109th. Jessica Oheim

109th - Jessica Oheim


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öffnete die Akte, die vor ihr lag, und zeigte Garry und Catherine ein Foto des ersten Opfers. „Kennen Sie dieses Mädchen?“, fragte sie.

      Doch selbst nach einigen Momenten des Nachdenkens kam Ryans Eltern Nancy nicht bekannt vor.

      Als Sophie ihnen die Frage nach eventuellen Geldproblemen stellte, erwiderte Garry: „Wir sind zwar nicht gerade eine reiche Familie, aber Ryan kam mit seinem Taschengeld gut aus.“

      Sophie zeigte ihnen die Münzen, die sie auf Ryans Augen gefunden hatten, doch auch Catherine und Garry konnten sich keinen Reim darauf machen. Die beiden Polizistinnen bedankten sich bei dem Ehepaar und verließen mit ihm gemeinsam den Konferenzraum. „Officer Carlson wird Sie in die Gerichtsmedizin begleiten. Wenn Sie gestatten, würden wir uns gerne das Zimmer Ihres Sohnes ansehen“, bat Sophie.

      Catherine Togo nickte. „Natürlich. Ein Schlüssel liegt unter der Fußmatte.“

      „Ist das für Sie in Ordnung, wenn wir uns bei Ihnen zu Hause umsehen, während Sie nicht da sind?“, wollte Lena wissen.

      Catherine nickte und wandte sich ab, um in der Gerichtsmedizin ihren toten Sohn zu identifizieren.

      Lena und Sophie begaben sich zu der Pinnwand, die sich langsam, aber sicher füllte.

      „Anna, bist du mit dem Überwachungsvideo schon durch?“, fragte Lena.

      Ihre Kollegin nickte. „Ja, das bin ich.“ Sie hob eine Hand, in der sie einen frischen Ausdruck hielt.

      „Du hast ein Bild unseres Killers?“ Sophie war überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Täter so unvorsichtig gewesen sein könnte.

      „Na ja, wie man es nimmt“, erwiderte Anna und präsentierte ihnen das Foto. Es zeigte eine schwarz vermummte Gestalt, die sich gerade von dem leblosen Körper des zweiten Opfers entfernte.

      „Okay, zu früh gefreut“, seufzte Lena.

      „Was hast du denn erwartet?“, wandte sich Anna an ihre Kollegin. „Ein Bild, auf dem man das Gesicht des Täters sieht?“

      Lena zuckte mit den Schultern. „Auf so etwas hatte ich gehofft, ja.“

      „So etwas gibt es nur in Filmen“, stellte Anna klar.

      „Wie auch immer“, ging Sophie dazwischen. „Der Täter beachtet die Kamera gar nicht. Ich glaube nicht, dass er damit gerechnet hat, gefilmt zu werden.“

      „Dieser Automat war so gut wie gar nicht zu übersehen. Der Killer hat Ryan Togo vermutlich nur wegen dieser Kamera dort abgelegt“, erklärte Anna.

      „Du meinst, er wollte gefilmt werden?“, hakte Lena nach. „Aber warum denn?“

      „Ganz einfach: Er will uns seine Überlegenheit demonstrieren, will uns vor Augen führen, dass er morden kann, ohne dass er erwischt wird.“

      „Er will uns zeigen, dass er schlauer ist als wir“, fügte Sophie hinzu und sah ihre Kolleginnen besorgt an. „Das macht ihn noch gefährlicher, als er ohnehin schon ist.“

      „Lea kommt in etwa einer halben Stunde vorbei, um sich den Fall genauer anzusehen“, warf Sam ein, der sich gerade zu den anderen Ermittlern gesellte, die sich immer noch vor der Pinnwand postiert hatten. „Und was habt ihr in der Zwischenzeit herausgefunden?“

      „Der Täter spielt mit uns. Er will uns zeigen, dass er schlauer ist als wir“, klärte Sophie ihn auf.

      „Und er wird mutiger. Das erste Opfer hat er drei Tage lang gefangen gehalten, das zweite nur einen einzigen“, fügte Lena hinzu.

      Sam runzelte die Stirn. „Hat das denn wirklich etwas mit Mut zu tun? Ich meine, die Wahrscheinlichkeit, dass die Cops ihm auf die Schliche kommen, ist doch viel höher, je länger er seine Opfer gefangen hält. Er muss schließlich damit rechnen, dass nach den Kindern gesucht wird.“

      „Da kann ich Sam nur zustimmen“, meinte Lea und trat von hinten auf die kleine Gruppe zu.

