Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp
dass die allgemeine Vorschrift obsolet wird, wie die anschließenden Ausführungen zeigen werden. Sie deckt sämtliche vorstellbaren Fälle außerhalb des Bereiches von Vergütungen bzw. anderer spezialgesetzlicher Regelungen ab, die nicht gesetzlich festgeschrieben werden konnten. Nur insoweit kann von dem allgemeinen Verbot von einer Art „Auffangvorschrift“ gesprochen werden: Die Regelung erfasst alle Konstellationen, die Mandatsträger grundsätzlich benachteiligen oder begünstigen können, die für den Gesetzgeber aber weder überschaubar noch absehbar waren, so dass er sie eigens hätte regeln können. Nimmt man ein Spezialitätsverhältnis zwischen beiden Vorschriften an – wie es teilweise auch vertreten wird –365, lässt dies im Ergebnis keine andere Konsequenz als die der Verdrängung der Generalnorm zu.
Eine Ausnahme hiervon ließe sich allenfalls hinsichtlich der beruflichen Entwicklung der Betriebsratsmitglieder feststellen. Denn § 78 S. 2 Hs. 2 BetrVG bezieht das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot nach seinem Wortlaut auch auf die berufliche Entwicklung der Mandatsträger und erklärt damit das Verbot des § 78 S. 2 BetrVG neben anderen Vorschriften, insbesondere den Regelungen des § 37 BetrVG ausdrücklich für anwendbar. Allerdings ist damit lediglich die tatsächliche Entwicklung der Mandatsträger gemeint, d.h. ihr wirkliches berufliches Fortkommen und nicht bereits auch die in § 37 Abs. 4 BetrVG geregelte Entgeltentwicklung aufgrund des Aufstieges vergleichbarer Arbeitnehmer. Entgeltfälle werden auch dadurch von § 78 S. 2 BetrVG nicht erfasst. Hätte der Gesetzgeber dies gleichermaßen für die Vergütung der Betriebsratsmitglieder gewollt, hätte er einen entsprechenden Hinweis auf das Entgelt mit Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 oder der Reform im Jahr 2001 ohne weiteres in die Vorschrift mit aufnehmen können. Er hat sich aber lediglich für eine Verdeutlichung hinsichtlich der beruflichen Entwicklung entschieden.366 Das kann allenfalls indirekt Bedeutung für die Vergütung der Mandatsträger erlangen.
Dass Betriebsratsmitglieder allerdings auch hinsichtlich der Vergütung nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen, wird mit den speziellen Normen bereits ausreichend gesichert, ohne dass ein Rückgriff auf das allgemeine Verbot notwendig ist. Zum einen gewährleisten das die Regelungen des § 37 BetrVG selbst, zum anderen besteht ein entsprechender Schutz über die Strafvorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Die darin mit Strafe bewehrte Benachteiligung oder Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern ist zwar dem § 78 S. 2 BetrVG ähnlich, es handelt sich aber nicht um identische Tatbestände.367 Stellt sich eine konkrete Vergütung als Benachteiligung oder Begünstigung dar, bestehen somit keine Schutzlücken, da sie von dem Straftatbestand ebenso erfasst wird. Der Schutz der Betriebsratsmitglieder im Hinblick auf ihre Vergütung ist mit den eigenen Rechtsfolgen und Strafvorschriften ausreichend gesichert.
Vergütungsfragen bei Betriebsratsmitgliedern sind im Ergebnis daher ausschließlich an den speziellen Regelungen des § 37 BetrVG zu messen.
IV. Verbleibender Anwendungsbereich des § 78 S. 2 BetrVG
Mit der Annahme eines die allgemeine Norm verdrängenden Spezialitätsverhältnisses stellt sich die Frage, wann die Vorschrift des § 78 S. 2 BetrVG Anwendung findet und ob sie bei vergütungsrechtlichen Fragen noch Bedeutung erlangen kann.
1. Allgemeine Anwendungsfälle des § 78 S. 2 BetrVG
Das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot in § 78 S. 2 BetrVG ist immer dann einschlägig, wenn eine speziellere Vorschrift nicht greift. Das bedeutet in der hier betrachteten Konstellation, dass es sich für eine Anwendung des § 78 S. 2 BetrVG um keinen besonders geregelten Fall der Vergütung eines Betriebsratsmitgliedes handeln darf. Ausdrücklich angeordnet ist die Geltung der allgemeinen Verbote nach § 78 S. 2 Hs. 2 BetrVG aber auf die berufliche Entwicklung der Betriebsratsmitglieder, so dass eine gleichzeitige Anwendung jedenfalls neben § 37 Abs. 5 BetrVG aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausnahmsweise möglich ist.
