Die Vergütung von Betriebsräten. Martina Schlamp

Die Vergütung von Betriebsräten - Martina Schlamp


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Benachteiligungsverbot aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 78 S. 2 Hs. 2 BetrVG gilt. Für die anderen vergütungsrelevanten Regelungen, insbesondere der § 37 Abs. 1 bis Abs. 4 BetrVG, ist zu untersuchen, ob ein bzw. welcher Fall der verdrängenden Konkurrenz besteht.

      Das Verhältnis der Subsidiarität, wie es für die zu betrachtenden Vorschriften in Teilen der Literatur angenommen wird,333 bedeutet, dass eine Norm zugunsten einer anderen Regelung zurücktritt und das entweder auf einem ausdrücklichen oder einem stillschweigenden Befehl des Gesetzes beruht.334 Eine explizite Anordnung, dass § 78 S. 2 BetrVG hinter den konkreten Vergütungsvorschriften zurückzutreten hat, existiert nicht. Stillschweigende Subsidiarität kann dann angenommen werden, wenn mit Anwendung der einen Norm die Erreichung des Zwecks der anderen nicht mehr möglich wäre.335 Aus dem Zweck der Regelungen müsste sich ergeben, dass die eine von der anderen Vorschrift verdrängt wird.336 Übertragen auf die vorliegende Konstellation, lässt sich eine solche stillschweigende Anordnung allerdings nicht feststellen. Wendet man die verschiedenen Regelungen des § 37 BetrVG auf Vergütungsfälle von Betriebsratsmitgliedern an, führt das nicht dazu, dass der Gesetzeszweck des § 78 S. 2 BetrVG vereitelt würde. Vielmehr haben beide Normen im Grundsatz die gleiche Schutzrichtung und Zweckvorstellung, die mit Anwendung beider Vorschriften erreicht werden kann. Ein Fall der Subsidiarität ist im Verhältnis von § 37 BetrVG zu § 78 S. 2 BetrVG daher nicht anzunehmen.

      Im Verhältnis der Spezialität stellt sich die Frage, ob eine speziellere Vorschrift exklusiv anzuwenden ist und sich einer anderen allgemeineren Norm „vordrängt“. Für diese Annahme wird zwar teilweise gefordert, dass sich die Rechtsfolgen der beiden konkurrierenden Normen widersprechen müssen, um eine Verdrängung der allgemeineren Vorschrift annehmen zu können.337 Allerdings ist eine solche Gesetzeskonkurrenz auch bereits begrifflich durch ein Deckungsverhältnis der Tatbestände möglich, man spricht in einem solchen Fall auch von formeller Spezialität.338 Demnach ist Spezialität zwischen zwei Normen zu bejahen, wenn die konkrete Vorschrift sich in ihrem Anwendungsbereich auch in der anderen Norm findet; das ist anzunehmen, wenn ein Gesetz alle Merkmale des allgemeineren, zusätzlich aber noch mindestens ein weiteres enthält.339 Besteht ein solches Spezialitätsverhältnis, gilt der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“, d.h. die speziellere Regelung geht der allgemeinen Norm vor.340

      Zur genauen Feststellung, ob der für die Vergütung relevante § 37 BetrVG tatsächlich in dem Verhältnis der formellen Spezialität zu dem allgemeinen Verbot in § 78 S. 2 BetrVG steht, sind die darin enthaltenen einzelnen Regelungen jeweils gesondert zu untersuchen.

      Betrachtet man zunächst § 37 Abs. 1 BetrVG, zeigt sich, dass die Norm in dem Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG enthalten, in seinem Anwendungsbereich aber enger gefasst ist. Hinter der Ausgestaltung als Ehrenamt und Regelung der Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamtes steht ebenso der Grundgedanke, dass ein Mandatsträger nicht durch Zahlung eines (zusätzlichen) Entgeltes begünstigt werden darf. Die Regelung bezieht sich allerdings nur auf den speziellen Bereich des Entgeltes, das allein für das Amt gezahlt wird. Die Anwendungsbereiche der Absätze 2 bis 4 des § 37 BetrVG liegen grundsätzlich ebenfalls innerhalb des Benachteiligungsverbotes nach § 78 S. 2 BetrVG, gehen aber jeweils in verschiedenen Punkten noch darüber hinaus. Nach Absatz 2 sollen Betriebsratsmitglieder keine Benachteiligung dadurch erfahren, dass ihnen während erforderlicher Betriebsratsarbeit kein oder weniger Entgelt gezahlt wird. Absatz 3 sieht einen Ausgleich speziell für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit, in seinem Satz 3 unter zusätzlichen Voraussetzungen auch einen finanziellen Ausgleich vor und soll dadurch ebenfalls Nachteile verhindern. Absatz 4 betrifft Benachteiligungen hinsichtlich des Entgeltes vergleichbarer Arbeitnehmer und im Unterschied zu § 78 S. 2 BetrVG nur während eines bestimmten Zeitraumes.

