Glück in Salzburg. Hannelore Mezei
Der Professor zeigt einen Hauch von Erschütterung. »Ja, das habe ich gelesen. Schrecklich. Und wirklich total überraschend. Hugo, also Herr Flock war in einem guten Allgemeinzustand, wir haben erst am Freitag hier einen Check-up gemacht und seinen Herzschrittmacher kontrolliert.«
»Und da war alles okay? Auch die Batterie?«
Der Tonfall gleitet in leichte Arroganz: »Ja natürlich, was denken Sie denn?«
Wie man denn trotz Schrittmacher an Herzversagen sterben kann, will Fassl jetzt wissen.
Professor Pongauer seufzt, weil er die Fragen von medizinischen Laien dann doch gelinde gesagt lästig findet. »Er wirkt zwar gegen Rhythmusstörungen, kann aber ein Herzversagen, das aus einem anderen Grund auftritt, nicht verhindern. Auf gut Deutsch: Ein Schrittmacher ist ein Hilfsmittel, keine Wundertüte.«
Franz nippt an seinem Glas und stellt es vorsichtig zurück auf den Untersetzer. »Wie funktioniert denn so ein Schrittmacher?«
»Wie eine Zündung, die bei Rhythmusstörungen dem Herzmuskel einen Impuls gibt. Versagt der Herzmuskel selbst, so kann auch der Schrittmacher den Tod nicht verhindern.« Der Professor steht auf und geht zu seinem Schreibtisch. Von dort nimmt er das Modell eines etwa zwei Zentimeter großen Schrittmachers in die Hand und zeigt es seinem Besucher. Der darf das Minigerät sogar anfassen Sieht aus wie ein winziger Schlüsselanhänger, denkt Fassl, spricht es aber nicht aus.
»Der Schrittmacher ist praktisch ein Taktgeber, der von einer Batterie betrieben wird und einen elektrischen Impuls an das Herz übermittelt. Er kommt bei Rhythmusstörungen zum Einsatz, also wenn sich der Herzmuskel nicht regelmäßig zusammenzieht und daher nicht ausreichend sauerstoffreiches Blut in den Organismus pumpt.«
Franz legt das Ding vorsichtig zurück auf den Tisch. »Und das war bei Hugo Flock der Fall?«
»Ja, er hatte einen zu langsamen Herzschlag, sein Gehirn bekam fallweise zu wenig Sauerstoff, daher litt er immer wieder unter Anfällen von Vertigo, Schwindel, ist einmal sogar in Ohnmacht gefallen. Schwindel kann Folge vestibulärer, zentral- oder peripher-nervöser Störungen, aber auch von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sein. Bei ihm war die Bradykardie, der verlangsamte Herzschlag, die Ursache, was bei alten Menschen häufig vorkommt. Daher musste sein Herzmuskel stimuliert werden – mit einem Schrittmacher. Den hat ihm ein Kärntner Kollege, der inzwischen in Pension ist, vor acht Jahren implantiert. Seit einigen Jahren war Hugo Flock nun Patient bei mir. Er kam regelmäßig zu Kontrollen nach Salzburg.«
Franz wundert sich. »Vor acht Jahren? Ja, wie lang hält denn so ein Ding normalerweise?«
»Zwischen sieben und zehn Jahren.« Jetzt betont der Professor jedes Wort: »Die letzte Überprüfung, also die von Freitag, hat eine weitere Lebensdauer der Batterie von mindestens einem Jahr ergeben. Vollkommen funktionstüchtig. Wir haben regelmäßige Kontrollen vereinbart und einen Wechsel des Schrittmachers in circa einem Jahr. Das ist ein kleiner Eingriff, der unter Lokalanästhesie vorgenommen wird …«
»Und was passiert, wenn der Schrittmacher schon vorher ausfällt?«, unterbricht Fassl.
Pongauer sitzt jetzt sehr aufrecht: »Das ist praktisch unmöglich, da der Batteriestand ja regelmäßig vom Arzt kontrolliert wird.« Dann erklärt der Professor, dass die Überprüfungen mit Hilfe eines Steuergeräts durchgeführt würden. Das Steuergerät sei ein Computer mit spezieller Software. »Für die Kontrolle wird eine Elektrode auf die Haut des Patienten aufgelegt, die dem Computer alle Daten übermittelt: Ob es Störungen des Schrittmachers gab, ob die individuell auf den Patienten eingestellte Herzfrequenz immer noch stimmt, wie der Batteriestand ist …«
Franz ist seinem Handy dankbar, dass es das Gespräch aufnimmt, denn mit den Notizen käme er nicht nach. »Gibt es denn für jeden Schrittmacher ein eigenes Steuergerät?«
Pongauer lächelt. »Nein, natürlich nicht. In dem Gerät sind mehrere Schrittmacher gespeichert. Man ruft sie mit der jeweiligen Herstellernummer ab.«
Jetzt ist Franz elektrisiert: »Könnte jemand so einen Schrittmacher hacken?«
Der Professor sieht ihn erstaunt an. »Sie meinen, ob man jemanden durch Manipulation des Schrittmachers umbringen kann?« Er legt eine Pause ein und sieht sein Gegenüber forschend an. »Ja, gibt es denn da einen Verdacht?«
Fassl weicht aus. »Kann man – theoretisch?«
Der Arzt wirkt zum ersten Mal verunsichert, ringt nach Worten: »Sehr unwahrscheinlich. Ich meine, also, es gibt angeblich Handy-Apps, die das Gerät stören könnten. Dadurch würde der Patient aber nicht sterben, sondern der Schrittmacher liefe auf einer Basisfunktion weiter. Die Einstellungen der Herzfrequenz und Ähnliches kann man aber nur über das Steuergerät verändern. Und dazu hat niemand außer dem Arzt Zugang. Von außerhalb geht das nicht.« Pongauer schaut auf seine Uhr. Das Kolloquium für den Polizisten dauert jetzt aber schon sehr lang. Es ist schließlich sein freier Tag, und er hat noch eine Tennis-Verabredung.
»Und Ihr Gerät hat am Freitag bei Herrn Flocks Schrittmacher den Batteriestand definitiv richtig gemessen?« Fassl ignoriert den Blick zur Uhr.
Der Arzt denkt, dass er jetzt gerne eine Zigarette rauchen würde, doch das tut er grundsätzlich niemals vor anderen, seine Frau ausgenommen, die kennt ihn schließlich mit all seinen Schwächen. Er findet die Fragen des Polizisten langsam penetrant. »Ja, das haben wir gemessen, und wie ich bereits sagte, war die Batterie definitiv und zweifelsfrei ausreichend für ein weiteres Jahr! Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …« Der Professor erhebt sich, um zu zeigen, dass die Audienz beendet ist.
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