Rabenauge. Sabine D. Jacob

Rabenauge - Sabine D. Jacob


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die Felsen und verlieh ihnen bizarre Formen.

      Heute war Jeremy mit seinen Gedanken bei Nolan. Mindestens fünfmal hatte er gestern Abend noch versucht ihn zu erreichen. Ohne Erfolg. Heute Morgen hatte er es, bereits bar aller Hoffnung, erneut versucht. Abermals erfolglos. In aller Herrgottsfrühe hatte Jeremy daher seine Sachen gepackt und war in den Aston Martin, der ihm im Grunde schon nicht mehr gehörte, gestiegen. Auch seine Golfausrüstung hatte er mitgenommen. Nolan liebte Golf, und Trinale verfügte über einen großzügig angelegten Golfplatz. Er bot das geeignete Umfeld für diese Art von Gespräch.

      Die Strecke von London an die Südwestküste fuhr Jeremy ohne Pause mit heruntergelassenem Dach, damit der Fahrtwind seine Gedanken klären konnte.

      Heute Morgen hatte er sich mit einem Kaffee begnügt. Sein Magen war deshalb leicht verstimmt.

      Er hob einen Arm in die Luft und stemmte ihn gegen den Fahrtwind, um die unangenehme Erinnerung an den gestrigen Abend zu verdrängen.

      Als Nieselregen einsetzte, der schon bald in heftigen Regen übergehen sollte, schloss er das automatische Verdeck.

      Unterwegs gönnte er sich nicht einmal einen Kaffee, wie er es sonst gern tat. Seine Barschaft betrug nämlich nur noch dreißig Pfund – ein Witz im Vergleich zu dem, was er sonst bei sich hatte.

      Die letzten Scheine hatte ihm Wood, wie er sich wieder erinnerte, noch aus der Tasche gerissen, bevor er ihm unmissverständlich klargemacht hatte, dass seine Anwesenheit nicht länger erwünscht sei und er sich um seine finanziellen Probleme kümmern solle.

      Jeremy rieb sich die Stirn. Es war so widerlich, wenn sich die Gedanken im Kreis drehten und ihm am Ende doch immer wieder seine jetzige Situation offenbarten.

      Das Bild des Straßenpflasters stieg in ihm auf. Er sah die zerfetzten Ellbogen seines Jacketts vor seinem inneren Auge, und er schwor sich, alles daranzusetzen, das Geld zurückzuzahlen. Nie wieder würde er sich dann mit dem Gesindel einlassen. Mit der Begleichung seiner Schulden wäre der Moment gekommen, sich endgültig vom Glücksspiel zu verabschieden.

      Nachdrücklich, wie um es sich selbst zu bestätigen, nickte er und schaltete das Radio ein. Mit den neu gefassten, guten Vorsätzen fühlte er sich gleich besser.

      Am späten Vormittag erreichte er die Auffahrt zum Herrenhaus Trinale, das Mitte des achtzehnten Jahrhunderts im kornischen Stil erbaut worden war. Zusammengesetzt aus großen grauen Quadern besagte die Legende, man habe für den Bau nur drei Nägel benutzt. An die hätten die Erbauer ihre Jacken gehängt, wenn ihnen von der Schlepperei warm geworden war. Alles andere sei ursprünglich aus Stein gewesen, sogar die Bettstätten.

      Das Gestein bildete feste Mauern, denen auch das stärkste Unwetter nichts anhaben konnte. Als Kind hatte Jeremy sich häufig an die Nordwand gestellt, den Kopf in den Nacken gelegt und nach oben geschaut, wo der Dachüberstand ihn drohend überragte. Ihm kam es immer so vor, als würde er gleich bersten und auf ihn herabstürzen. Er schaffte es jeweils nur für ein paar Sekunden, hochzuschauen. Dann nahm die Furcht überhand und Schwindel übermannte ihn. Bis sich das Gefühl, in einem Karussell zu sitzen, gelegt hatte, blickte er stets auf seine verstaubten Füße, die barfuß in hellblauen Sandalen steckten. Wenn sich das Schwindelgefühl gelegt hatte, schaute er wieder hoch und wettete mit sich selbst, ob er diesmal länger durchhalten würde.

      Bis heute hatte dieses alte Gemäuer seine anziehende Wirkung auf ihn nicht verloren. Noch immer war es so, als wolle ihn das Haus zu einem Spiel animieren, dessen Ausgang für Jeremy ungewiss war.

      In Trinale fühlte er sich geschützt und sicher. Von außen wirkte das Haus auf ihn stets bedrohlich.