      Die für die Vergütung in erster Linie relevanten Regelungen haben gemeinsam, dass sie entweder der Verhinderung von Benachteiligungen oder Begünstigungen dienen und damit grundsätzlich in den Wirkungskreis des § 78 S. 2 BetrVG fallen würden. Sie unterscheiden sich aber in ihrem Anwendungsbereich, der bei den speziellen Vergütungsvorschriften deutlich kleiner ist. Denn sie gelten ausschließlich für Entgeltfälle und stellen hierfür besondere, enger gefasste Voraussetzungen auf. Vergütungsrelevante Sachverhalte, die durch § 37 BetrVG geregelt werden, können somit grundsätzlich auch § 78 S. 2 BetrVG zugeordnet werden. Umgekehrt fallen Sachverhalte, die sich unter das Benachteiligungs- oder Begünstigungsverbot subsumieren lassen, nicht auch automatisch unter eine Regelung des § 37 BetrVG.

      Die einzelnen Vorschriften sind damit grundsätzlich als lex specialis gegenüber dem § 78 S. 2 BetrVG als lex generalis zu qualifizieren.341

      Nimmt man zwischen zwei Normen ein Verhältnis der Spezialität an, ist konsequenterweise der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ anzuwenden. Das hat zur Folge, dass § 78 S. 2 BetrVG bei Fällen betreffend die Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrates verdrängt wird.342 Diese Folgerung ist grundsätzlich sachgerecht, weil eine speziellere Regelung mehr Sachnähe besitzt als die allgemeinere und den verschiedenen Sachverhalten hinsichtlich der Vergütung besser gerecht werden kann. Dennoch wird die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses und damit der verdrängenden Eigenschaft des § 37 BetrVG gegenüber § 78 S. 2 BetrVG durchaus kritisch betrachtet. Ob die verschiedenen Argumente gegen diese Auffassung eine andere Beurteilung notwendig erscheinen lassen, ist genauer zu betrachten.

      a) § 78 S. 2 BetrVG als stets zu beachtender Grundsatz

      Eine Ansicht in der Literatur lehnt eine Verdrängung des § 78 S. 2 BetrVG aufgrund eines Spezialitätsverhältnisses deshalb ab, weil dem allgemeinen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot die Eigenschaft eines bedeutenden, betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatzes als „eine Art Leitprinzip“ zugesprochen wird.343 Das Verbot sei für eine einheitliche Auslegung des Gesetzes und damit zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen oder Lücken im Betriebsverfassungsgesetz notwendig.344 Dieser Auffassung kann allerdings nicht gefolgt werden. Lediglich eine Einordnung nach ihrer Bedeutung kann nicht dazu führen, dass die Vorschrift des § 78 S. 2 BetrVG immer dann eingreifen muss, wenn die speziellen und vor allem engeren Voraussetzungen und Bedingungen in § 37 BetrVG nicht greifen. Das würde die relativ eindeutig gezogenen Grenzen des § 37 BetrVG verwischen. Zugleich wären jeglicher Spielraum bei der Bemessung des Entgeltes und damit mögliche zulässige Fälle auf ein Mindestmaß reduziert. Das muss aber nicht zugleich bedeuten, dass die Gedanken der Vorschrift außer Acht gelassen oder gänzlich verdrängt würden. Sie können auch weiterhin Einfluss, beispielsweise bei einer Auslegung, nehmen. Der Vorschrift kann damit auch der Charakter einer Art „Auffangvorschrift“ zugewiesen werden: zwar nicht im Hinblick auf Vergütungsfragen, aber hinsichtlich der Vielzahl und Vielfalt denkbarer Fälle der Bevorzugung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern, die jedoch nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt werden konnten.

      Darüber hinaus dienen die Spezialvorschriften – wie es von derselben Ansicht vertreten wird – nicht lediglich der gesetzlichen Festschreibung der allgemeinen Regelung des § 78 S. 2 BetrVG in besonderen Fällen (hier der Vergütung) nur aus Klarstellungsgründen.345 § 37 BetrVG enthält eigenständige Bestimmungen, mit denen das Gesetz nicht nur in sachlicher, sondern auch persönlicher Hinsicht einen deutlich konkreteren und spezielleren Bereich regelt. Trotz gleicher Schutzrichtung stehen sie selbstständig neben § 78 S. 2 BetrVG.

      Gegen die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses, das die allgemeine Vorschrift des § 78


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