Strike Out für die Liebe. Paris Sanders
eben versucht hatte. Nur um zu sehen, ob dieser seltsame Spruch mit der Hand vor den Augen der Wahrheit entsprach.
Tja, was sollte ich sagen? Es konnte tatsächlich so dunkel sein, dass man außer Schwärze nichts sah.
Nach einer Weile, in der alles genauso schwarz war wie zuvor, gingen meine Gedanken auf Wanderschaft. Statt Dunkelheit sah ich einen Saal. Hell erleuchtet von Kronleuchtern, die von der Decke hingen. Kristallgläser, die im sanften Licht funkelten. Blütenweiße Damastdecken, die die runden Tische bedeckten. Ich fühlte mich nie wirklich wohl bei diesen Wohltätigkeitsveranstaltungen. In meinem schwarzen Anzug mit Fliege kam ich mir vor wie ein Idiot. Trotzdem fand ich mich alle paar Monate auf einer solchen Veranstaltung ein. Als Spieler einer renommierten Baseballmannschaft gehörte es zu meinen Aufgaben, bei solchen Events präsent zu sein. Auch wenn ich mich noch so unwohl dabei fühlte.
Wie immer war ich zuerst zur Bar gegangen. Ein, zwei Whiskeys, und der Abend wäre etwas erträglicher. Ich hatte schon was intus, als ich sie sah. Samantha Fox, die Sportreporterin, die sich in dieser Männerdomäne einen Namen gemacht hatte. Sie war tough, stets gut informiert und hatte keine Probleme damit, in einer Umkleidekabine halbnackte Männer zu interviewen. Sich als Frau in diesem Beruf durchzusetzen, war nicht einfach, aber Samantha Fox hatte es geschafft, indem sie dreimal so gut war, wie jeder männliche Sportreporter. Dass sie gut aussah, war sicherlich auch nicht hinderlich, aber anders als bei vielen Frauen in einer solchen Position, bezweifelte bei Samantha Fox niemand, wie sie ihre Karriere geschafft hatte. Mit harter Arbeit. Indem sie stets zweihundert Prozent gab.
Ich bewunderte das, spiegelte es doch meine eigene Einstellung wider. Mir hatte auch niemand etwas geschenkt. Ich hatte mir meine gesamte Karriere erarbeitet, war niemandem einen Gefallen schuldig.
Die Frau, die sich nicht weit von mir mit einem älteren Mann unterhielt, hatte ich schon lange auf dem Radar. Seit ich sie das erste Mal gesehen hatte, wollte ich sie näher kennenlernen. Schon oft hatte ich versucht, mir vorzustellen, wie sie im Bett wäre. Irgendetwas an ihr gab mir stets die Gewissheit, dass man mit der toughen Sportjournalistin garantiert jede Menge Spaß zwischen den Laken haben könnte. Sie hatte Feuer, ging ihrem Beruf mit Enthusiasmus nach, dazu noch diese Figur, die endlos, langen Beine und dunkelbraune Augen, in denen man sich verlieren konnte.
Auch an diesem Abend sah sie so gut aus, dass jede andere Frau im Saal neben ihr verblasste. Samantha trug ein eng anliegendes dunkelblaues Kleid, das sich um ihre Kurven schmiegte wie eine zweite Haut. Obwohl es keinen Ausschnitt hatte – es war hochgeschnitten mit einem kleinen Stehkragen am Hals – war es sexier als alle anderen Kleider, die ich je gesehen hatte. Jede einzelne Linie ihres Körpers wurde von dem dunklen Stoff nachgezeichnet, jede Kurve perfekt betont. Durch den langen Schlitz an der Seite blitzte hin und wieder die sanft getönte Haut ihres Oberschenkels auf. Dank der hochhackigen Schuhe war sie groß, bestimmt einen Meter achtzig. Ihre langen blonden Haare flossen in einem seidigen Wasserfall ihren Rücken hinab.
Ich schluckte. Ich musste sie kennenlernen, sie bezirzen, in mein Bett bekommen.
Ich stellte mir vor, wie es wäre, ihr den Stoff ganz langsam herunterzustreifen. Ihren Körper nach und nach zu enthüllen. Und ...
Stopp.
Ich musste damit aufhören, wenn ich mich nicht zum Idioten machen wollte, noch bevor ich sie überhaupt angesprochen hatte. Die Frau war eine Sportreporterin und hielt dadurch ziemlich viel Macht in ihren schlanken Händen. Es wäre besser, wenn ich mich von ihr fernhielte, aber ich wusste schon jetzt, dass ich das nicht schaffen würde. Dann eben Small Talk. Ich würde sie begrüßen – wir kannten uns, dank einiger Interviews –, über das Wetter reden und die kommenden Spiele. Mehr nicht. Danach würde ich mich von ihr verabschieden und verschwinden.
Genau das war der Plan, als ich auf sie zutrat.
