109th. Jessica Oheim
on>
o
Glaube! Hoffe!
Gib niemals auf!
Jessica Oheim
o
Impressum:
Personen und Handlungen sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
© 2016 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/7159086
Alle Rechte vorbehalten.
Erstauflage 2016
Lektorat: Melanie Wittmann
Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM
Titelbild: Isaxar / Adobe Stock lizenziert
ISBN: 978-3-86196-635-7 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-190-9 - E-Book
o
o
Für Mama, Papa und meine kleine Schwester Vanessa
o
Prolog
„Warum ich?“, krächzte sie, während ihr eine Träne die Wange hinunterlief.
„Es war nicht meine Entscheidung. Dein Vater hat mich gezwungen, das zu tun. Aber es gibt noch einen Grund ...“ Er sah sie an, blickte ihr direkt in die Augen. Sie wollte den Kopf wegdrehen, doch er griff mit einer Hand an ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen. „Weil du wunderschön bist. So einzigartig.“ Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie.
Sie wand sich in seinem Griff, doch sie hatte keine Chance. Er zog den Kuss in die Länge, ignorierte ihre gequälten Versuche, nach Luft zu schnappen, und drückte seine Lippen nur noch unerbittlicher auf ihre. Erst als er selbst genug hatte, löste er sich von ihr. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er ihren ängstlichen und zugleich gequälten Gesichtsausdruck wahrnahm. Er griff an seinen Gürtel und zog das Messer aus der Schnalle. Es war klein, aber wie ein Dolch an beiden Seiten geschärft. Er ließ die Klinge durch seine Hand gleiten und bewunderte sie, ihre Schärfe und ihre Präzision.
Als die junge Frau das Messer erblickte, bemerkte er, dass sich Panik in den Augen seines Opfers spiegelte.
„Hab keine Angst“, wisperte er, während er sich vor sie stellte. „Shhht“, flüsterte er, als sie anfing zu schreien.
Langsam, ganz langsam bohrte er die Spitze des Messers in die Haut ihres wunderschönen Gesichts. Als ein Tropfen Blut ihre Wange hinunterlief, zog er die Klinge nach unten. Er ignorierte ihre Schreie, ihr Wimmern, ihre Tränen. Er machte weiter, arbeitete wie in Trance. Merkte nicht einmal, dass sie ohnmächtig geworden war. Er hörte erst auf, als sein Werk vollendet war. Anschließend wischte er das Messer vorsichtig an seinem Hemd ab, bevor er sich noch einmal nach vorne beugte und auf ihren Atem lauschte. Als er keinen Luftzug mehr an seinem Ohr spürte, musste er unweigerlich lächeln.
Er steckte sein Messer zurück an die Schnalle seines Gürtels. Die Waffe trug er stets bei sich. Sie erinnerte ihn an seinen Verlust und an die Schmerzen, die er erleiden musste. Doch gleichzeitig ließ ihn das Messer an die Rache denken, an die Vergeltung, die er nun üben konnte. Und er würde damit nicht eher aufhören, bis er allen dieselben Schmerzen bereitet hatte, die auch ihm bereitet worden waren.
*
Kapitel 1
„Herein“, rief ich, während ich das Formular, das vor mir auf dem Schreibtisch lag, unterzeichnete.
„Da hat meine kleine Schwester aber noch viel Arbeit vor sich“, bemerkte Sophie, als sie die Tür hinter sich schloss.
Lächelnd hob ich den Kopf, wies auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch und sie setzte sich. Während sie sich in meinem kleinen Büro umsah, fragte ich: „Und was führt dich hierher außer der Absicht, deiner kleinen Schwester eine Freude zu machen?“
Sie hob eine Akte hoch, die sie wohl schon die ganze Zeit in ihrer Hand gehalten hatte.
„Noch mehr Arbeit?“, stöhnte ich und griff nach dem Dokument.
„Jenny, du hast den Job seit kaum einer Wochen und klagst schon über zu viel Arbeit?“, neckte mich meine ältere Schwester und ich musste schmunzeln.
Sie hatte recht. Den Job als für das Revier meiner Schwester zuständige Staatsanwältin hatte ich erst vor knapp einer Woche angenommen. Doch leider war dieser Jobwechsel mit sehr viel Papierkram verbunden gewesen. Nach einem prüfenden Blick, den sie über die verheerende Unordnung in meinem neuen Büro schweifen ließ, meinte meine Schwester: „Du bist wohl noch nicht dazu gekommen, deine Kartons auszuräumen.“
Ich schüttelte den Kopf: „Nein. Dieser Jobwechsel hat mir noch viel mehr Akten beschert, als ich gedacht hätte. So viele, dass ich heute wahrscheinlich durcharbeiten muss.“ Dann wandte ich den Kopf von Sophie ab und schlug die Mappe auf, die sie mir gegeben hatte. „Ein Drogenfall?“
Sie nickte. „Ja. Tut mir wirklich leid, dass ich dir noch mehr Arbeit bringe, aber als stellvertretende Leiterin dieses Reviers bleibt mir leider nichts anderes übrig.“
Ich lachte und sah wieder zu meiner Schwester auf. „Immerhin ist das ein ziemlich eindeutiger Fall. Ihr habt die Kerle auf frischer Tat mit fast einem Kilo Heroin erwischt. Die wandern erst mal für lange Zeit hinter Gitter.“
Sophie runzelte die Stirn. „Wird das Gericht das auch so sehen? Immerhin ist einer der Täter der Sohn des Bürgermeisters ...“
Ich zuckte mit den Schultern. „Bei der Beweislage könnte er auch der Sohn des Präsidenten sein. Die Verteidigung wird diesen Beweisen nichts entgegensetzen können.“
Ein Lächeln stahl sich auf Sophies Gesicht, als sie erwiderte: „Na, dann bin ich ja froh, dass ich dich nicht allzu sehr mit diesem Fall belaste. So gern ich noch bei dir bleiben würde, aber ich muss noch einigen Papierkram erledigen.“ Ich nickte lächelnd und Sophie verließ mein Büro.
Es war schon ein wenig drunter und drüber gegangen in den letzten Wochen. Erst war meine Schwester von der Teamleiterin zur stellvertretenden Leiterin des Reviers befördert worden und danach hatte Sophie mich als Staatsanwältin in dieses Revier geholt. Sie hatte dafür gesorgt, dass ich in ihrer Nähe war und gleichzeitig meiner Arbeit nachgehen konnte. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Immerhin hatte ich vorher am anderen Ende der Stadt gearbeitet und sie deshalb kaum gesehen. Aber das war mit Sicherheit nicht der einzige Grund für meine Versetzung hierher gewesen. Ich war eine der Staatsanwältinnen mit den besten Aussichten, vor Gericht eine Verurteilung zu erreichen. Zwar arbeitete ich noch nicht lange in dieser Branche, aber ich wusste sehr genau, welche Beweise ich brauchte, um die Grand Jury zu überzeugen. Mein Ruf eilte mir voraus, denn obwohl meine Schwester den Antrag auf meine Versetzung erst vor knapp sechs Tagen abgegeben hatte, saß ich jetzt schon in diesem Büro und machte mich mit den aktuellen Fällen des Reviers vertraut.
Mit