Abgesehen davon verbleiben der Vorschrift weitere, eigenständige und von der Vergütung unabhängige Anwendungsbereiche. Das betrifft sämtliche Maßnahmen und Handlungen, die ein Betriebsratsmitglied benachteiligen oder begünstigen können. Auf die Art der Maßnahme kommt es dabei nicht an, solange es sich nicht um einen anderweitig gesetzlich geregelten Fall handelt, wie z.B. den Kündigungsschutz nach § 15 KSchG. Die Möglichkeiten sind hier vielfältig und reichen von Zuweisung anderer unangenehmerer oder beliebterer Arbeiten über Versetzungen in größere bzw. kleinere Büros, eine ungerechtfertigte Versagung von Urlaub zum gewünschten Termin, die Erwähnung der Betriebsratstätigkeit im Arbeitszeugnis entgegen dem ausdrücklichen Willen des Mandatsträgers, und vieles mehr.368 Die Verleihung eines Titels oder einer besonderen Ehrenposition fällt ebenfalls darunter. Auch ein Versprechen und bloßes Inaussichtstellen von Vor- oder Nachteilen kann sich bei einem Betriebsratsmitglied als Benachteiligung oder Begünstigung darstellen und nach der Vorschrift verboten sein.
Ein weiterer Anwendungsbereich des § 78 S. 2 BetrVG in Abgrenzung zu Vergütungsfällen betrifft Zahlungen, die Mitgliedern des Betriebsrates unabhängig von ihrem Entgelt und den dazugehörigen Zulagen oder Zuschlägen, z.B. einmalig und ohne besonderen Grund, gewährt werden. Sind solche Zuwendungen nicht als Entgelt zu qualifizieren, können sie nicht an den Vergütungsvorschriften des § 37 BetrVG, sondern müssen an dem allgemeinen Verbot gemessen werden. Anderenfalls könnte das Unentgeltlichkeitsprinzip ohne weiteres umgangen werden. Der Anwendungsbereich wird hier aber gering sein, da finanzielle Zuwendungen in der Regel als (verstecktes) Entgelt einzustufen sein werden. Nach § 78 S. 2 BetrVG zu bewerten wären beispielsweise Trinkgelder, für die der Arbeitgeber arbeitsvertraglich nicht einsteht. Aber auch bei Zahlungen eindeutig ohne Entgeltcharakter ist stets eine genaue Einordnung und Abgrenzung vorzunehmen. Schließlich können neben den speziellen Vergütungsvorschriften auch andere Sonderregelungen, wie beispielsweise für Aufwendungsersatz oder sonstige Kosten des Betriebsrates (vgl. § 40 BetrVG) einschlägig sein und die Regelung des § 78 S. 2 BetrVG in ihrer Anwendbarkeit möglicherweise verdrängen. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung können sich in Grenzfällen, wie z.B. bei versteckten Entgeltzahlungen, ergeben, die als solche nicht gleich erkennbar sind. Jedenfalls besteht auch für solche Zahlungen keine Schutzlücke, sie können im Zweifel ausreichend über § 78 S. 2 BetrVG geregelt werden.
Darüber hinaus ist aber auch die Gewährung sonstiger ausgleichender Rechtspositionen, wie z.B. Zusatzurlaub, an § 78 S. 2 BetrVG zu messen.369
Im Bereich der Vergütung kann die Vorschrift zwar nicht für Betriebsratsmitglieder, aber unter Umständen für die Mandatsträger der anderen, in § 78 S. 1 BetrVG genannten Gremien relevant werden. Das ist immer der Fall, wenn für Mitglieder dieser Institutionen keine eigenen entsprechenden Vergütungsvorschriften vorhanden sind. Dann müsste das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot sicherstellen, dass sie auch keine finanziellen Vor- oder Nachteile erfahren. Zwar wird der Anwendungsbereich relativ gering sein, weil bei den meisten in § 78 S. 1 BetrVG genannten Gremien ohnehin eigene Regelungen oder ein Verweis auf die speziellen Vergütungsvorschriften für Betriebsratsmitglieder existieren.
Aber beispielsweise bei Angehörigen einer Einigungsstelle, die nach § 76 Abs. 3 BetrVG eine Vergütung erhalten, fehlt eine gesetzliche Regelung zu den Einzelheiten des Entgeltes. Die Vergütung ist durch Rechtsverordnung (vgl. § 76 Abs. 4 BetrVG) im Einzelnen festzulegen. Hier ist dann jedoch § 78 S. 2 BetrVG zu beachten.370 Auch bei Angehörigen des Wirtschaftsausschusses, die nicht zugleich in dem Betriebsrat sind, fehlen ausdrücklich Regelungen zur Vergütung oder ein entsprechender Verweis. Für sie werden jedenfalls die § 37 Abs. 1 bis 3 BetrVG teilweise analog angewendet,371 was sich aus dem allgemeinen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot ergeben soll.372 Ob eine analoge Anwendung überhaupt notwendig ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind die Angehörigen der in § 78 S. 1 BetrVG aufgezählten Gremien, für die keine eigenen Entgeltregelungen bestehen, über § 78 S. 2 BetrVG auch in finanzieller Hinsicht entsprechend geschützt und dürfen im Hinblick auf ihr Entgelt weder benachteiligt noch begünstigt werden.
2. Anwendung im Bereich der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
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