Der Katholische Bahnhof. Irmin Burdekat

Der Katholische Bahnhof - Irmin Burdekat


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mein Sohn bei Tante Emmy auf den Teppich. Ich Dussel hatte ihm die Windel abgenommen, weil ich glaubte, es sei zu warm im Zimmer. Zum Glück hat er sich vorher die Hose runtergezogen.

      Die Reinigungsaktion fraß leider viel Zeit. Als der Teppich endlich mehrfach chemisch gereinigt war, musste ich los. Die Plauderlaune war ohnehin verrauscht. Oder eben abgekackt. Wir verabredeten uns neu und ich versprach, beim nächsten Besuch nur noch Sahne mitzubringen.

Icon Ahornblatt

      Die Taxe ist für sechs Uhr bestellt. Familie Lendruscheit steht bereits um viertel vor sechs mit Koffern und Handgepäck vor dem Haus. Schweigend. Bei den Damen rinnen ein paar Tränen lautlos über die Wangen. Marlene kennt das Ziel der Reise nicht. Frau Lendruscheit ist ein wenig eingeweiht. Sie muss sich mit „Wir wandern aus!“ zufriedengeben. Weitere Nachfragen führen zu aggressiven Reaktionen. „Hättest du auf das Mädel aufgepasst, wären deine Fragen überflüssig!“ In Sekunden wird der Kopf von Alfons rot, und Rot bedeutet nun mal Stopp! Marlene ist der Auslöser für alles Übel und daher eine Gefangene der Situation. Sie verkriecht sich in ihr Inneres, wo sie nicht mehr allein ist. Sie beginnt mit dem ungeborenen Kind zu reden und tröstet sich, indem sie Trost und Zuversicht spendet. „Manfred und ich werden dich beschützen!“ So macht sie sich und dem unbekannten, geliebten Menschen Mut. Denn daran zweifelt sie nicht: Dieses Kind ist ein Kind der Liebe!

      Am frühen Abend endet die Reise in der Fränkischen Schweiz. Dort sind sie nach einigem Umsteigen und stumpfem Warten auf undefinierbar riechenden Bahnsteigen im Zweiter Klasse-Abteil der Bummelzüge angekommen. Ein roter Triebwagen bringt sie von Nürnberg über Erlangen nach Forchheim. Die letzten Kilometer übernimmt ein Postbus den Transport. Das Dorf scheint keinen Namen zu haben. Nur ein paar Bauernhäuser und einen Landgasthof an der Regnitz. Im Blauen Karpfen ist ein Neffe von Vater Lendruscheit Hausbursche. Das schönste, größte und im Grunde einzige Zimmer hat vier Betten, einen Schrank, einen Waschtisch und – ganz neu – ein eigenes Wasch- becken. Dazu vier Nachttische neben den Betten. Schon am zweiten Tag kommen drei Stühle hinzu. Die Fenster über Eck geben den Blick frei auf den kleinen, aufgestauten Fluss, der früher ein schweres Wasserrad in Gang bringen musste, damit man Korn mahlen konnte. Zur anderen Seite sieht man die Straße und den kleinen Parkplatz. Am Horizont steigt ein Gebirge auf, das den lächerlichen Vergleich mit der Schweiz begründet. Wer nie dort war, gibt sich vielleicht damit zufrieden.

      Marlene hat kategorisch Stubenarrest und verlässt das Zimmer nur in Begleitung der Eltern oder um zur Toilette zu gehen. Einmal pro Woche darf geduscht werden, wofür der Wirt pro Person eins fünfzig abrechnet. Die Übernachtung kostet zwanzig Mark und enthält ein armseliges Frühstück. Für jeden zwei Semmeln, einen Klacks Butter, Marmelade im Überfluss und für die Eltern je ein Kännchen Kaffee. Marlene trinkt Hagebuttentee. Nachdem die Mutter einkaufen war, isst man mittags Landbrot mit Lyoner Wurst, dazu für jeden eine saure Gurke. Die geliehene Thermoskanne hat heißes Wasser aus der Wirtshaus-Küche, mit dem man Caro-Kaffee

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