109th. Jessica Oheim

109th - Jessica Oheim


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drehte sich um und erklärte: „Sie gehen hier den Gang hinunter und am Ende nach links. Sie stehen dann in einem Großraumbüro, dort ist es die erste Tür rechts. Klopfen Sie lieber vorher, Jenny hasst es, wenn man einfach so reinplatzt, aber das wissen Sie sicher.“

      Liam lachte, bedankte sich und ging den Gang hinunter. Sophie sah ihm noch kurz nach und dachte: „Warum hat Jenny mir denn nie erzählt, dass sie mit einem so netten jungen Mann zusammenarbeitet?“ Sie schmunzelte bei dem Gedanken, dass da vielleicht mehr gewesen war. Doch den Gedanken verwarf sie ganz schnell wieder. Sophie war sich sicher, dass ihre Schwester ihr davon erzählt hätte. Also setzte sie ihren Weg zum Medienraum fort.

      Als sie an der Tür angelangt war, klopfte sie und von drinnen ertönte Annas Stimme: „Herein.“

      Sophie kam der Aufforderung sogleich nach und betrat den Raum. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, drehte sie sich zu Anna um, die mit einer Fernbedienung in der Hand vor einem Flachbildschirm saß. „Fehlt nur noch das Popcorn“, bemerkte sie und Anna nahm schnell die Füße von dem Tisch vor sich.

      „Ja, und ein guter Film. Diese Überwachungsbänder sind so langweilig.“

      Sophie stellte sich neben ihre Kollegin. „Du hattest also kein Glück.“

      „Nein, so wie ich es vermutet habe, muss der Täter den toten Winkel der Kameras zu seinem Vorteil genutzt haben.“

      Sophie blickte auf den Bildschirm, auf dem aus fünf verschiedenen Kamerawinkeln der dunkle Park zu sehen war.

      „Aber ich bin auch noch nicht ganz durch. Vielleicht passiert doch noch was“, meinte Anna, klang allerdings nicht sehr zuversichtlich.

      „In Ordnung. Ich wollte dich darüber informieren, dass wir das Opfer mittlerweile identifizieren konnten. Lena sucht gerade nach Informationen über die Familie des Mädchens.“

      Anna nickte, aber ihre Aufmerksamkeit richtete sich voll und ganz auf die Videos, die immer noch im Zeitraffer auf dem Bildschirm abliefen.

      „Dann will ich dich mal nicht weiter stören“, sagte Sophie, verließ den Raum und machte sich auf den Weg zurück zu Lena, als ihr Sam entgegenkam.

      „Ah, da bist du ja.“

      „Gibt es schon was Neues von der Forensik?“, wollte Sophie im Gehen wissen.

      Sam drehte sich um und folgte ihr, indem er erwiderte: „Nein. Ich bin denen, wie du gesagt hast, auf die Füße getreten. Aber sie haben mich gewarnt, dass ich, wenn ich noch länger bliebe, die Untersuchung eher behindern als vorantreiben würde.“

      Sophie lachte. Sam nahm immer alles wörtlich, egal, was sie sagte. Aber das war wahrscheinlich der Grund, weshalb er so ein guter Ermittler war.

      „Hat Anna schon etwas gefunden?“, wollte Sam wissen.

      Sophie schüttelte den Kopf: „Nein, aber wir haben das Opfer identifiziert. Lena sucht nach Informationen über die Familie.“

      In dem Moment betraten sie gemeinsam das Großraumbüro und gingen direkt zu Lenas Schreibtisch, die mit gerunzelter Stirn vor ihrem Computer saß.

      „Hast du die Familie von Nancy Tanner schon überprüft?“, fragte Sophie und stellte sich hinter ihre Kollegin.

      Doch diese schüttelte den Kopf und erklärte: „Es gab da ein Problem mit der Akte.“

      „Ein Problem mit der Akte?“, wiederholte Sam.

      Lena nickte. „Ja, ich musste mich mit dem Captain unterhalten und der musste einige Kollegen anrufen, um mir das Dokument zugänglich zu machen.“

      „Haben wir jetzt Zugriff?“, wollte Sophie wissen.

      „Ja, ich wollte mir die Datei gerade ansehen.“ Sie tippte ein paar Befehle in ihren Computer ein. Die Akte öffnete sich und Lena fing an, die Fakten abzulesen: „Ihre Mutter, Claudia Tanner, ist Krankenschwester und ihr Vater, Richard Tanner, ist ...“ Sie stockte, dann sah sie noch einmal genauer hin.

