Wyatt Earp Staffel 10 – Western. William Mark D.
Skinner wollte weiter, doch er wurde von einem Mann, den er bisher nicht im mindesten beachtet und über dessen rechte Schulter er die ganze Zeit mit dem Mädchen verhandelt hatte, am Ärmel aufgehalten.
Grenzenlose Verwunderung malte sich im Gesicht des Texaners, als er den Mann jetzt genauer betrachtete.
Es war ein hochgewachsener Fremder im eleganten schwarzen Anzug mit modernem Rüschenhemd und einer weinroten Seidenkrawatte. Das Gesicht des Fremden war schmal, kantig, wettergebräunt und gutgeschnitten. Es wurde von einem eisblauen Augenpaar beherrscht und von einem schwarzen breitrandigen Californiahut bis zu dem sauber ausrasierten Schnurrbart hin beschattet.
Ganz sicher hätte Ric Skinner jetzt laut aufgelacht, wenn ihm jemand gesagt hätte, wer der Fremde war.
Doc Holliday, der berühmte Gambler und Gunman, den der ganze Westen kannte, der Georgier, der zusammen mit dem Marshal Earp durch das Land ritt und dessen schnelle Revolverhand bis heute kein Bandit gewachsen war.
Doc Holliday? Nein, das hätte Skinner nie geglaubt. Den Spieler hätte er sich ganz anders vorgestellt. Wilder, rüder, vielleicht auch nicht so groß und ganz bestimmt nicht so elegant und ruhig.
Richard Skinner musterte den Mann mit einem Blick, in dem sich Verwunderung und Spott spiegelten.
»He, was ist denn mit dir los? Wohl verrückt geworden, Dandy, he?«
Der Georgier hatte eine Zigarette im Mundwinkel stecken, schob sie, ohne die Hand dazu zu benutzen, in den anderen Winkel und kniff ein Auge ein.
»Sie haben Ihren Whisky vergessen zu zahlen, Mister.«
»Was habe ich?«
»Wenn Sie schlecht hören, sollten Sie mal einen Arzt aufsuchen. Sie haben Ihren Whisky nicht bezahlt. Und was nicht bezahlt wird, muß Miß Dalida selber zahlen.«
»Ach, muß sie das? Dann soll sie mal. Und – was geht das dich an, Dandy? He? Schätze einen Dreck.« Skinners Augen funkelten vor aufsteigender Wut. Wagte es dieser Stadtfreak da ihn aufzuhalten! Am liebsten hätte er ihn jetzt niedergeschlagen.
Da blitzte es in den Augen des Fremden auf.
»Vorwärts, Mann, zahlen Sie Ihren Whisky, wie das jeder andere hier tut.«
Der Zorn übermannte den wilden Texaner.
Ich werde ihn buffaloen. Ihm den Revolverlauf über den Schädel schlagen, daß er es nie wieder riskieren wird, einen Texaner an seine Zeche zu erinnern – so dachte Ric Skinner.
Seine Hand zuckte zum Colt.
Und da geschah etwas, das sich der schnelle Ric niemals hätte träumen lassen: in der rechten Faust des Fremden schimmerte plötzlich unter der Thekenkante hervor der vernickelte Lauf eines schweren Revolvers.
Skinner starrte entgeistert auf die Waffe – hob dann den Blick und sah in ein eisiges Augenpaar.
»Sie wollten zum Geld und nicht zum Colt greifen, Tex!«
Skinner nahm mit der Linken zwei Münzen aus der Gurttasche und warf sie an Holliday vorbei auf die Theke. Dann maß er den Spieler noch mit einem haßerfüllten Blick und wandte sich ab.
Er hatte jetzt Eiligeres zu tun. Aber diesen Kerl, den würde er sich noch greifen.
Während er die Treppe hinauflief, schoß er durch die Geländerstäbe noch einen forschenden Blick auf den Fremden an der Theke.
Damned, das war die zweite Abfuhr an einem Tag!
Er würde sich für beide rächen. Gegen den Kerl draußen bei Barring würde es kein Kinderspiel sein, das war ihm schon in dem kurzen Gang klargeworden.
