Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp

Die Vergütung von Betriebsräten - Martina Schlamp


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von außen sollen damit von einem Betrieb ferngehalten werden. Trotz dieses weiten Adressatenkreises betrifft das Verbot in der Praxis überwiegend Maßnahmen des Arbeitgebers.396

      Bei dem Verbot der Benachteiligung und Begünstigung handelt es sich um eine Schutzvorschrift, die unter anderem den Mitgliedern des Betriebsrates eine freie und unabhängige Amtsausübung garantieren soll. Zu betrachten sind hier ausschließlich die Mitglieder des Betriebsrates bzw. des Gesamt- und Konzernbetriebsrates. Obwohl letztere zugleich Angehörige des Betriebsrates sind und das Verbot bereits deshalb für sie gelten würde, wird mit ihrer Nennung in § 78 S. 1 BetrVG ausdrücklich klargestellt, dass sich der Schutzkreis ebenso auf die Amtstätigkeit für das jeweilige Gremium erstreckt.397

      Nicht immer einheitlich beurteilt wird, ob das Verbot des § 78 S. 2 BetrVG nur einen individuellen Charakter besitzt oder sich dessen Schutz darüber hinaus auch auf den Betriebsrat als Gremium erstreckt. Relevant werden kann diese Frage bei der Beurteilung eines möglichen Verstoßes gegen das Benachteiligungs- oder Begünstigungsverbotes immer dann, wenn bestimmte Maßnahmen nur für oder gegen den Betriebsrat als Institution wirken. Vor allem für den Arbeitgeber dürfte im Hinblick auf mögliche Konsequenzen interessant sein, ob er auch mit Maßnahmen, die den Betriebsrat als Ganzes betreffen, gegen das Verbot verstoßen kann.

      Teilweise wird der Schutz des § 78 S. 2 BetrVG auch gremienbezogen und nicht nur auf einzelne Funktionsträger begrenzt angesehen.398 Dagegen soll nach anderer Auffassung das Verbot gerade keinen Organschutz bieten, sondern lediglich die einzelnen Mandatsträger schützen.399 Dem ist zuzustimmen. Der Schutzumfang des Benachteiligungs- und Begünstigungsverbotes nach § 78 S. 2 BetrVG ist nur bezogen auf die Mitglieder des Betriebsrates zu verstehen. Eine entsprechende Handlung, die nur für oder gegen das Gremium wirkt, wird daher nicht von dem Verbot erfasst. Das hat keine Schutzlücke zur Folge, weil die Beeinträchtigung eines Organs in Form einer Benachteiligung oder Begünstigung – im Gegensatz zu einer Störung oder Behinderung nach § 78 S. 1 BetrVG – ohnehin nur über die das Gremium verkörpernden Personen erfolgen kann.400 Dieser Unterschied zeigt sich deutlich darin, wie die nach § 78 S. 1 oder nach S. 2 BetrVG verbotenen Maßnahmen und Handlungen wirken. Störungs- oder Behinderungsmaßnahmen treffen zwar meist die hinter dem Organ stehenden Einzelpersonen, können aber ebenfalls die Arbeit der betriebsverfassungsrechtlichen Institution erschweren oder sogar verhindern.401 Benachteiligende oder begünstigende Maßnahmen können sich dagegen grundsätzlich nur gegen die hinter dem Gremium stehenden Einzelpersonen und nicht gegen den Betriebsrat als Ganzes richten. Etwas anderes könnte allenfalls bei der Sachmittelausstattung des Betriebsrates angenommen werden. Hier wäre eine Benachteiligung oder Begünstigung des gesamten Gremiums zumindest denkbar, ist letztendlich aber ebenfalls abzulehnen.402 Allein deren Feststellung, d.h. der Eintritt eines Vor- oder Nachteils bei dem Gremium, wäre nur schwer möglich. Eine Begünstigung könnte nur dann angenommen werden, wenn von der Maßnahme einzelne Mandatsträger direkt betroffen sind und sie sich bei ihnen als Vorteil auswirken. Darüber hinaus sind kaum entsprechende Szenarien vorstellbar. Gegen eine Annahme von „Organschutz“ spricht bereits der mit der Neufassung des Gesetzes im Jahr 1972 neu eingefügte Halbsatz 2 in § 78 S. 2 BetrVG, nach dem sich das Verbot ausdrücklich auch auf „ihre berufliche Entwicklung“ erstreckt. Dieser Hinweis würde sich nicht auf den Betriebsrat als Ganzes übertragen lassen. Eine Institution kann logischerweise keine berufliche Laufbahn durchlaufen und damit keine berufliche Entwicklung nehmen.

