Gott suchen in der Krise. Отсутствует

Gott suchen in der Krise - Отсутствует


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– wie Krise. Wie kann man in einer Krise glauben? Hilft mir mein Glaube jetzt? Wo ist Gott in dem Ganzen? Redet er, antwortet er, hört er mich? Ist er weiter gut? Sieht er mich und uns? Wer und wie ist Gott mitten in solch einer Krise? Wie kann ich ihn suchen – und finden? Ist Gott Stütze und Kraft in einer Lebens-Krise – oder schweigt er?

      Und dabei ist klar, dass Corona ja gar nicht die Krise für Leben und Glauben ist, als die sie uns jetzt nahekommt. In Wirklichkeit ist die Krise ständig präsent. Ist Krankheit, Leid, Schmerz und Verlust immer da. Ist der Tod immer mitten im Leben da. Nur eben nicht hier – so nah bei mir und uns im reichen Westen. So präsent, dass es jeden von uns so schnell, so leise und schleichend treffen könnte.

      Ich denke an meinen Pastoren-Kollegen Werner, der schon viele Monate mit Leukämie im Krankenhaus liegt. Ich denke an die Ebola-Epidemien in Afrika. Tod und Leid sind immer präsent! Sind immer böse, brutal, schrecklich. Aber das war weit weg. Ich konnte so tun, als ginge es mich nicht groß etwas an. Ja, ich kann beten, vielleicht auch betroffen hinsehen, hier oder da helfen. Aber vor allem kann ich still und heimlich unendlich froh sein, dass das alles so weit weg ist. Und mich nicht betrifft. Glauben angesichts einer Krise? Wie gut, dass wir Leid und Fragen meist verdrängen können.

      Jetzt sind wir alle in Gefahr. Denn die Corona-Pandemie ist uns ganz nah. Wird uns länger erhalten bleiben und eine Grund-Verunsicherung in unser Leben tragen, weil niemand mehr nach Corona so tun kann, als säßen wir auf einer Wohlstands-Insel der Seligen, auf der Leid und Gefahr immer nur andere trifft.

      Fromme Sprüche – oder belastbar?

      Corona zeigt uns, dass der Tod mitten im Leben ist. Und dass ich besser hinschaue und lernen muss, bewusster angesichts des Todes zu leben. Und zu glauben. Und mit Gott in Beziehung zu sein. Der mir das Leben gab, dem ich mich verdanke – und der Herr über Leben und Tod ist. Memento mori – die Erinnerung, dass ich sterben werde. Den Tod einüben durch die kleinen Tode. Und das macht etwas mit meinem Glauben. Das ist eine Grund-Verunsicherung, mit der ich klarkommen muss. So viele gute Verheißungen in der Bibel. So viel Gutes und Liebes, das ich Gott unterstelle. Und so viel hässlicher Tod und so viel Krise – wenn ich nur genau hinsehen will.

      Corona lässt uns genau hinsehen. Macht wieder zur Tatsache, was immer Tatsache war: Dass wir leben müssen angesichts des Todes. Uns freuen und genießen dürfen – dicht neben dem Leid. Dass wir mitten darin glauben wollen, können, dürfen. Mit Gott, dem Herren über Leben und Tod leben. Aber wie genau?

      Für dieses Buch haben wir 20 bekannte Christinnen und Christen gefragt, wie sie Glaube, Tod und Leben zusammenbekommen. Wie sie glauben angesichts der Verunsicherung durch eine Krise wie Corona. Die ja nur für all die real vorhandenen Krisen und Verunsicherungen unseres Glaubens quer durch alle Zeiten steht. Corona ist Anlass, grundsätzlich darüber nachzudenken, ob und wie der Glaube trägt. Wer Gott ist – und auf welche Weise er verlässlich ist. Gerade in Krisen brauchen wir eine warme, belastbare, offene Beziehung zu ihm. Und er hat versprochen, dass er sich finden lässt, wenn wir ihn suchen – wie aber kann das gehen? Welche Erfahrungen haben da andere gemacht? Was ist frommer Spruch – was belastbare Lebenserfahrung? Wie kann ich glauben in einer Krise? Und wie mag diese Krise wohl aus dem Blickwinkel Gottes aussehen – redet er durch sie, vermittelt Corona uns allen eine Botschaft?

      Die Autorinnen und Autoren dieses Buches haben durch ihre Glaubens- und Lebenskompetenz Standfestigkeit und Resilienz im Glauben erworben. Sie sind keine Corona- oder Krisen-Spezialisten, sondern Menschen, die ihre Lebens- und Glaubenserfahrung teilen und so Wege, Ideen und Einsichten anbieten, die uns Zuversicht und Hoffnung geben können.

