Liebst Du mich auch?. Patricia B. McConnell

Liebst Du mich auch? - Patricia B. McConnell


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zu helfen. Trotzdem sind wir alle bis zu einem gewissen Maß auf die Beschreibungen des Besitzers angewiesen, und je genauer diese Beschreibung ist, desto besser.

      Wir lassen uns sehr leicht von der Neigung überwältigen, Vermutungen über die Gedanken und Gefühle des Hundes anzustellen, anstatt einfach nur sein Verhalten zu beschreiben. Das gilt offenbar universell für alle von uns, Sie müssen sich also nicht schuldig fühlen, wenn Sie sich selbst dabei ertappen. Eigentlich ist das im Grunde ja eine interessante Fähigkeit, die uns oft nützt. Dass wir zum Mitfühlen fähig sind oder dazu, uns selbst an die Stelle eines anderen zu versetzen und uns vorzustellen, was in dessen Kopf vorgehen könnte, ist eine sehr praktische Eigenschaft. Sie können diese Information dazu verwenden, das zukünftige Verhalten eines Individuums vorauszusehen und dann entscheiden, wie Sie selbst sich verhalten werden. Nehmen wir einmal an, Ihr Hund verhält sich genau so, wie Sie sich verhalten würden, wenn Sie Angst vor Besuchern hätten. Mit Ihrer Fähigkeit, sich seine Gefühle vorstellen zu können, positionieren Sie ihn gedanklich vielleicht in seine Box anstatt einen Hund vor Ihrem inneren Auge zu sehen, der sich gegen eine erzwungene Interaktion wehrt. Anschließend können Sie Ihre Annahme bezüglich seiner Gefühle an der Haustür dazu verwenden, ihm dabei zu helfen, sich bei der Ankunft von Gästen wohler zu fühlen. Wir nehmen diese Fähigkeit zum Hineinversetzen als etwas Selbstverständliches an und setzen sie ständig ein, dabei ist sie eine fortgeschrittene geistige Leistung – so fortgeschritten, dass wir nicht einmal wissen, in welchem Maß andere Lebewesen sie auch haben.

      So hilfreich dieses Mitfühlen auch ist, so kann es doch auch der Weg ins Verderben sein. Falsche Annahmen darüber, was im Kopf eines anderen Individuums vorgeht, haben so manche Ehe zerstört und eine große Anzahl von Mensch-Hund-Beziehungen durcheinander gebracht. Ich hatte Kunden, die mir berichteten, ihr Hund sei »ärgerlich«, wenn sie das Haus verließen, dabei drückte er mit sämtlichen visuellen Signalen Angst und Unruhe aus. Manche Hunde, die bei der Ankunft von Besuch »wahnsinnig werden«, handeln so, als hätten sie Angst, während andere, die mit den gleichen Worten beschrieben werden, ganz außer sich vor Freude sind. Weil uns das also so enorme Schwierigkeiten machen kann, könnte man durchaus mit den radikalen Behavioristen sympathisieren, die immer wieder betonen, Vermutungen zum inneren Zustand von Tieren seien zu vermeiden. Gefühls- und Geisteslage eines Tieres zu ignorieren, um keine falschen Annahmen über sie zu machen, ist aber so, als würde man das Kind mit dem Bade ausschütten. Es gibt immer einen Weg, das schmutzige Wasser abzulassen und das Kind trotzdem in der Wanne zu behalten. Eine Möglichkeit dazu ist, zwischen objektiven Beschreibungen von Verhalten und Vermutungen darüber, was im Kopf des Hundes vorgehen könnte, unterscheiden zu lernen.

      Der erste Schritt ist leicht – fangen Sie einfach damit an, auf Ihre eigenen Beschreibungen des Verhaltens Ihres Hundes zu achten. Sind es klare Beschreibungen darüber, was genau der Hund tut, oder springen Sie schon zu Schlussfolgerungen über, warum Ihr Hund sich auf diese Weise verhält?

      Führen Sie ein geistiges Notizbuch, wie oft Sie das Verhalten Ihres Hundes objektiv beschreiben (»Wenn es an der Tür klingelt, beginnt er im Kreis zu rennen und an der Tür hochzuspringen. Er bellt wiederholt in hoher Tonlage und wedelt so heftig mit dem Schwanz, dass sein ganzer Körper mitwackelt, seine Augen sind irgendwie halb geschlossen und sein Maul ist geöffnet.«) und wie oft Sie beschreiben, was der Hund Ihrer Meinung nach denkt oder fühlt (»Er liebt Besuch! Er wird ganz verrückt, wenn Gäste kommen.«). Missverstehen Sie mich nicht: Ich behaupte nicht, dass wir zwangsweise falsch liegen, wenn wir beschreiben, wie wir uns den Gefühlszustand eines Hundes vorstellen. Ich habe jeden Grund zu der Annahme, dass der oben beschriebene Hund es tatsächlich liebt, wenn Besuch ins Haus kommt. Ich lege Ihnen auch nicht nahe, dass Sie künftig im Alltag nur noch in der Sprache einer Wissenschaftszeitung reden sollen. Wichtig ist nur, dass Sie wissen, was der Unterschied zwischen einer Beschreibung eines Verhaltens und Ihrer Interpretation dazu ist, was es bedeuten könnte.