      In Rechtsprechung und Literatur wird nicht immer genau zwischen dem Schutzbereich und dem Schutzzweck der Vorschrift differenziert.403 Auch wenn sich der Schutzumfang des Verbotes in § 78 S. 2 BetrVG nicht auf den Betriebsrat als Gremium erstreckt, ist der Vorschrift jedenfalls ein gremienbezogener Schutzzweck nicht abzusprechen. Zwischen dem geschützten Kreis der Vorschrift und dem Zweck des Schutzes ist klar zu trennen. So kann das Verbot nach § 78 S. 2 BetrVG durch seine einzelnen Mitglieder indirekt gremienschützende Wirkung entfalten. Denn selbst wenn bestimmte Maßnahmen lediglich die hinter einem Gremium stehenden Personen treffen, hat eine Benachteiligung oder Begünstigung eines Betriebsratsmitgliedes automatisch auch immer Auswirkungen auf die Institution.

      Die Regelung in § 78 S. 2 BetrVG stellt ein Maßregelungsverbot und zugleich ein Verbot der Gewährung von Vorteilen dar, das in erster Linie dem Schutz der freien Amtsausübung der Betriebsratsmitglieder dienen soll.404 Das bedeutet aber nicht, dass jede Ungleichbehandlung von Betriebsratsmitgliedern automatisch entweder als Benachteiligung oder Begünstigung i.S.d. § 78 S. 2 BetrVG einzustufen wäre. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind.

      Das Betriebsverfassungsgesetz selbst enthält keine allgemeingültige Definition der beiden Begriffe. Nur selten findet man im Schrifttum weitergehende Ausführungen, die sich damit näher beschäftigen. Meist werden ausschließlich oder unterstützend Einzelfall-Beispiele aus der Rechtsprechung zur Darstellung und Abgrenzung der Begrifflichkeiten verwendet. Die wenigen Begriffserklärungen bzw. -definitionen, die in der Literatur verwendet werden, verfolgen unterschiedliche Ansätze.

      a) Meinungsstand

      Eine Benachteiligung i.S.d. § 78 S. 2 BetrVG kann per se zunächst als eine Schlechterstellung des Mandatsträgers definiert werden, die nicht aus sachlichen Gründen erfolgt – eine Begriffsbestimmung, die den wenig vorhandenen Definitionen zumindest im Kern gemeinsam ist.405 Welchen Anknüpfungspunkt man für die genaue Bestimmung der Schlechterstellung heranzieht, ist nicht im Rahmen der Definition des Begriffes zu klären, sondern ist eine Frage des Vergleichsmaßstabes; in diesem Punkt unterscheiden sich die verschiedenen Begriffserläuterungen meistens. Vereinfacht dargestellt, unabhängig von dem Erfordernis weiterer Tatbestandsmerkmale, muss sich für eine Benachteiligung zunächst die Situation des Betriebsratsmitgliedes also verschlechtert haben, was an einem – noch festzulegenden – Vergleichsmaßstab zu beurteilen ist.

      Im Gegensatz zu der üblichen Definition als einfache Schlechterstellung sieht nur eine Ansicht im Schrifttum eine Benachteiligung bereits in jeder für das Betriebsratsmitglied nachteiligen Veränderung des status quo.406 Diese Auffassung gelangt zumindest hinsichtlich aktiver benachteiligender Handlungen zu dem gleichen Ergebnis. Ein deutlicher Unterschied ergibt sich aber beispielsweise bei der Beurteilung von Maßnahmen durch ein Unterlassen. Für die Fälle der Nichtgewährung bestimmter Leistungen muss diese Auffassung auf die – eher umständliche – Konstruktion einer rechtlich verfestigten Anwartschaft auf den Eintritt eines Vorteils zurückgreifen, um auch ein Unterlassen unter die Vorschrift subsumieren zu können.407 Diese Annahme hätte dann zur Folge, dass im Einzelfall immer sorgfältig zu prüfen wäre, ob ein vorenthaltener Vorteil dem jeweiligen Mandatsträger ebenfalls zustünde, weil er in dem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis bereits angelegt war und die Nichtgewährung damit als Verschlechterung des status quo zu bewerten wäre.408 In dem Fall, dass andere Arbeitnehmer in einem Betrieb Zuwendungen erhalten und nur ein Betriebsratsmitglied nicht, würde es nach dieser Ansicht ausschließlich darauf ankommen, ob diese Zuwendung in dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis bereits angelegt war.

      Eine weitere Auffassung zieht hier eine Parallele zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und berücksichtigt bei der Bestimmung des Begriffes der Benachteiligung zusätzlich die Definitionen des AGG, insbesondere die des § 3 AGG zur unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung.409 Die Heranziehung der darin enthaltenen Regeln sei nach dieser Ansicht aufgrund der gleichen Zweckrichtung des Betriebsverfassungsgesetzes und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hilfreich.410 Beide Gesetze würden darauf abzielen, einen geschützten Personenkreis wegen eines bestimmten Merkmals nicht anders als vergleichbare Personen zu behandeln, dabei aber keine vollumfängliche Gleichbehandlung beabsichtigen.411


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