Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp

Die Vergütung von Betriebsräten - Martina Schlamp


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Fällen – wenn auch nur mittelbar – Einfluss auf die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern haben. Einer der Hauptanwendungsbereiche wird hier die Konstellation sein, bei der Entgeltzahlungen an Betriebsratsmitglieder zwar noch nicht tatsächlich geleistet wurden, sie aber zum Beispiel durch vertragliche Abreden in Aussicht gestellt werden.373 Das betrifft das Betriebsratsentgelt im weiteren Sinne, § 37 BetrVG greift aber (noch) nicht. Ebenso kann sich eine tatsächliche Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz auf die Vergütung auswirken und nach § 78 S. 2 BetrVG zu beurteilen sein.374

      Darüber hinaus ist es denkbar, dass § 78 S. 2 BetrVG für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern eine Rolle spielt, wenn die Regelungen des § 37 BetrVG noch nicht bzw. nicht mehr greifen. Die speziellen Vergütungsvorschriften sind – im Gegensatz zu § 78 S. 2 BetrVG – in ihrem Schutzzeitraum teilweise ausdrücklich eingeschränkt. Während dieser spezialgesetzlich geregelten Geltungszeiträume findet § 78 S. 2 BetrVG keine Anwendung. Da für die Geltung des allgemeinen Verbotes aber keine zeitliche Begrenzung angenommen wird,375 könnten die Mandatsträger vor Übernahme ihres Amtes oder nach Beendigung der Amtszeit über dieses noch einen weitergehenden Schutz auch in finanzieller Hinsicht erfahren.

      Zu einer möglichen Vorwirkung enthält § 37 BetrVG keine spezielle Regelung, so dass § 78 S. 2 BetrVG für zur Betriebsratswahl stehende Arbeitnehmer grundsätzlich eingreifen könnte. Dennoch ist ein solcher vorwirkender Schutz vor der Wahl aber abzulehnen.376 Das ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 78 S. 1 und S. 2 BetrVG „Mitglieder des Betriebsrats“ und „wegen ihrer Tätigkeit“. Beides trifft auf zur Wahl stehende Arbeitnehmer noch nicht zu. Außerdem besteht bereits mit der Strafvorschrift der unzulässigen Wahlbeeinflussung nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein ausreichender Schutz vor Amtsübernahme. In dem Zeitraum zwischen der Wahl und der tatsächlichen Amtsübernahme muss das Verbot allerdings greifen, um Schutzlücken zu vermeiden. Gewählte Arbeitnehmer gelten außerdem bereits als Betriebsratsmitglieder.377

      Demgegenüber wird fast einheitlich vertreten, dass ein zeitlich unbegrenzter nachwirkender Schutz durch § 78 S. 2 BetrVG besteht.378 Die wirtschaftliche Sicherung der Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 4 BetrVG erstreckt sich ausdrücklich auf ein Jahr nach Ende der Amtszeit, für über drei volle Amtszeiten hinweg freigestellte Betriebsräte erhöht § 38 Abs. 3 BetrVG diesen Zeitraum auf zwei Jahre. Über diese vorgegebenen Geltungszeiträume hinaus darf ein früheres Betriebsratsmitglied aber trotzdem nicht finanziell benachteiligt oder begünstigt werden.379 Es wäre durchaus denkbar, dass ein Arbeitgeber auch Jahre später Zuwendungen an ehemalige Betriebsratsmitglieder macht oder diesen finanzielle Vorteile vorenthält.

      Dagegen wird nicht einheitlich beurteilt, ob für Ersatzmitglieder ein Schutz über § 78 S. 2 BetrVG – auch hinsichtlich der Vergütung – besteht. Ohne Zweifel gelten sämtliche Schutzvorschriften bei Eintritt des Ersatzfalles wie für alle anderen Betriebsratsmitglieder, auch wenn nur eine vorübergehende Vertretung erfolgt.380 Davor ist eine Geltung ebenfalls abzulehnen.381 Im Vergleich zu bloßen Wahlbewerbern, bei denen die Anwendung des § 78 S. 2 BetrVG noch abgelehnt wird, sind Ersatzmitglieder zwar schon gewählt, es besteht aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie jemals – auch nur zeitweise – das Amt übernehmen werden. Außerdem besteht für sie ein ausreichender Schutz über § 75 BetrVG sowie individualvertraglich nach den §§ 242, 612a BGB, § 106 GewO und dem AGG.382 Eine Nachwirkung des Verbotes nach § 78 S. 2 BetrVG für Ersatzmitglieder ist jedoch anzunehmen, wenn sie zumindest einige Zeit als Betriebsrat tätig waren.383

      Trotz unterschiedlichen Auffassungen zu dem Verhältnis von § 37 und § 78 S. 2 BetrVG sowie den daraus zu ziehenden Konsequenzen wird in der Literatur häufig vertreten, dass das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot zur Auslegung der speziellen Vergütungsvorschriften herangezogen werden kann bzw. muss.384 Auch das BAG hat sich in einer frühen Entscheidung dahingehend geäußert, dass die allgemeinen Verbote bei Unklarheiten der speziellen Vorschrift angewendet werden müssten.385 Eine Ansicht vertritt überdies, dass die Heranziehung dieser Verbote zur Auslegung und Ergänzung sämtlicher Normen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht nur optional erfolgen könne, sondern bezeichnet es (tautologisch) sogar als eine „obligatorische Verpflichtung“.386 Für eine solche Annahme spricht, dass § 78 S. 2 BetrVG als eine Art „Leitprinzip“ des Betriebsverfassungsgesetzes angesehen wird387 und es schon wegen seiner großen Bedeutung und den darin enthaltenen wichtigen Grundsätzen eigentlich stets Beachtung finden müsste.