      Und wenn Sie schon dabei sind, könnten Sie das Gleiche vielleicht auch einmal in den Interaktionen mit Ihren Mitmenschen ausprobieren und sich fragen, wie oft Sie gedanklich das Verhalten eines anderes objektiv beschreiben (»Ihre Stimme war flach; ihre Lippen lächelten, aber ihre Augen nicht.«) und wie oft Sie sofort zu Deutungen (»Sie hasst mich.«) oder Beurteilungen (»Sie ist so eine Hexe.«) springen. Ich sage das nicht als Hundetrainerin/Ethologin, die zur Autorin von »Wie-helfe-ich-mir-selbst«-Ratgebern mutieren möchte, sondern deshalb, weil Sie vieles für Ihren Umgang mit Hunden lernen können, indem Sie in all Ihren sozialen Interaktionen aufmerksamer sind. Eine meiner Kundinnen deutete das Verhalten Ihres neuen Hundes andauernd so, dass er sie »testen« wolle. Mit jeder Missetat versuchte dieser Hund angeblich, über sie »Dominanz« zu gewinnen und die Grenzen im Haus zu seinen Gunsten zu verschieben. Aber jedes Mal, wenn ich diesen Hund sah, bog er sich fast in Bretzelform zusammen, weil er versuchte, den Schwanz unten zu halten, den Kopf tiefer als die Schultern und dabei ein unterwürfiges Grinsen zeigte. Gegenüber der Kundin verhielt er sich genauso, woraus ich schloss, dass er deshalb durch die Tür drängelte, auf Betten sprang und die Katzen jagte, weil er es nicht besser wusste. Als ich seine Besitzerin nach und nach besser kennen lernte, fiel mir auf, dass sie das Verhalten aller ihrer menschlichen Freunde genauso deutete. Genau wie sie haben wir alle Filter, durch die wir die Welt interpretieren – passen Sie auf, dass Ihre nicht abfiltern, wer Ihr Hund wirklich ist.

      IHR HUND BEOBACHTET SIE

      Und was ist mit unseren Hunden? Beobachten sie uns und machen sie ihre eigenen Deutungen? Ihr Hund stellt zwar vielleicht keine komplizierten intellektuellen Analysen jeder einzelnen Ihrer Bewegungen an, aber ich vermute, dass der bekannte Trainer und Autor Brian Kilcommons Recht hat, wenn er sagt, dass Hunde brillant darin sind, den Gefühlszustand ihrer Menschen zu erkennen. Was sonst haben sie schon den ganzen Tag lang zu tun, fragt er, als uns mit Adleraugen zu beobachten und buchstäblich in jeder Minute unseren Puls zu fühlen? »Ist sie glücklich?« fragen sich Ihre Hunde vielleicht. »Sauer? Sollte ich lieber rausgehen?« Es leuchtet ein, dass es für Hunde wichtig und relevant sein muss, eine Vorstellung davon zu haben, was wir, ihre Sozialpartner, denken und fühlen. Das heißt ja nicht, dass Hunde uns zu Füßen liegen und sich fragen, ob wir uns fragen, was sie sich gerade fragen. Aber ganz bestimmt ist es für sie vorteilhaft, wenn sie so viel von unseren Gefühlen verstehen, um einzuschätzen, wie das sich auf die unmittelbare Zukunft auswirken könnte (»Oh je, sie sitzt am Computer und hat gerade dieses tiefe Zischgeräusch gemacht, das immer kommt, bevor sie laut und unangenehm zu schreien beginnt. Am besten stehe ich unauffällig auf und gehe mich ins Wohnzimmer legen.«).

      Eine tolle Frage, die Sie sich einmal stellen könnten, ist: Wie würde Ihr Hund Ihr Verhalten beschreiben und wie würde er es deuten? Einer der häufigsten Fehler von Hundebesitzern ist, dass sie annehmen, ihr Hund »wüsste«, was sie denken oder fühlen. Oft beruht das auf wenig mehr als nur einem frommen Wunsch, denn nicht einmal ein anderer Mensch kann das erraten. Gehen Sie doch zum Beispiel zu einer beliebigen Hundeschule und Sie werden früher oder später einen schroffen Typen sehen, der seinen Sheltie dafür knufft und klopft, dass er auf Zuruf gekommen ist. Mit tiefer Stimme sagt er »GUTER HUND!« und klopft auf den Hund wie einem guten alten Kneipenkumpel auf die Schulter, während der Sheltie zittert und sich klein macht, weil er das Ganze als Strafe deutet.

      Versuchen Sie einmal, sich ein oder zwei Tage lang in die Haut Ihres Hundes zu versetzen und fragen Sie sich, wie der Ihr Verhalten beschreiben würde, wenn er es aufschreiben könnte. (Dem Himmel sei Dank, dass Hunde das nicht können.) Vermutlich ist Ihr Hund im Beobachten wesentlich besser als Sie – wir Menschen achten so stark auf die gesprochene Sprache, dass es uns oft daran hindert, zu sehen, was um uns herum vorgeht. Eine besonders nützliche (und manchmal für uns schmerzliche) Methode, sich selbst mit den Augen des Hundes zu betrachten, ist es, wenn Sie sich von jemandem dabei filmen lassen, wie Sie mit dem Hund umgehen. Wie die meisten Menschen tun Sie wahrscheinlich Dinge, von denen Sie gar nichts wussten. Ihr Hund kennt Sie, aber da Sie ihn nicht fragen können, sind Sie am besten damit beraten, sich so zu betrachten zu versuchen, wie Ihr Hund das tut. Jeder von uns macht gewohnheitsmäßige Bewegungen oder zeigt gewohnheitsmäßige Gesichtsausdrücke, die unsere Freunde eher bemerken als wir selbst. Das ist nicht weiter erstaunlich – schließlich haben wir nicht einen Spiegel vor uns installiert, in den wir den ganzen Tag hineinschauen. Wir sehen uns selbst von innen


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