      "Pssst!" Ein gepanzerter Zeigefinger legte sich vor den Helm, wo Sam die Lippen vermutete. Der Samurai schien angestrengt zu lauschen. Alles blieb still.

      "Hier ist es nicht sicher. Wir müssen weg."

      "Weg? Wohin?" Sam verstand überhaupt nichts. Lag er vielleicht doch in einem Krankenbett und fantasierte das alles im Fieberdelirium?

      "Zuerst runter von der Station." Der Samurai deutete in eine Richtung eines der Ausgänge und lief los.

      Sam hatte Mühe, mit dem Samurai Schritt zu halten, folgte ihm durch goldschimmernde Räume, Hallen und Korridore. Hinter ihnen erklang ein dumpfes Grollen, wie ein weit entferntes Gewitter. Sam hielt inne.

      "Was war das?"

      "Scheiße!" Der Samurai beschleunigte seine Schritte noch, und Sam rannte ihm hinterher, wobei er sich wunderte, wie schnell er plötzlich laufen konnte, ohne außer Atem zu geraten.

      Wieder dumpfes Grollen, diesmal lauter. Eine Erschütterung durchlief den Boden. Warme Luft strich über sie hinweg und es roch nach Rauch.

      "Was ist hier los?", keuchte Sam.

      Endlich rang sich der Samurai eine Erklärung ab.

      "Die Vinculan. Sie haben uns gefunden."

      Im gleichen Moment wurde Sam heftig zur Seite gestoßen, kam hart auf und rutschte einige Meter über den glatten Boden. Kurz wunderte er sich, dass er keine Schmerzen hatte. Als er wieder aufblickte, sah er etwas aus dem Gang auftauchen, durch den sie gerade in eine weitere dieser merkwürdigen goldenen Hallen gelaufen waren. Es sah aus wie ein verwaschener schwarzer Fleck, der in der Luft schwebte und das Licht der Umgebung aufzusaugen schien. Die Konturen blieben unscharf und veränderten sich ständig, als plötzlich ein blassgrüner, etwa fingerdicker Strahl aus dem Ding fauchte und den Samurai traf - oder besser gesagt das rot leuchtende Feld, das sich gerade um ihn herum aufgebaut hatte. Der grüne Strahl fraß sich mit beängstigender Geschwindigkeit hindurch und verschlang die rote Substanz wie ein hungriges Tier. Der Samurai konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen, sodass der Strahl hinter ihm mit zerfasernden Funken in die Wand einschlug. Es klang, als würde sich etwas elektrisch entladen und der Geruch von Ozon stieg in Sams Nase. An der Wand blieb eine Brandspur zurück.

      Der Samurai legte seine unförmige Waffe an und schoss. Blendend weiße Feuerbälle jaulten daraus hervor und brachten das Rohrende zum Glühen. Sie jagten dem Schatten entgegen, platzten an den Wänden und auf dem Boden und erzeugten eine Feuerwand, die sich aus weiteren weißen Bällen nährte. Die Luft flimmerte vor Hitze, stechender Brandgeruch stieg Sam in die Nase. Er musste husten, während dem Schatten schon eine weitere Salve entgegenjaulte. Sam sah mit Grauen, dass einer der Feuerbälle einfach durch das Wesen hindurchflog, ohne Schaden anzurichten, aber zumindest wich es vor dem Inferno aus Hitze und Feuer zurück. Sam sah dem Schlagabtausch mit der Faszination eines Kindes zu, das zum ersten Mal von Mitschülern verprügelt wird und nicht glauben kann, dass das tatsächlich ihm passiert.

      "Schnell, wir müssen hier weg!", rief der Samurai und deutete in eine andere Richtung.

