Hagemanns Welt. Mathias Meyer-Langenhoff

Hagemanns Welt - Mathias Meyer-Langenhoff


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geh dann auch, Paps“, meinte Emma, „bin gespannt, was Mama sagt. Ist wirklich nicht schlecht hier, aber wenn sie uns ein anderes Haus besorgt, für mich kein Problem, komm, Greta!“

      Sie folgten ihrer großen Schwester. Ich erledigte das, wozu man eine Toilette eigentlich benötigt, jetzt wusste ich ja, wie man eintrat, um auszutreten. Als ich mir die Hände waschen wollte, stellte ich fest, dass der Wasserhahn sich nicht aufdrehen ließ.

      „Wahrscheinlich festgerostet“, murmelte ich und drehte mit aller Kraft, aber anstatt Wasser zu spenden, brach er plötzlich aus der Wand, und mir schoss eine gewaltige Fontäne ins Gesicht, die mich bis auf die Haut durchnässte und wie einen angeschlagenen Boxer ins Taumeln geraten ließ. Der Wasserdruck war so hoch, dass ich aus der Toilette gespült wurde, stolperte und draußen der Länge nach zu Boden fiel. Das hinausschießende Nass schwoll schnell zu einem tosenden Wildbach, der direkt in unseren Ferienpalast floss.

      Ich rappelte mich auf und spürte Wut in mir aufsteigen, nicht nur auf die Vermieterin, sondern auch auf meine Frau, die mir all das eingebrockt hatte.

      „Ja“, zürnte ich, „sie wird mich wieder der Unfähigkeit zeihen, ich werde wie immer die Schuld auf mich nehmen müssen, und dann wird sie wie eine Dea ex Machina einfliegen, um alle Probleme zu lösen. Nein, ich werde sie nicht anrufen, auf gar keinen Fall!“

      Ein Blick in unsere Ferienunterkunft versetzte mir einen Schock. Das Wasser hatte sich inzwischen kniehoch auf dem Boden ausgebreitet und inmitten des Sees stand mein Koffer, in dem sich der Laptop und wichtige Teile meines Romanmanuskriptes befanden. Blitzschnell sprang ich in die Flut und bewahrte mein Allerheiligstes vor dem Tod durch Feuchtigkeit. Ich war stolz auf mich, verharrte einen Augenblick vor dem halb blinden Wandspiegel und rang meinem Gesicht einen kühnen Ausdruck ab. Gleichzeitig bedauerte ich, dass meine Töchter nicht Zeuginnen dieser heldenhaften Rettungstat sein konnten. Wieder draußen stellte ich den Koffer ins Trockene und tastete in meiner triefnassen Hose nach dem Handy, es musste ein Fachmann her, die Vermieterin hatte auf der Stelle einen Klempner aufzutreiben.

      „Met Jane de Jong“, hörte ich ihre schmatzende Stimme.

      „Hagemann!“, brüllte ich, nicht nur grollend, sondern unfassbar wütend, ja sogar rasend. Ein herrliches Gefühl.

      „Wollen Sie mich umbringen? Ich drohe zu ersaufen! Kommen Sie sofort und bringen Sie einen Klempner mit, hier ist Land unter!“ Im Haus stieg der Pegel unablässig weiter, es schien vollzulaufen wie ein Swimmingpool, deshalb eilte ich zu der roten Kabine zurück, um die sprudelnde Quelle irgendwie zu verstopfen. Während ich verzweifelt versuchte, mein Taschentuch in die Öffnung zu schieben, aus der mir das Wasser entgegenschoss, legte sich eine Hand auf meine Schulter.

      „Sie müssen den Haupthahn abdrehen“, hörte ich jemanden sagen.

      „Sehr witzig, aber wo ist das verdammte Ding?“, schrie ich.

      „Direkt über Ihnen, an der Wand.“

      Die Hand griff über mich hinweg und drehte an einem kleinen, grünen Rad, bis der Strahl schwächer wurde und endgültig versiegte. Erst jetzt bemerkte ich, dass es sich um einen Jungen in Dorles Alter handelte, der mich grinsend ansah.

      Kaum drei Schritte hinter uns, draußen vor der Toilettentür, stand meine Älteste, sie grinste nicht, stattdessen hielt sie die Arme vor der Brust verschränkt, verdrehte in mir vertrauter Weise ihre Augen, während die Mundwinkel auf halb acht hingen. Ich wusste, was kommen würde.

      „Papa, echt“, würde sie gleich sagen, mit einem Ausdruck tiefsten Verachtens. Fremdschämen ist eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen.