"Hi, Samantha, du strahlst wie ein intergalaktischer Stern." Ich lächelte sie mit meinem Gewinnerlächeln an, das schon viele Frauen davon überzeugt hatte, dass ich ein toller Typ sei. Der dämliche Spruch war nicht Teil des Plans gewesen. Er war mir einfach so herausgerutscht. Wo, zur Hölle, war der Small Talk über das Wetter geblieben? Wo die harmlosen Bemerkungen? Und was, verdammt noch mal, meinte ich mit intergalaktischem Stern? Hatte ich zu viel Star Wars geschaut oder war der Blutmangel im Gehirn für diesen blöden Spruch verantwortlich?
Samantha musterte mich von oben bis unten und drehte mir dann den Rücken zu. Ohne ein Wort zu sagen. Im Nachhinein betrachtet, konnte ich es ihr nicht einmal verdenken.
"Hey, das ist ziemlich unhöflich. Du könntest wenigstens 'Hallo' sagen, wie jeder andere gut erzogene Mensch." Um mit ihr zu reden, hatte ich praktisch um sie herumgehen müssen, ich wollte mich gerade vor ihr aufbauen und ihr gehörig die Meinung sagen. Was ich mir dabei gedacht hatte, war mir mittlerweile absolut schleierhaft, doch noch bevor ich diesen brillanten Vorsatz in die Tat umsetzen konnte, stolperte ich. Vielleicht schubste mich auch jemand, ich war mir nicht mehr sicher. Was ich aber ganz bestimmt wusste, war das: Ich torkelte nach vorn, streckte meine Hand aus, um mich abzufangen, und bekam etwas Weiches, Rundes zu fassen. Dann knallte ihre Hand auch schon in mein Gesicht.
"Fass mich nie wieder an", zischte sie.
"Hey, du dumme Kuh. Das war ein Versehen!"
Statt einer Antwort drehte sie sich weg, bahnte sich einen Weg durch das Gedränge und verschwand, bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Meine Wange brannte. Die Frau hatte ihre ganze Kraft in die Ohrfeige gelegt.
"Frigide, blöde Zicke", murmelte ich, dann ging ich an die Bar und bestellte mir noch mehr Whiskey. So wie ich es gleich hätte tun sollen.
Natürlich war Samantha seitdem nicht mehr besonders gut auf mich zu sprechen gewesen. Was eine Untertreibung war, denn sie machte aus meinem unbeholfenen Versuch, mich abzufangen, eine sexuelle Belästigung, gefolgt von einer Hetzjagd, die es in sich hatte.
Top Baseballspieler leistet sich sexuelle Übergriffe, war nur eine der Schlagzeilen, mit denen sie mich in den folgenden Tagen und Wochen bloßstellte. Sobald ich ein Stadion betrat, wurde ich ausgepfiffen, meine Dementi verhallten. Offensichtlich interessierte sich niemand für die Wahrheit. Es war ein Versehen gewesen. Mehr nicht.
Okay, ich fand Sam attraktiv und hatte sie mit einem ziemlich dämlichen Spruch belästigt. Das war aber auch das Einzige, dessen man mich beschuldigen konnte. Das, und die Tatsache, dass ich die ganze Affäre von Anfang an total verbockt hatte. Nicht nur, dass meine beiden Sprüche, der mit der dämlichen Kuh und der frigiden Zicke, so ziemlich von jedem Anwesenden gehört und den Medien weitergegeben worden war.
Nein, ich war auch noch so blöd gewesen und hatte in meinen ersten Statements versucht, die Sache runterzuspielen und Samantha so hinzustellen, als hätte sie hysterisch reagiert. Das kam nicht gut an, vor allem, weil gerade die Me-too-Kampagne in aller Munde war. Plötzlich wurde mein Name in einem Atemzug mit dem von Vergewaltigern genannt. Der kurze Zwischenfall entwickelte sich rasant zu einem PR-Albtraum, aus dem es nur ein Entkommen gab. Ich musste mich mit Samantha versöhnen, egal wie.
Und deshalb buchte der PR-Fritze unseres Teams für mich diese Survival-Woche. Nach dieser Tour waren etliche Interviewtermine vorgesehen, ein Exklusivbericht, in dem ich lügen und behaupten würde, wie toll diese Erfahrung gewesen war. Und, als krönenden Abschluss, gäbe es noch einen gemeinsamen Fernsehauftritt mit Sam und mir bei Oprah.
Ich stöhnte. So wie es im Moment aussah, würde Sam bei Oprah erzählen, dass ich ein noch größerer Idiot sei, als sie zuvor angenommen hatte. Im Grunde hätte ich nicht nur die Verpackungen der Müsliriegel vergraben sollen, sondern gleich meine Karriere. Aber Aufgeben lag nicht in meiner Natur, also würde ich diese Woche nutzen, um Sam von dem Gegenteil zu überzeugen. Ab morgen würde ich die Freundlichkeit in Person sein. Unaufdringlich, zuvorkommend, hilfsbereit. Ich sagte die drei Worte ein paar Mal wie ein Mantra in Gedanken. Dann zog ich eine Grimasse. Verdammt, ich konnte förmlich spüren, wie meine Karriere wie die Titanic auf einen Eisberg zusteuerte. Anders, als der Kapitän der Titanic, sah ich, was auf mich zukam. Ändern konnte ich trotzdem nichts an dem Untergang. So zumindest, fühlte es sich an.
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