      Seine eindringliche Stimme holte Sam ins Hier und Jetzt zurück und brachte seine Glieder in Bewegung. Er hastete an ihm vorbei in den nächsten Gang. War an der Wand nicht gerade noch eine Brandspur? Doch Sam hatte keine Zeit, sich lange darüber Gedanken zu machen, denn ein weiterer Schatten war hinter ihnen her. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Sam rannte so schnell, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war … bis der Gang in einer Sackgasse endete. Er blieb stehen und starrte auf das höhnisch schimmernde Gold der makellosen Wand vor ihm. Jetzt ist es aus, dachte er. Panik löschte jeden anderen Gedankengang. Alles begann sich vor seinen Augen zu drehen - sollte ihm nur ein Aufschub von wenigen Minuten gewährt worden sein, nachdem er gestorben war? Gleich würde der Schatten hinter ihm auftauchen … Doch zunächst erschien der Samurai.

      "Mach schon! Oder willst du hier sterben?!" Dann rannte er auf einige paarweise angeordnete Lichter zu, die vom Boden aus weiße Kreise an die Decke warfen. Sam setzte sich ebenfalls wieder in Bewegung, und plötzlich war der Krieger verschwunden. Panik stieg in Sam hoch. Er blickte sich um. Wo war der Kerl hin? Hinter sich hörte er ein Fauchen. Der blassgrüne Strahl schoss haarscharf an ihm vorbei und zerstob knisternd, in kleine Blitze zerfasernd an der Wand neben ihm. Sams Haare richteten sich auf, als wären sie statisch aufgeladen. Sam sprang nach vorn, rutschte auf die Leuchtelemente zu und fiel in eines hinein - es entpuppte sich als erleuchteter Schacht. Unsanft landete er in einem cockpitartigen Raum.

      Der Krieger hatte sich bereits in einen der beiden Sitze gequetscht und hantierte an Schaltern und Hebeln. Mit einem Seitenblick auf Sam feuerte er ihm stakkatoartig Anweisungen entgegen.

      "Hinsetzen! Anschnallen! Nichts anfassen! Mund halten!"

      Nachdem auch Sam sich endlich in einem Sitz angeschnallt hatte, wurde er mit solcher Wucht in den Sitz gepresst, dass es ihm die Luft aus der Lunge trieb. Gleich darauf ließ der Druck auf seiner Brust nach und er hatte das Gefühl zu fallen. Ihm sackte der Magen ab und in einer instinktiven Reaktion krallte er sich an den Armlehnen fest.

      "Was passiert hier?", fragte Sam mit zitternder Stimme. Er konnte den Ereignissen nicht mehr folgen - die Geschehnisse brachen zu schnell über ihn herein. Er blickte gehetzt um sich.

      Der Samurai drehte den Kopf, schien Sam neugierig zu mustern wie ein Insekt."Du hast wirklich keine Ahnung, was?" Der Samurai schien Sam neugierig zu mustern und hantierte kurz an seinem Helm. Mit einem Zischen löste sich das Ausrüstungsteil vom Kragen und schwebte schwerelos durch die Kabine davon. Ein Frauengesicht von herber Schönheit kam zum Vorschein, mit ausgeprägtem Kinn und hohen Wangenknochen. Die Augen funkelten wie zwei Sterne kurz vor einer Supernova, während sie zwischen schmalen Lippen ein "Warte kurz!" herausquetschte.

      Mit innerer Distanz betrachtete Sam seinen goldgelb schimmernden Körper. Er strich über seine Arme, die Brust und den Bauch, spürte der Berührung nach, um sich zu vergewissern, dass er wirklich in diesem Körper steckte. Dann blickte er wieder in das goldgelbe Gesicht neben ihm. Er fragte sich, ob es ein weibliches Wort für Samurai gab. Ihr Gesicht wirkte jedenfalls so unnahbar und abweisend wie das Klischeebild dieser legendären Krieger es besagte. Sie schlug mit einer wütenden Bewegung auf einen Knopf, als hätte er sie gerade beleidigt. Ein Bildschirm erwachte vor ihnen an der Cockpitwand zum Leben und zeigte den Sternenhimmel.

      "Was


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