      „Was ist?“, fragte Sophie.

      „Er ist einer von uns. Richard Tanner ist Polizist.“

      *

      Kapitel 2

      „War deshalb die Akte gesperrt?“

      Lena nickte. „Ja, Richard Tanner ist ein Drogenfahnder, der undercover gearbeitet hat. Die Akte wurde gesperrt, da er vor einiger Zeit an den Krause-Geschwistern dran war.“

      Die Krause-Geschwister waren die berüchtigsten Drogendealer in New York. Sie hatten sich eine Art Monopolstellung aufgebaut, die sie zu den reichsten und einflussreichsten Verbrechern New Yorks gemacht hatte. Schon viele Drogenfahnder hatten versucht, sich in die Organisation einzuschleusen, doch bisher war es keinem gelungen, an die Drahtzieher heranzukommen.

      „Aber er ist nicht mal ansatzweise an die Geschwister herangekommen. Nach fast zwei Jahren Undercover-Arbeit gab er auf und verschwand aus dem Umfeld des Drogenkartells. Danach wurde er in den Innendienst versetzt“, führte Lena weiter aus.

      „Haben wir eine Adresse?“, fragte Sophie.

      „Ja, hier.“ Sophie notierte sich die Straße, die Lena ihr auf dem Bildschirm zeigte.

      Als sie sämtliche Informationen über Nancy und ihre Familie zusammengetragen, ausgedruckt und an die Pinnwand geheftet hatten, fiel Lenas Blick noch einmal auf das Bild des toten Mädchens und sie schüttelte traurig den Kopf.

      „Wo kann ein so junges Mädchen nur hineingeraten sein, dass es so endet?“ Natürlich war es immer traurig, wenn jemand ermordet wurde, doch wenn es sich dabei um junge Menschen handelte, die ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt hatten, traf das die Ermittler immer besonders hart.

      „Vielleicht wollte der Täter gar nicht an sie ran, sondern an ihre Eltern. Vielleicht ist es eine Art Warnung oder so etwas“, mutmaßte Sam.

      „Wie meinst du das?“, fragte Lena und drehte sich zu ihm um.

      „Na ja, du hast doch gesagt, dass ihr Vater undercover im Kartell der Krause-Geschwister ermittelt hat.“ Lena nickte. „Vielleicht haben die das herausgefunden und wollten ihm und allen anderen Undercover-Polizisten eine Warnung zukommen lassen.“

      „Aber warum haben sie dann nicht einfach Richard Tanner umgebracht? Und warum haben sie Nancy gefoltert? Es wäre für die doch viel einfacher, den Vater zu erschießen. Nein, für mich sieht das nicht nach einer Tat der Krause-Geschwister aus“, widersprach Lena.

      „So etwas würden sie ja auch niemals selbst tun. Wahrscheinlich haben sie jemanden angeheuert, der das Problem löst.“

      Doch Lena schüttelte den Kopf. „Ein Auftragskiller hätte das Mädchen sicher nicht gefoltert. Der Täter wollte entweder etwas von ihr wissen, oder er wollte ihr schlichtweg Schmerzen zufügen.“

      ***

      „Ich stimme Lena zu, das sieht nicht nach den Krause-Geschwistern aus“, meinte ich und trat hinter die drei.

      „Oh, hey Jenny. Hattest du schon mal mit den Krause-Geschwistern zu tun?“, begrüßte Sam mich.

      „Nicht mit ihnen direkt, aber mit einigen ihrer Auftragskiller. Die hätten das arme Mädchen nicht gefoltert, sondern ihr einfach eine Kugel in den Kopf gejagt. Eine Tat wie diese ist viel zu schwer zu vertuschen und außerdem hätte ein Auftragskiller sie niemals auf diese Bank drapiert. Das wäre doch viel zu auffällig gewesen“, erklärte ich.

      „Du musst aber schon oft mit diesen Kerlen zu tun gehabt haben, wenn du ihre Angewohnheiten so genau kennst“, bemerkte Sam und sah mich fragend an.

      Ich zuckte mit den Schultern. „Fünf Auftragskiller der Krause-Geschwister sitzen meinetwegen lebenslänglich im Gefängnis. Deswegen kenne ich mich mit deren Methoden


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