Die Chroniken der Wandler. Laura Schmolke

Die Chroniken der Wandler - Laura Schmolke


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Gruppenmitglieder meldeten sich und Josh schickte sie zu einem großen Mädchen mit kurzen, blonden Haaren, bei dem es sich um Magdalena handeln musste. „Wir können auch noch ein paar von den Jüngeren nehmen“, verkündete er.

      Felicitas wechselte einen hilflosen Blick mit July. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte und in diesem furchtbaren Gewand war ihr total warm.

      „Ihr beide“, entschied Josh schließlich und deutete auf Felicitas und Simon, „ihr kommt noch zu uns.“

      Felicitas und die anderen ließen sich von Magdalena und Josh zum Rand der Senke führen. Dort wiesen diese ihnen Positionen zu. Felicitas wurde zwischen zwei ältere Schüler gestellt, die den Auftrag erhielten, ihr wenn nötig zu Hilfe zu eilen. Dann wurde sie auf ihrem Platz allein gelassen, und als Josh und die anderen weiter am Rand der Senke entlanggingen, hörte sie plötzlich das Zwitschern der Vögel und das Rascheln kleiner Tiere im Unterholz. Die Sonne stand knapp über dem Horizont, tauchte den Waldboden aber noch immer in ein goldenes Licht.

      „Wie lange ich wohl schon nicht mehr bei Tageslicht draußen war?“, wunderte Felicitas sich.

      Für einen kurzen Augenblick genoss sie einfach nur das helle Sonnenlicht und die Geräusche des Waldes um sich herum, doch dann wurde ihr wieder bewusst, warum sie hier war und eine Welle aus Angst und Aufregung erfasste sie. Gerne hätte sie die beiden älteren Schüler neben sich noch etwas über dieses Tokahe-Spiel ausgefragt, doch sie hatte keine Gelegenheit dazu, da plötzlich Enapays Stimme unnatürlich laut durch den Wald schallte.

      „Das Spiel beginnt!“

      Augenblicklich verteilten sich Anne und ihr Teil der Gruppe im Wald. Felicitas sah sich um und entdeckte Christiane, die einige Meter entfernt stehen geblieben war und nicht zu wissen schien, was sie machen sollte. Dann drehte sie sich um und rannte tiefer in den Wald hinein.

      Es folgte eine unnatürliche Stille.

      Unruhig wanderte Felicitas' Blick durch den Wald. Die Bäume standen eng beieinander und die Dämmerung hatte sich bereits knapp über dem Waldboden eingenistet. Sie glaubte, einen schwarzen Umhang zu sehen und zuckte zusammen, erkannte dann jedoch Mingan, der in einigen Metern Abstand zwischen den Bäumen stand.

      „Er überwacht uns“, schoss es Felicitas durch den Kopf, „damit niemandem etwas passiert.“

      Dennoch zitterte sie vor Anspannung. War dieses Spiel wirklich so gefährlich? Was würde sie tun, wenn die andere Gruppe ihre Fahne fand? Sie zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen. Es war nur ein Spiel.

      „Hier drüben!“, rief jemand, ganz in der Nähe.

      Mit zusammengekniffenen Augen starrte Felicitas in den Wald. Es dauerte einige Momente, bis sie die Gestalten ausmachte, die zwischen den Bäumen auf sie zukamen. Sie trugen alle dasselbe lange Gewand wie sie und Felicitas musste sie nicht genauer sehen, um zu wissen, dass sie schwarze Federn um ihre Hälse trugen.

      „Was soll ich denn jetzt tun?“, fragte sie, bemüht, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen.

      „Die Fahne verteidigen“, antwortete ein Mädchen neben ihr, „und deine Feder.“ Felicitas bekam den Rest des Satzes gar nicht mehr mit, da sie plötzlich heftiger Schmerz durchzuckte. Sie schrie auf und krümmte sich vornüber.

      „Ruhig!“ Das Mädchen warf einen prüfenden Blick in den Wald, bevor sie ihren Posten verließ und näher an Felicitas herantrat. „Es ist nicht dein Gefühl! Konzentriere dich auf deine eigenen Gefühle!“

      Ihre Stimme klang gedämpft, als würde sie durch Watte an Felicitas' Ohr dringen.

      Konzentriere dich auf deine eigenen Gefühle ...

      Felicitas schloss die Augen und zwang sich, ruhig zu atmen. Ihre eigenen Gefühle ... Da waren Panik, Angst, Aufregung. Sie bemühte sich, sich nur auf ihre eigenen Gefühle zu konzentrieren, genauso, wie sie es bei Amitola gelernt hatten, und merkte, dass der Schmerz abebbte. Einige Sekundenbruchteile lang hielt sie die Augen noch geschlossen und traute sich nicht, sie zu öffnen, aus Angst, er würde zurückkehren.

