Glück in Salzburg. Hannelore Mezei

Glück in Salzburg - Hannelore Mezei


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Dom­platz erleben und nicht im Festspielhaus. Sag, warum wolltest ausgerechnet den Jedermann sehen?«

      Während Flock zwei weitere Gläser Champagner ordert, denkt Romana nach, was sie Gescheites antworten könnte. »Na ja, man liest doch immer so viel darüber. Es ist halt Weltliteratur. Und dann hautnah die Stars erleben. Angeblich ist voriges Jahr der Tod jeden Abend schon im Kostüm mit dem Fahrrad vom Festspielhaus zum Domplatz gefahren. Kannst dir den Anblick vorstellen? Vielleicht macht er das heuer auch wieder. Und wenn dann auf dem Domplatz die Sonne untergeht! Ja und natürlich der Moretti, der am Wörthersee …«

      »… nicht in deiner Pension abgestiegen ist?«, sagt Flock spöttisch. »Also wenn du allen Prominenten, die nicht bei dir gewohnt haben, nachjagen willst, dann hast die nächsten Jahre viel zu tun.«

      »A geh, ich mein halt, der Moretti ist einfach ein richtig grandioser Schauspieler. Zum Beispiel damals mit dem Rex …«

      Jetzt hält sich Hugo demonstrativ die Ohren zu. Er mag sie sehr, seine alt gewordene Jugendliebe, mit all ihren Spinnereien und Fehlern. Aber die Romana und ihr Kulturverständnis? Mit den Festspielen, die für sie natürlich hauptsächlich aus dem Eventcharakter und dem Zusammentreffen mit Prominenten bestehen, hat er ihr wirklich eine Freude gemacht. Seit sie in Salzburg angekommen sind, strahlt sie zufrieden wie eine Katze, die gerade eine Schale Schlagobers verputzt hat. Zeit, ihr noch eine Überraschung zu präsentieren.

      »Das mit dem Essengehen nach der Vorstellung wird schwierig, Romana«, fängt er an.

      »Warum? Dann ist es eh schon wurscht, ob der Reißverschluss platzt. Ich hab ja eine Stola mit. – Hey, ich seh ja nichts, wenn Sie da vor mir stehen!«, tadelt sie einen Besucher der Steinterrasse, der sich mit Ellbogentechnik vor sie gedrängt hat.

      »Is was, Oid…«, weiter kommt er nicht, da pflanzt sich Flocks Leibwächter vor ihm auf. Wolf Tschebull – von Freunden »der böse Wolf« genannt – hat schließlich seinen Dienstherrn und dessen Entourage immer im Blick. Respektvoll weicht der Missetäter zurück.

      Flock hat einen kurzen, beunruhigten Blick auf den Mann geworfen, fährt dann aber fort: »Also, das mit dem Essengehen wird deswegen nichts, weil als Förderer der Festspiele bin ich – mit meiner Begleitung – zur Premierenfeier in der Felsenreitschule eingeladen! Na, was sagst? Ist dir doch lieber als das Menü im Goldenen Hirsch, oder?«

      »Zur Premierenfeier???!!« Romana jauchzt so laut auf wie sonst nur, wenn sie in ihren Wörthersee springt. Die anderen Gäste drehen sich verwundert nach der Rothaarigen um. »Ja, Hugo!! So a Freud, das kannst dir gar nit vorstellen.« Spontan umarmt sie ihn und drückt ihn, bis ihm die Luft wegbleibt.

      »Versprich mir halt, dass du dich ein bissel zurückhältst und den Moretti nicht auf den Rex anredest, wennʼs geht. Aber eigentlich ist das eh wurscht. Vielleicht wärʼs sogar ganz lustig«, sagt Flock, als er sich aus Romanas Armen befreit hat.

      Doch Romana denkt in diesem Moment nicht an den berühmten Jedermann-Darsteller, sondern an Iris – Tussi – Flock. Sie stellt sich das Gesicht der Ehefrau Nummer zwei vor, wenn die in der Zeitung das Bild sieht. Wörthersee-Milliardär und Förderer der Festspiele Hugo Flock in Begleitung von Romana Petuschnigg wird darunter stehen. Und die gute Iris wird sich in den frisch aufgepolsterten Hintern beißen wollen. Selber schuld! Einen Hugo Flock betrügt man nicht. Und schon gar nicht mit so einem windigen Möchtegernmimen.

      Rechtzeitig, bevor Flock zur noch größeren Überraschung des Abends ansetzt, bringt der Kellner zwei weitere Gläser Champagner.

      Flock reicht Romana feierlich eines davon und wird plötzlich ernst: »Übrigens, meine Liebe, ich wollt dich noch was fragen.«

      Sie wendet sich von der Märchenkulisse und ihren bösen Gedanken ab, um Hugo zuzuhören. Was kann er von ihr wollen? Dass sie nicht heimlich nach Klessheim ins Casino fährt, musste sie ihm eh schon versprechen.

