Gott suchen in der Krise. Отсутствует

Gott suchen in der Krise - Отсутствует


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ihren Schülern berührende Ermutigungsbilder. Regierende wachsen über sich selbst hinaus. Hoffnungslieder erklingen auf den Balkonen der eingesperrten Menschen in den Städten. Andrea Bocelli singt zu Ostern vor einem menschenleeren Mailänder Dom »Amazing Grace« – und über 30 Millionen hören auf YouTube zu. Die Kirchen lassen die Glocken läuten, Pastoren halten ihre Predigt des Lebens – online. Millionen von Christen vereinigen sich wie nie zuvor zum Gebet – per Mausklick.

      Zurück zu Bergamo – die Corona-Todesstadt in Europa, deren Name ich nie mehr vergessen werde. Bergamo ist auch die Stadt, in der Gott erlebt wurde wie kaum woanders. Von dort kamen viele berührende Nachrichten. Ein Arzt aus einer der Kliniken, Atheist, erlebte einen dem Tode geweihten, weil an COVID-19 erkrankten Priester. Der schenkte noch im eigenen Leid anderen Zuspruch und Hoffnung. Noch in den letzten Stunden betete er mit den Menschen und segnete sie. Das berührte den Mediziner so sehr, dass er anfing, in seiner Verzweiflung selbst zu Gott zu beten. Er fand den, der selbst großes Leid auf sich nahm, um uns Menschen zu erlösen: Er fand Christus. Der Bischof von Bergamo, Francesco Beschi, der selbst sechs seiner Priester durch Corona verlor, fand in der Krise die richtigen Worte: »Gott ist auch in Prüfungen mit uns und lässt uns nicht im Stich.«

      »Gott lässt uns nicht im Stich!« Diese Zusage steht, gerade in den Krisen- und Notzeiten des Lebens. Dann erweist sich nämlich, ob das Fundament des Lebens wirklich feststeht, oder ob es wackelt.

      Ich habe es mehr als einmal erlebt, dass Gott mich in den »finsteren Tälern« meines Lebens durchgetragen hat, ob in meiner Arbeit oder privat. Wenn ich keinen Ausweg mehr sah, hat Gott mir neuen Mut geschenkt. Deshalb kann ich mit dem Bischof von Bergamo bezeugen: »Gott ist auch in den Prüfungen mit uns und lässt uns nicht im Stich.« Er hat auch mich nie im Stich gelassen. Er hält, wenn nichts mehr hält. Ihm zu vertrauen, ist das Beste, was wir jetzt tun können, weltweit.

      »Gott lässt uns nicht im Stich!«

image Prof. Dr. Stephan Holthaus, Rektor der Freien Theologischen Hochschule in Gießen, ist Professor für Wirtschaftsethik. Er ist Vorsitzender der Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten und engagiert sich in Unternehmensbeiräten und Stiftungen.

       [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

      Einen anderen Glauben finden?

      Von Ingolf Ellßel

      In die Corona-Krise gehe ich mit einer ganz eigenen Biografie.

      Man müsste sich auf einen Berg setzen und die momentanen Wirren des Lebens mit mehr Abstand betrachten. Da würde der Blick freier werden von den ständigen Nahaufnahmen der aktiven Krisen, die uns täglich fordern oder in den Medien serviert werden.

      Zunächst sollten all die Dinge betrachtet werden, die gut sind. Da sollte jeder fündig werden. So könnte man Gott inmitten der Krise doch noch danken. Und überhaupt könnte man so den Weisungen der Bibel leichter nachkommen, die uns empfiehlt, »alle Bitten mit Danksagung vor Gott zu bringen« (vgl. Philipper 4,6).

      Nun folge ich aber dem einsichtigen Trend »Wir bleiben zu Hause« und sitze an meinem Schreibtisch. So bleibt mir nur der gedankliche Berg.

      Eine Freundin von uns kümmert sich indes um meine Frau Sigrid, die vor zweieinhalb Jahren während einer Dienstreise in Jerusalem ein Aneurysma erlitt, einen Monat im Koma lag und sich an der Schwelle des Todes aufhielt. Gott sei Dank, sie lebt. Ist aber halbseitig passiv und mit Pflegegrad 4 plus braucht sie mich rund um die Uhr. Und nun noch Corona. Das Virus wäre medizinisch gesehen ihr Todesurteil, da der linke Lungenflügel auch von der Passivität betroffen ist.