      „Papa, echt“, sagte sie, als ich erleichtert und mit einem dankbaren Blick für meinen Retter die Toilette des Grauens verließ, „da hättest du wirklich eher drauf kommen können, du hast das totale Chaos angerichtet.“

      „Ich war in Panik“, verteidigte ich mich.

      Der junge Mann hatte den Wasserhahn in der Hand und untersuchte ihn.

      „War festgerostet, stimmt’s?“, stellte ich um Zustimmung bettelnd fest.

      „Eigentlich nicht“, antwortete er, „vielleicht haben Sie in die falsche Richtung gedreht?“

      Volltreffer, er hatte mich versenkt.

      „Das, das … kann nicht sein“, stammelte ich. „Und wenn schon, darf das Ding denn einfach so abbrechen?“

      Statt einer Antwort zuckte er mit den Schultern. Dorle war inzwischen ins Haus gewatet und sah stumm auf die angerichtete Katastrophe, wütend wirbelte sie herum.

      „Ich werde hier auf keinen Fall wohnen!“, schleuderte sie mir entgegen.

      „Brauchst du auch nicht“, antwortete ich, „ich habe die Vermieterin schon angerufen, sie wird bestimmt gleich hier sein, und dann ziehen wir um.“

      „Haha!“, höhnte meine Tochter und wandte sich demonstrativ ab. Der junge Mann hingegen behandelte mich gnädiger, er grinste noch immer, irgendwie hatte ich sogar den Eindruck, in seinen Augen ein wenig Sympathie für mich zu entdecken, aber vielleicht war es auch nur Mitleid.

      „Hätten Sie was dagegen, wenn ich mit Ihrer Tochter heute Abend nach Nes zum Roggenfest fahre?“, sagte er plötzlich. Diese Frage begriff ich als Chance. Eine Erlaubnis würde die Stimmung meiner Ältesten vielleicht entscheidend verbessern.

      „Natürlich nicht“, lächelte ich also großzügig und zwinkerte ihm zu, „das wird Dorle sicher aufheitern, schön, dass Sie mit ihr ausgehen wollen.“

      Sie fuhr wieder herum, ihre Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. „Wenn du meinst, ich lass mich von dir bestechen, dann hast du dich geschnitten, ich wäre sowieso mitgegangen, auch ohne deine Erlaubnis. Jetzt ruf endlich Mama an, damit sie alles regelt!“

      Im gleichen Augenblick fuhr das Auto der Vermieterin vor. „Vielleicht sollte ich ihr Dorle als Haussklavin verkaufen“, dachte ich, „das würde den entstandenen Schaden ausgleichen und mein Leben unendlich erleichtern.“

      Frau de Jong wuchtete sich aus dem Wagen, auf der anderen Seite entstieg ihm ein nicht minder kräftig gebauter Mann im blauen Overall.

      „God verdomme, was haben Sie angestellt?“

      Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen, der Mann wackelte hinter ihr her, sah sich das Ferienhaus und die Toilette an und schüttelte mit dem Kopf.

      „Am besten brechen wir alles ab und bauen neu“, meinte er lakonisch, „der Deutsche ist bestimmt gut versichert.“

      „Ich bin versichert, ja, aber meine Versicherung wird keinen Cent bezahlen!“, tobte ich, stürzte auf ihn zu und trommelte mit den Fäusten auf seine mächtige Brust. „Was glauben Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben? Ich lasse mich nicht einfach verarschen, ich nicht!“

      Er schüttelte mich ab wie eine lästige Fliege und einen Augenblick später bewegte ich mich tatsächlich auf fliegentypische Art, flog durch die Luft und verlor das Bewusstsein. Wie durch Watte hörte ich irgendwann eine Stimme, es musste Dorles sein.

      „Papa, Papa, was ist? Aufwachen!“

      Sie tätschelte meine Wangen, und ich versuchte, mich wieder vorsichtig der Welt zu stellen. Emma und Greta waren inzwischen auch vom Strand zurück und sahen mitleidig auf mich herab, ach, es ist schön, wenn sich Töchter um ihren Vater sorgen.

      Im gleichen Augenblick dröhnte über uns ein infernalischer Lärm, der von Sekunde zu Sekunde anschwoll. Gleichzeitig erhob sich ein Sandsturm, bis in kaum fünf Metern Entfernung ein Hubschrauber landete und seinen Motor abstellte. Die Schiebetür öffnete sich, eine geduckte Gestalt mit Helm sprang aus dem Fluggerät und näherte sich mit schnellen, energischen Schritten. Nachdem sie uns erreicht hatte, kniete sie sich nieder, entledigte sich ihrer Kopfbedeckung und … gab mir einen Kuss, ich schrie auf, die Dea ex machina!

      „Hagen, was ist mir dir?“, rief meine Frau. Sie lag neben


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