      „Hattest du nicht noch einen Termin?“, fragte Sam verwirrt, bevor er seine alte Freundin erneut umarmte.

      „Ja, eigentlich schon, aber das hat sich erledigt.“ Mit einem Blick auf die Pinnwand fügte sie hinzu: „Außerdem ist das hier viel wichtiger.“ Jetzt begrüßten auch Sophie, Lena und Anna die Psychologin. „Also, dann setzt mich doch bitte mal ins Bild, damit ich mit meiner Arbeit anfangen kann“, bat Lea.

      Sophie begann, von den Fällen zu berichten. Von dem ersten Opfer Nancy Tanner, dem zweiten Opfer Ryan Togo und der Verbindung zwischen ihnen, angefangen bei der Todesursache.

      Als Sophie mit ihrem Bericht fertig war, zeigte Anna Lea das Bild, das sie soeben ausgedruckt hatte. „Ich weiß nicht, ob dir das weiterhilft, aber so in etwa sieht unser Täter aus“, erklärte sie, während sie der Psychologin das Foto gab.

      „Danke, Anna“, erwiderte diese und blickte weiterhin starr auf die Pinnwand. „Ist es möglich, dass ich die Akten über die Opfer und ihre Familien und natürlich die Einsatzberichte bekomme?“

      „Natürlich, die müssten jeden Moment gebracht werden.“

      „Und wie immer seid ihr perfekt vorbereitet und organisiert“, grinste Lea. „Kann ich wieder das Büro nutzen, das ich bereits bei unserem letzten Fall in Beschlag genommen habe?“, fragte sie.

      „Nein, das geht leider nicht. Wir haben nämlich ein neues Teammitglied“, meinte Sam.

      Lena bekräftigte: „Ja, wir haben jetzt eine Staatsanwältin, die direkt mit diesem Revier, speziell mit dem Morddezernat, zusammenarbeitet. Sie heißt Jenny Parker und ist ...“

      „... Sophies Schwester“, vollendete Lea den Satz.

      Sophie runzelte die Stirn. „Woher weißt du das? Du kennst sie doch gar nicht.“

      ***

      In diesem Augenblick kam ich aus dem Pausenraum, meinen Kaffeebecher in der einen und einige Akten in der anderen Hand. Ich ging zu meiner Schwester und legte ihr die Papiere auf den Schreibtisch. „Hier sind die Akten, um die du mich gebeten hast.“ Als ich mich umdrehte und die Psychologin sah, stutzte ich. „Lea, was machst du denn hier?“ Ich stürmte auf meine alte Freundin zu und wir umarmten uns.

      „Wie lange ist das jetzt her, Jenny?“, fragte sie und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

      „Das müssen schon fast zehn Jahre sein“, erwiderte ich und musterte meine einst beste Freundin. Sie hatte sich kaum verändert. Immer noch die gleichen rötlichen Haare und die fast schon smaragdgrünen Augen. „Wie geht es dir so?“, fragte ich.

      „Gut, und wie es aussieht, dir auch“, lachte sie.

      Ich nickte. „Ja, aber was machst du eigentlich hier?“, kam ich auf meine ursprüngliche Frage zurück.

      Lea wies auf die Akten und die Pinnwand, während sie antwortete: „Ich bin Psychologin und arbeite öfter mit der Polizei zusammen, wenn es darum geht, Profile von Serienkillern zu erstellen. Und du hast dein Jurastudium also wirklich durchgezogen?“

      „Ja, als ich diese Phase überwunden hatte, ging das Studium fast wie von selbst“, erwiderte ich.

      „Ich unterbreche euch ja nur ungern, aber würdet ihr uns mal aufklären, woher ihr euch kennt?“, fragte Sam und sah uns verdutzt an.

      Lea nickte mir zu und ich begann zu erzählen: „Wir waren drei Jahre in einer Klasse und haben gemeinsam den Schulabschluss gemacht. Danach haben wir uns leider aus den Augen verloren ...“ Ich drehte mich zu Lea um und diese hatte den gleichen glücklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt, den ich in diesem Moment ebenfalls zur Schau getragen haben musste.

      „So ungern wir euch aus euren Erinnerungen reißen, wir müssen einen Killer aufspüren“, meinte Sophie und blickte von mir zu Lea und wieder zurück.

      Ich


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