      Von meinem gedanklichen Berg schaue ich auf meine Berufung zum Pastor. Als Student der Fachrichtung Maschinenbau saß ich in einem lutherischen Gottesdienst in Sittensen und hörte eine Predigt von Pastor Döring über die Mission Jesu. Das war die Wende. Ich wechselte 1975 zur Theologie, heiratete die Tochter des Pastors und startete 1979 als Vikar in Tostedt. 35 wunderbare Jahre warteten dort auf uns. Wir bekamen vier Kinder und noch einen Pflegesohn. Die Gemeindearbeit boomte – von anfänglich 20 Gottesdienstbesuchern auf über 500. Alle Kinder fanden den christlichen Glauben, heirateten und bescherten uns bis heute insgesamt 12 Enkelkinder. Die Jahre waren prall gefüllt mit Ereignissen, die es uns leicht machten, Gott dankbar zu sein.

      Man könnte mir diesen Blick in die Vergangenheit als Nostalgie ankreiden. Doch ich fliehe nicht vor der harten Wirklichkeit, die mich umgibt. Stattdessen ist das für mich eine Übung, die den Glauben stärkt. Wir sollen nicht vergessen, was Gott Gutes in unserem Leben getan hat. Zu oft habe ich diese wertvollen Weisungen in der Bibel gelesen und gelernt, dass man eben genauso seinen Glauben regeneriert.

      Dazu fällt mir David ein, als er noch kein König war. Er steht vor seinem übermächtigen Gegner Goliat und erinnert sich zuvor dankbar daran, wie Gott ihm in den lebensbedrohlichen Auseinandersetzungen mit Bären und Löwen geholfen hat, bevor er sich der aktuellen Herausforderung stellt. Gewiss, Dankbarkeit in schweren Zeiten ist zunächst ein emotionales Opfer, öffnet aber das Herz erst für das Eingreifen Gottes. In Psalm 50,23 lese ich: »Wer Dank opfert, verherrlicht mich und bahnt so einen Weg; ihn werde ich das Heil Gottes sehen lassen.« Wenn man solche Zusagen Gottes aus der Bibel einmal im Glauben in Besitz genommen hat, entsteht sogar ein emotionales Wunder: Vorfreude!

      Und ich denke an Paulus und Silas, die im Gefängnis sitzend auf ihr Todesurteil warteten und gegen Mitternacht anfingen, Gott laut zu danken (vgl. Apostelgeschichte 16,25). Und die beiden bekamen sofort danach Hilfe.

      Aber wie geht es denen, die auf Gottes Hilfe warten müssen?

      Noch einen anderen Glauben finden

      Vom Berg aus bekommt man auch mal eine gesunde Distanz zu seinen Lieblingsversen in der Bibel, die an sich zwar ihre Richtigkeit haben, aber auch die nicht so schönen Verse verdrängen.

      Dabei denke ich an den dunklen Teil des ach so oft zitierten elften Kapitels des Hebräerbriefes. Zunächst strotzen die ersten 35 Verse dieses Kapitels vor Glaubenshelden, die mit bewundernswerten Taten Gottes Eingreifen freisetzten. Und dann wechselt die Perspektvie der Berichterstattung: Furchtbare Lebensumstände werden dort beschrieben, die sich kein Mensch wünscht. Ganz so, als wäre das kein Widerspruch zu den beschriebenen Glaubenstaten.

      Hier eine Kostprobe: »Sie wurden gesteinigt, zersägt, starben den Tod durch das Schwert, gingen umher in Schafpelzen, in Ziegenfellen, Mangel leidend, bedrängt, geplagt« (Hebräer 11,37). Das offensichtliche Schweigen Gottes im Leben dieser Leidenden wird schier mysteriös erklärt: »Und diese alle, die durch den Glauben ein Zeugnis erhielten, haben die Verheißung nicht erlangt, da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollendet werden.« (Hebräer 11,39-40) Keine Bewahrung. Kein Schutz. Kein Engel, der hilft. Mangel statt Versorgung. Wie ist das zu verstehen? Not lehrt beten, heißt es in einem Sprichwort. Das diese Leidenden gebetet haben, ist anzunehmen. Doch was haben sie von Gott empfangen? Einen Glauben mit einem inneren Zeugnis. Das ist das innere Überführtsein von Dingen (d.h. Vorherwissen, Inhalte, Entwicklungen, Gnaden …), die man noch nicht sieht (vgl. Hebräer 11,1).

      So gibt es offenbar auch einen Glauben, der Missstände aushält. Der leidgeprüfte Asaf bekennt diesen Glauben so: »Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil« (Psalm 73,26; LUT).

      Es ist fraglos schwieriger, den Glauben auf Gottes Hilfe aufrechtzuerhalten, wenn seine Hilfe auf sich warten lässt oder im jetzigen Leben möglicherweise gar nicht eintrifft. In einem Sprichwort heißt es so tiefsinnig: »Die Länge bringt die Last.« Zudem fällt mir auf, dass die Leidenden in ihrem Glauben meistens von einem Happy End ausgingen. Das deckt sich mit der paulinischen Einsicht, dass demjenigen, der Gott liebt und sich zu seinem Wort hält, alle Dinge zum Besten dienen werden (vgl.


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