      „Pass auf!“, schrie das Mädchen neben ihr auf einmal.

      Felicitas riss die Augen auf und sprang zur Seite, gerade noch rechtzeitig, um einem Energieball auszuweichen. Eine Person aus der gegnerischen Gruppe – aufgrund des Gewandes konnte Felicitas nicht einmal erkennen, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelte – rannte auf sie zu. Am liebsten hätte Felicitas sich umgedreht und wäre weggerannt. Es war doch nur ein Spiel, oder? Ein Spiel, bei dem sie sowieso keine Chance hatte, ein Spiel, das nur in unnötigen Verletzungen enden würde. Sie könnte weglaufen oder sich die Feder abreißen lassen, dann müsste sie nicht hier stehen und eine dämliche, grüne Fahne verteidigen, als wäre sie ein wertvoller Schatz.

      Doch ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr und anstatt wegzulaufen, stellte sie sich ihrem Gegner in den Weg. Sie wusste selbst nicht, warum sie es tat, aber das war ihr auf einmal egal.

      ***

      Mingan beobachtete die Kämpfenden. Sein Blick fiel auf Felicitas. Er erkannte sie sofort, trotz des langen Gewandes, und er konnte nicht leugnen, dass er neugierig war. Neugierig, wie sie sich schlagen würde, neugierig, wie lange sie durchhalten würde. Eigentlich wusste er, dass die Schüler im ersten Jahr kaum eine Chance hatten, aber er wusste auch, dass Felicitas ein besonderes Talent besaß. Schweigend beobachtete er, wie ein Schüler nach dem anderen die Hände hob und seine Feder durch die Luft schwenkend in Richtung der Schule lief, als Zeichen dafür, dass er ausgeschieden war. Der Ring am Rand der Senke wurde immer durchlässiger, je mehr Gruppenmitglieder ihre Feder verloren, und immer mehr Schülern aus der gegnerischen Gruppe gelang es, in die Senke vorzudringen.

      Felicitas hielt sich erstaunlich lange. Mingan konnte nicht umhin, sie zu bewundern. Dafür, dass sie erst knapp einen Monat an der Schule war, verstand sie sich schon sehr gut darauf, Energiebälle zu erzeugen, und anscheinend konnte sie sich auch gegen Angriffe auf Ebene Zwei ganz gut verteidigen.

      ***

      Felicitas warf sich auf den Boden, um einem Energieball auszuweichen. Sie hatte gesehen, wie das Mädchen neben ihr von einem getroffen worden und für einige Augenblicke unfähig gewesen war, sich zu verteidigen. Ihr Gegner hatte ihr die Feder von der Kette gerissen, bevor sie sich erholen konnte.

      Jetzt war ein leerer Platz neben ihr und schon seit einer ganzen Weile kämpfte Felicitas nicht mehr darum, alle Mitglieder der gegnerischen Gruppe daran zu hindern, in die Senke zu kommen, vielmehr versuchte sie, selbst so lange wie möglich im Spiel zu bleiben. Und es ihren anderen Gruppenmitgliedern etwas leichter zu machen, indem sie so vielen Gegnern wie möglich die Federn abriss.

      Ein weiterer Energieball schoss auf sie zu und Felicitas wälzte sich zur Seite. Sie versuchte ihrerseits einen Energieball entstehen zu lassen, doch sie war zu erschöpft, um ihre Energie zu bündeln. Hastig sah sie sich nach einer anderen Möglichkeit um, ihrem Kontrahenten etwas entgegenzusetzen, und streckte sich kurzerhand nach einem langen Ast, der nicht weit von ihr entfernt lag. Es dauerte einige Herzschläge, bis es ihr gelang, sich auf die Beine zu kämpfen. Dann stand sie kurz einfach nur da und beobachtete mit einer Mischung aus Angst und Faszination, wie sich in den Händen ihres Gegners ein mindestens genauso langer Ast materialisierte. Zuerst konnte sie nur durchsichtigen Nebel erkennen, der sich langsam zusammenballte und immer dichter wurde.

      Es war das eine, im Unterricht zu erfahren, dass Wandler die Kräfte besaßen, Materie zu bündeln und so Gegenstände zu erschaffen. Doch etwas anderes war es, diese Fähigkeit angewendet zu sehen, direkt vor ihren Augen.

      Staunend beobachtete sie, wie der Ast Gestalt annahm. Es waren nur wenige Sekunden, in denen sie abgelenkt war, doch es reichte für ein anderes Mitglied der gegnerischen Gruppe, ihr von hinten die Feder von der Kette zu reißen. Gerade als Felicitas sich auf den Weg zurück zur Schule machen wollte, hörte sie Mingans Stimme.

      „Die schwarze Gruppe gewinnt!“

      Überall um sie herum brach Jubel aus. Als Felicitas sich umdrehte, sah sie, dass


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