Aber hier, dieser geschniegelte Bursche, den würde er fertigmachen! Wie hatte der bloß so schnell den Revolver in der Hand gehabt? Skinner war davon überzeugt, daß der Mann ihn schon lange vorher heimlich gezogen haben mußte.
Das allerdings war ein Irrtum; und Skinner hätte das gewußt, dann wäre er vorsichtiger gewesen.
Richard Skinner war ein Landstreicher aus Texas, der überall versuchte, den großen Fischzug zu tun. Der keine Skrupel kannte und bereit war, jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen, um zu Geld zu kommen.
Es war ihm nie gelungen. In Oklahoma City hatte ihn um ein Haar eine ganze Ranchmannschaft erwischt.
In Shawnee erging es ihm ähnlich. In Mariboon waren es die Leban Brothers, die ihm beinahe an den Kragen gekommen wären.
Immer hatte er mit Hilfe seiner Gerissenheit und seines schnellen Pferdes noch im allerletzten Augenblick entkommen können.
Arbeiten wollte er nicht, er suchte den großen Fang. Und den glaubte er in Ann Barring gefunden zu haben. Hatte er erst sie, dann hatte er auch alles, was ihr gehörte.
Dieser Roger war ja nicht auf das Mädchen und ihren Besitz aus. Er würde ein willfähriges Werkzeug in seinen Händen sein.
Es war Pech, daß der alte Elliot seine Pläne mit seinen allzu ungestümen Vorgehen fast zerschlagen hatte. Aber das ließ sich noch reparieren. Zunächst einmal hatte er Elliot gezeigt, daß er sein Mann war. Das war wichtig. Jetzt mußte ihm Roger dazu verhelfen, den Barrings eine andere Meinung beizubringen.
Daß er keine üble Absicht gehabt hätte. Und daß er ja nur gegen diesen wilden Cowboy hätte vorgehen wollen, in dem er einen Feind der Barrings gesehen hätte.
Er sah überhaupt nur ein einziges echtes Hindernis in seinem Plan, den er tatsächlich der Verwirklichung nahe glaubte: Der fremde Cowboy, der so hart mit der Faust und so gefährlich mit dem Revolver war.
Und eben diesen Mann mußten sie gemeinsam schlagen. Er mußte verschwinden, koste es, was es wolle.
Und Roger Elliot schien ihm auch dazu das geeignete Werkzeug zu sein.
Im Gegensatz zu Roger wußte der Texaner sehr genau, was er wollte. Nur die Wege, die er beschritt, waren noch undurchsichtiger.
Jetzt hatte der Tramp das Obergeschoß erreicht, ging an den ersten beiden Türen vorbei und stand vor dem Zimmer, auf dessen Tür eine 3 kunstvoll aus Messing aufgesetzt war.
Ohne anzuklopfen trat der Bandit ein.
Roger hatte in einem Plüschsessel gesessen und fuhr erschrocken hoch.
Als er den Mann erkannte, der da vor ihm stand, sank er wieder in den weichen Sitz zurück.
»Du? Wie kommst du denn hierher?«
»Dreimal darfst du raten«, krächzte Skinner feixend und sah sich in dem überladenen Raum um.
Auf einem Spiegeltischchen entdeckte er eine Karaffe mit Brandy. Er nahm den gläsernen Stöpsel ab und setzte sich die Karaffe an seinen schmierigen Mund.
Roger betrachtete ihn mit aufsteigendem Ekel.
»Was willst du eigentlich, Ric?«
»Ich suche dich.«
»Mich?«
»Ja, dich.«
Niemand in der Schenke hatte auf den Fremden geachtet, der die Theke verlassen hatte und ebenfalls nach oben gegangen war.
Er hatte hier im Haus das Zimmer Nummer vier gemietet.
Es lag gleich neben dem Zimmer Dalidas.
Und es hatte sehr dünne Wände…
Roger Elliot sah sich unbehaglich nach dem Texaner um, der wie ein Tiger durch den Raum schlich, alles anfaßte, die Schränke öffnete und nicht einen Gegenstand unbeachtet ließ.
»Mach endlich das Maul auf, Mann!«, knurrte Elliot.
»Ich habe dir etwas Interessantes mitzuteilen, Boy.«
»Nämlich?« fragte Elliot ungeduldig.
»Barring hat einen Helfer bekommen, der nicht dableiben darf.«
»Einen