      Ulrich Eggers, 19. April 2020

      Persönliche ErfahrungenPersönliche Erfahrungen

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      Über das große C

      Von Ulrich Eggers

      Plötzlicher Abbruch bei Willow

      Die Szenen sind wie eingebrannt: Der schwierige Auftakt vom Willow-Creek-Kongress – erstmals ohne Bill Hybels. Große Spannung bei mir, aber die Eröffnung gelingt. Erleichterung – und die Kongress-übliche Action, VIP-Empfang, Pressekonferenz, Interviews, Absprachen. Mitten in der sechsten Einheit kommt Ben Lechner vom Management-Team nach vorne in unseren Veranstalter-Block und fordert uns mit ernstem Blick auf, mitzukommen. Wir marschieren durch die Menge nach hinten, sehen fragende Blicke.

      Im zweiten Stock des Verwaltungsgebäudes der Messe erfahren wir, was los ist: Einer unserer Sprecher, mit dem wir uns vor dem Start getroffen hatten, liegt mit hohem Fieber im Krankenhaus. Gerade war das positive Testergebnis da: Corona! Gemeinsam mit gut 20 anderen Leitungsleuten und Referenten, die mit beim Vortreffen waren, sitzen wir in einem Quarantäne-Raum. Und müssen jetzt nicht nur rasch entscheiden, ob der Kongress abgebrochen wird, sondern müssen auch sofort nach Hause in Quarantäne. Es ist schwer, aber klar: Wir brechen ab.

      Die Bilder aus diesem Raum sitzen tief: Schweigen, Schock, Trauer, Fragen, Witze, Entsetzen, Tränen, Gebetsrunden. Ein langer Blick zwischen mir und meiner Frau Christel, in dem alles gesagt ist … Das kleine Mädchen auf dem Flur, das hilflos weint und vergeblich getröstet wird. Hektische Entscheidungsrunden, Presse-Statements vorbereiten, welche Argumente zählen, mit wem darf ich gerade noch reden? Völlig konsterniert bereitet sich Jörg Ahlbrecht, der Willow-Producer, auf die Absage von der Bühne vor – er ist der einzige Leitende, der »unberührt« blieb und noch in den Saal darf. Dann der Strom der Besucher, die ruhig das Gelände verlassen. Schließlich dürfen auch wir gehen – unsere örtlichen Gesundheitsämter werden parallel informiert. Wir entscheiden uns, unseren Freund und Sprecher Gordon MacDonald mit nach Haus zu nehmen – er darf nicht zurück in die USA und kann ad hoc nirgendwo betreut werden.

      Dann die lange Fahrt durch die Nacht, der Anruf einer unserer Töchter, die in Bremen bei der Übertragung den Abbruch mitbekommen hatte – und die sorgenvollen Blicke ihrer Gruppe. Wir trösten, geben eine erste Einkaufsliste durch, freuen uns über Liebe und Zusammenhalt. Kommen schließlich weit nach Mitternacht in das stille Haus. Lahmgelegt.

      Zwischen Mut und Endzeitstimmung

      Die folgenden 13 Tage aber sind nicht still, sondern voller Stress! Organisation rund um den Kongress-Abbruch und die SCM-Verlagsarbeit – eine Video-Sitzung jagt die nächste. Ständig Entscheidungen, Telefonate, Apps und Mails. Und Gordon im Haus, der die ganze Aufregung mit seinen 80 Jahren nicht so leicht wegsteckt, schwer hört (aus Sorge um die Batterien deaktiviert er gleich am Anfang sein Hörgerät, was uns unendlich Nerven kostet und erst am Ende der Zeit klar wird). Tägliche Selbstbeobachtung, Temperatur und Symptome eintragen in Listen des Gesundheitsamtes. Ich organisiere eine tägliche Mail an die Quarantäne-Leute, um einander zu ermutigen. Dann Halskratzen, erstes Fieber, Druck in der Brust – mit meiner angeschlagenen Lunge gehöre ich zur Risikogruppe, wir wissen das.

      Schon bald merke ich, dass ich nur wenige Stunden arbeiten kann, dann geht es mir schlechter. Ständig horche ich in mich hinein: Bin ich positiv? Oder ist es nur der Stress draußen und im Haus? Gordons Tunnelblick und verklausulierte Fragen, die Sorge um Frau und Familie in den USA. Wir schwanken zwischen Mut und Endzeitstimmung, sind stark für Gordon und werden leise miteinander. Schließlich der Test bei mir und das positive Ergebnis – ich höre es abends und nutze die Nacht, um alles vorzubereiten: Info an Familie, Freunde, Firma, Willow-Mitstreiter, Quarantäne-Gruppe für den Morgen vorbereiten, vorsichtige Andeutungen an Gordons Familie – und am nächsten Morgen Gordon selbst: Nun ist eingetreten, was wir vor seiner Entscheidung für unser Haus bedacht hatten: »Wenn wir positiv getestet werden, bist du bei uns im Gefängnis, Gordon!«

      Er trägt es mit Fassung – und wir ziehen uns noch mehr voneinander zurück. Schutzmasken, die meine Frau rechtzeitig besorgt hat, aufgeteilte Bereiche


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