      Die Zufahrt zum Herrenhaus markierte ein großes schmiedeeisernes Tor. Meistens übersah er es und fuhr beim ersten Mal daran vorbei, da die dorthin führende Landstraße rechts und links von hohen Hecken gesäumt war, wie sie für diesen Landstrich Englands typisch waren, die jeglichen Blick versperrten.

      Heute drosselte er sein Tempo, um nicht erneut daran vorbeizurauschen. Einerseits wäre es ihm lieb gewesen, die Fahrt hätte noch einige Stunden gedauert, damit er sich dem peinlichen Gespräch noch nicht stellen müsste. Andererseits hatte er keine Zeit zu verlieren. In seinem Magen verspürte er deshalb ein Unwohlsein, das nicht nur vom fehlenden Frühstück herrührte.

      Behutsam lenkte er den Wagen durch die offen stehenden, mannshohen Flügel des schmiedeeisernen Tors, fuhr aber dahinter rechts ran, stellte den Motor ab und öffnete das Verdeck des Austins wieder.

      Der Blick, der sich ihm bot, war vertraut und doch so ganz anders, als er ihn in Erinnerung hatte.

      Tief hängende Wolken zogen über den Himmel, gingen ineinander über und bildeten eine geschlossene Decke. Jeremy registrierte, dass der Wind sich gelegt hatte, der in heftigen Böen eben noch den Regen gegen die Windschutzscheibe geschlagen hatte.

      Vor ihm wand sich die Zufahrtsstraße wie ein Eidechsenschwanz. Beidseitig des Weges standen Kopfweiden, die offenbar seit Längerem nicht mehr beschnitten worden und trotz des weit fortgeschrittenen Sommers kaum belaubt waren.

      Die Blöcke, aus denen Trinale erbaut war, waren aus dem ältesten Gestein der Welt geformt, das es nur in Schottland gab. Hohe Rundbogenfenster, eingelassen in das Mauerwerk, schienen den Betrachter eher auszugrenzen, als willkommen zu heißen. Verborgen hinter der Front, schlossen sich rechts und links Flügel an, die den Garten vor den bisweilen heftigen Winden schützten.

      Dort blühten mediterrane Bougainvilleas neben mannshohen Farnen. Die Gärtner hatten wahre Kunstwerke vollbracht, da alles den Anschein von natürlichem Wachstum vortäuschte. Tatsächlich aber benötigte jedes Pflänzchen seinen Raum, und jeder Angriff der nächstgelegenen Pflanzen musste rechtzeitig erkannt werden.

      In Gedanken wanderte Jeremy die verschlungenen Wege dieses Gartens entlang, während er den Wagen startete und die Einfahrt hochfuhr.

      Wasserspiele, Kneippbecken, hohe Hecken und winzige Blumenrabatten harmonierten umgeben von schützendem Mauerwerk in stiller Eintracht.

      Jeremy fuhr bewusst langsam und genoss den Anblick. Mit den vier Türmen, die sich vorn wie hinten rechts und links erhoben, wirkte das imposante Gebäude schwerfällig und unverrückbar.

      Irritiert bemerkte er, dass der Rasen, der das Herrenhaus umgab, stellenweise vergilbt war, als ob er unter Trockenheit gelitten hätte. Dem widersprach jedoch das Unkraut in den sonst so gepflegten Rabatten. An einigen Stellen standen die Brennnesseln mannshoch. Sie ließen den anderen Pflanzen dort immer weniger Platz und reckten ihre Blätter lustvoll dem Himmel entgegen.

      Nolan liebte seine Beete. Noch nie hatte Jeremy sie in einem derart vernachlässigten Zustand gesehen. Auch die asphaltierte Zufahrtsstraße sah milchig grau und nicht mehr schwarz aus.

      Eine seltsame, fast greifbare Ruhe schwebte über der Szenerie, und die Stille schlich sich an – bedrohlich wie ein Schattenmonster.

      Jeremy horchte angestrengt, vernahm aber keinen Laut. Er hörte weder Vogelgezwitscher noch Blätterrauschen, nichts. Verdutzt schaute er zum Haus und es kam ihm vor, als würde es ihn erwarten. Schwarz blickten die blinden Fenster in seine Richtung.

      Ein Schatten strich plötzlich über das Auto hinweg, und er zuckte zusammen.

      Es war nur ein Vogel.

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      Die Asphaltstraße mündete in ein Rondell, das an der rechten Seite einige mit Kopfsteinpflaster befestigte Parkbuchten bereithielt. In der Mitte thronte eine blattlose Trauerbuche mit ausladendem grauen Geäst. Sie war umgeben von einem Bodendecker, der offensichtlich unter Schneckenfraß litt.

      Jeremy stieg aus dem Wagen und runzelte die Stirn. Es roch leicht muffig. Er kannte diesen Geruch von früheren Besuchen auf Trinale. Damals reichten


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