      Zwar ist es in der Methodenlehre nicht zwingend vorgesehen, dass bei der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität automatisch die allgemeinere Vorschrift als Auslegungshilfe heranzuziehen ist. Immerhin enthält die spezielle Vorschrift des § 37 BetrVG in den Absätzen 1 bis 4 eine eigenständige, abschließende Regelung. Sie steht dem aber auch nicht entgegen. Trotzdem und gerade weil hier wegen des Funktionswandels teilweise eine Auslegung im Einzelfall vorzunehmen ist, können bzw. müssen bei dieser wegen der Einheit der Rechtsordnung und der bedeutenden Grundsätze die Gedanken des § 78 S. 2 BetrVG Berücksichtigung finden. Nur so kann man zu einem angemessenen, den Grundprinzipien des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechendem Ergebnis gelangen. Diese Annahme führt aber trotzdem zu keiner gleichzeitigen Anwendung der beiden Vorschriften, auch weiterhin sind die eigenständigen Regelungen des § 37 BetrVG zu respektieren. Die in § 78 S. 2 BetrVG enthaltenen Gedanken sind lediglich bei Zweifeln oder einer Auslegung heranzuziehen.

      Die Ausführungen zeigen, dass das allgemeine Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG durchaus auch Relevanz bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern entfalten kann. Nicht nur im weiteren Sinne bei Abschluss entsprechender Vereinbarungen sowie in den Zeiträumen vor und nach der Amtsübernahme kann die Regelung Anwendung finden, sondern auch bei der Auslegung können die Grundgedanken der Vorschrift herangezogen werden. Daher ist der Grundsatz im Folgenden genauer zu betrachten.

       I. Adressaten des Verbotes

      Die Regelung des § 78 S. 2 BetrVG ist als gesetzliches Verbot ausgestaltet, das sich in erster Linie an den Arbeitgeber sowie die für ihn handelnden Personen richtet. Es gilt nach allgemeiner Ansicht jedoch grundsätzlich für jedermann.388 In § 78 BetrVG werden die Normadressaten nicht ausdrücklich genannt, dadurch aber auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.

      Zutreffend erscheint die Annahme eines weiten Adressatenkreises bereits wegen des Schutzzwecks der Norm und der anderenfalls bestehenden einfachen Möglichkeit der Umgehung der Regelung. Zwar werden sowohl benachteiligende als auch begünstigende Handlungen praktisch am häufigsten von Arbeitgebern ausgehen. Er kann die Tätigkeit der Betriebsratsmitglieder am einfachsten und mit den meisten Möglichkeiten zu seinem eigenen Vorteil beeinflussen und daraus den wohl größten Nutzen ziehen.389 Es ist aber durchaus denkbar, dass auch andere Personen oder Personengruppen in irgendeiner Weise eigennützig auf Betriebsratsmitglieder Einfluss nehmen. Daher richtet sich auch das Unentgeltlichkeitsprinzip in § 37 Abs. 1 BetrVG nicht nur an den Arbeitgeber, sondern ebenso an Dritte.390

      Das Verbot findet Anwendung auf alle im Betrieb tätigen Personen, d.h. sämtliche Arbeitnehmer, leitende Angestellte sowie andere Betriebsangehörige, die nicht zugleich Arbeitnehmer sind (vgl. § 5 Abs. 2 BetrVG).391 Dasselbe gilt für Angehörige desselben Gremiums untereinander392 sowie zwischen Mitgliedern verschiedener – beispielsweise in einem Konzern – bestehender Gremien,393 sie sind gleichermaßen daran gebunden. Das betrifft beispielsweise die Beziehung zwischen dem Konzern- oder Gesamtbetriebsrat zu den Betriebsräten, unter einzelnen Betriebsratsmitgliedern oder zwischen einem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten und dem Betriebsrat. Verbotsadressaten sind außerdem Arbeitgeber anderer Betriebe, ebenso Vertreter von Unternehmen, die zu demselben Konzern gehören, sowie diejenigen Stellen, die den Zugang von Betriebsratsbeauftragten zu dulden haben.394 Für außerbetriebliche Personen und Einrichtungen gilt das Verbot ebenfalls uneingeschränkt. Damit sind nicht nur Gewerkschaften und ihre Funktionäre gemeint, unabhängig


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