      Sie geht auf ihn zu und legt ihm liebevoll die Hand auf die Schulter. »Na, sag schon, Hugo.«

      Er räuspert sich kurz und fährt dann in trockenem Ton fort: »Wir kennen uns jetzt über vierzig Jahre, Romana. Und nun, da ich der Iris draufgekommen bin, und dann noch der arme Christian … also, allein sein ist ja auch nicht das Wahre. Mit einem Wort, ich wollt dich fragen, ob du nach meiner Scheidung die dritte und letzte Frau Flock werden willst.«

      Schockstarre. Romana, die gerade einen Schluck aus ihrem Glas nehmen wollte, verschüttet den Champagner und ist – was sie noch nie zuvor in ihrem Leben war – sprachlos. Nach einer Minute entweicht ihr schließlich ein bis zum Mönchsberg hörbares »Oh, holy shit!!«

      »Heißt das in der Romana-Sprache ›Ja‹?«

      Sie nickt wortlos, fällt ihrem Hugo um den Hals, der plötzlich Romanas Tränen auf seinen Wangen spürt.

      »Na, na, meine Liebe, wir werden doch nicht auf unsere alten Tag sentimental werden«, tadelt er und schiebt sie sanft von sich.

      Romantik und Sentimentalität hatten nie Platz in seinem Leben. Auch die Beziehung zu Romana war hauptsächlich von Leidenschaft geprägt. Früher. Sie endete irgendwann mit Romanas verzweifelter Drohung, Flock ins Jenseits zu befördern, wenn er sich nicht scheiden ließe. Weder das eine noch das andere trat ein, lediglich eine lange Funkstille. Und jetzt im Alter und eine Ehefrau später haben sie wieder zueinandergefunden. An die Stelle der Leidenschaft ist innige Freundschaft getreten. Warum sich also nicht zusammentun fürs Finale? Die Romana wird ihn in ihrem Alter wohl nicht betrügen, und außerdem bringt sie ihn zum Lachen und ist loyal. Keine schlechte Basis für die letzten Jahre. Sie ist es auch, die ihm Halt gibt in einer Zeit, da er von Iris gehörnt wird und um den verstorbenen Sohn trauert. Vor nichts graut dem alten Mann mehr als vor der Einsamkeit.

      »Also gut, dann hätt ma das erledigt«, kehrt Hugo zur gewohnten Sachlichkeit zurück. »Alles Weitere planen wir nach meiner Scheidung. Und sobald wir zurück in Kärnten sind, änder ich mein Testament. Jetzt muss ich dir aber noch was geben, bevor wir zum Domplatz rüberfahren.« Er hält ihr ein kleines, in ein weißes Taschentuch eingewickeltes Etwas hin. Ein Verlobungsring in origineller Verpackung, denkt Romana. Einen Brilli hat sie schon von Hugo, aus alten Tagen. Vielleicht ist es diesmal ein Smaragd? Würde großartig zu ihrem Kleid passen! Romana Flock, lässt sie sich den Namen in Gedanken auf der Zunge zergehen, während sie neugierig das Päckchen entgegennimmt.

      Mit gespielter Bescheidenheit wickelt sie es aus und erstarrt ein zweites Mal an diesem Abend: ein Hustenzuckerl!

      »Weißt, das gʼhört zur Festspieletikette«, doziert der edle Spender. »Man darf bei der Vorstellung nicht husten, braucht also ein Hustenzuckerl. Aber rascheln mit dem Papier darf man auch nicht. Daher wickelt man es in ein Taschentuch. Das kannst übrigens behalten.«

      ***

      Die letzten Meter bis zum Domplatz müssen sie zu Fuß zurücklegen. Was für ein Gewurl und Geschiebe. Dazu jede Menge Polizei, die den Bereich zu Bühne und Zuschauertribüne abgesperrt hat. Das macht Flock, der ständig Angst vor einer Entführung oder einem Anschlag hat, nervös. Er schickt den Bodyguard voraus, um sich zu erkundigen.

      »Nein, keine Terrordrohung«, verkündet der nach seiner Rückkehr. Polizei und Cobra seien neuerdings bei diesen großen Anlässen ganz normal.

      Während sie zur Zuschauertribüne gehen, hat Romana ausgiebig Gelegenheit, die Festspielgäste zu beobachten. So viel Tracht auf einem Fleck hat sie schon lang nicht gesehen. Festliche natürlich, mit bodenlangen Dirndlkleidern, Seidenschürzen und kostbar dekorierten Dekolletés. Über jedem Busen glitzern kleine Vermögen. Die Männer in knielangen Lederhosen. Was Romana lächerlich findet. Aber bitte, man ist halt fast am Land. Wer nicht Tracht trägt, kommt im Smoking wie ihr Hugo, und die Damen in fantastischen Abendkreationen, bei denen einem die Luft wegbleibt. Apropos Luft: Ihr Kleid zwickt gehörig, sie findet es aber trotzdem am schönsten von allen. Und bei dem ganzen Promi-Schaulaufen hat sie auch gar keine Muße, an solche Petitessen zu denken.

      »Schau, dort ist dieser deutsche Quizmaster, wie heißt er schnell?«, macht sie ihren Begleiter aufmerksam. Von dem kommt nur ein desinteressiertes Grunzen. »Ist das nicht die Merkel?


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