Glück in Salzburg. Hannelore Mezei
Fassl nimmt das Handy an sich. »Vielleicht können unsere Techniker da mehr rauskriegen.«
Alle drei fahren erschrocken in die Höhe, als Martins Telefon plötzlich läutet. Rüdigers Stimme, und er bereut sofort, dass er das Gespräch angenommen hat.
»Du, Martin, ich hab gehört, dass du in Salzburg bist. Perfektes Timing! Meine Recherchen führen mich nämlich auch in die schöne Stadt an der Salzach. Ich komm morgen Mittag an. Wir müssen uns unbedingt treffen. Ich hab da über den Medikamentenhandel total Brisantes erfahren. Da sollten wir unbedingt zusammenarbeiten. Ich meld mich, sobald ich da bin. Vale, mein Lieber.« Noch bevor Martin antworten kann, hat Rüdiger aufgelegt.
Martin ist sauer. So eine blöde Angewohnheit von Rüdiger, lateinische Brocken einzustreuen. Den Teufel wird er tun, mit Rüdiger zusammenzuarbeiten!
***
»Der Liebhaber wird doch nicht so blöd sein und solche Nachrichten schicken, wenn er den Alten wirklich umbringen will«, flüstert Fassl, als sie nebeneinander im Ehebett liegen.
Martin, genauso leise: »Oder er ist besonders clever! Aber andererseits, wie kann der denn die Batterie von dem Herzschrittmacher ausschalten? Das funktioniert ja gar nicht!«
»Vielleicht doch? Ich geh morgen jedenfalls einmal zu seinem Kardiologen, der wird da ja Genaueres wissen.«
»Wieso? Bist du jetzt doch für den Fall zuständig, Franz?«
»Bisher warʼs ja kein Fall, und da hat sich ein Kollege drum gekümmert. Der ist aber krank geworden, Sommergrippe, hat mich heut Nachmittag angerufen. Jetzt werd ich schauen, dass ich ihn krieg, diesen Fall. Kannst mich ja unterstützen, Martin, wenn du neben deiner Anabolika-g’schicht noch Zeit hast. Schließlich hängt deine Freundin da auch mit drin.«
Aus dem Wohnzimmer hören sie Romanas durchdringendes Schnarchen. Während Martin trotzdem irgendwann einschläft, träumt Fassl noch eine Zeit lang, wie es wäre, wenn statt Martin jetzt seine Jutta neben ihm läge. Dann schnarcht auch er.
Kapitel 5
Er ist froh, dass er den Freund überreden konnte, mit ihm eine kleine Runde zu laufen. Schließlich hat Fassl den Termin bei Flocks Kardiologen erst um zehn, da bleibt nach dem Frühstück noch Zeit. Die Laufrunde wird dem Franz guttun, denkt Martin, und dass er vielleicht wieder Lust auf Bewegung kriegt. Außerdem haben sie dann Gelegenheit, über Flock zu reden, ohne dass Romana sich einmischt. Franz hat von seinem Chefinspektor grünes Licht bekommen, die Causa Flock ganz vorsichtig auszuleuchten. Promi-Alarm, und kein Wort zu den Medien! Der Glück aus Wien könnte da ja die Taschenlampe halten, meinte Fassl.
Martin trabt absichtlich langsam den Mühlbach entlang. »Fassen wir zusammen: Wer hätte ein Motiv, Flock umzubringen? Vorausgesetzt, dass die leere Schrittmacherbatterie nicht nur ein technisches Versagen war.«
Franz spürt schon nach wenigen Metern eine gewisse Kurzatmigkeit. »Die Ehefrau und ihr Liebhaber, würd ich sagen. Andererseits kommt mir das auch sehr aufgʼlegt vor. Zu offensichtlich. Auf jeden Fall schau ich mir die zwei genauer an.« Er legt einen kurzen Stopp ein, um Luft zu holen.
Martin bleibt brav stehen. »Es könnt ja auch jemand aus dem geschäftlichen Umfeld sein. Ein Konkurrent, ein gʼschasster Angestellter, was immer. Vielleicht hat er auch unsaubere Geschäfte gemacht und jemandem geschadet. Wär ja nicht der Erste in der Branche.«
Fassl nickt zustimmend und setzt sich wieder in Bewegung. »Und das Testament muss man sich auch anschauen, wer davon profitiert. Wer weiß, ob nicht die Romana …«
»Jetzt hörst aber auf!« Martin legt an Tempo zu und läuft dem Freund davon. Franz hechelt hinterher und unterdrückt ein Lachen, als Martin über eine Wurzel stolpert und beinah hinfällt. »Du bist befangen, Martin, und ich glaubʼs ja auch nicht. Aber ausschließen darf man gar nix.«
»Ja, spinnst du? Die Romana hätt doch viel mehr Vorteile gehabt, wenn er sie geheiratet hätt. Glaubst, die murkst ihn ab, bevor sie Frau Flock ist?« Er dreht sich zu Franz um, den er abgehängt hat. »Na, wo bleibst denn jetzt? Hast wohl zu viele Salzburger Nockerl verputzt?« Während die Worte seinen Mund verlassen, bereut er sie schon und schämt sich. Er bleibt stehen und wartet auf den Freund. »Entschuldige, das war gemein von mir.«
»Is scho gut. Mir schmecken die halt. Ich weiß übrigens, wo sie besonders gut sind. Wir könnten …«
Martin winkt ab. Er mag sie nicht, schon beim Anblick könnt ihm schlecht werden. Und irgendwo hat er gelesen, dass die Einheimischen einen weiten Bogen um die Eiweiß-Zucker-Bomben machen.
Sie laufen weiter, obwohl Franz fast am Ende seiner Kräfte ist. Keuchend: »Aber jetzt ehrlich, woher weißt denn, dass das mit dem Heiratsantrag überhaupt stimmt? Die Information haben wir doch nur von der Romana. Und so was ist doch normalerweise immer mit einem Ring verbunden. Und, hat er ihr einen gegeben? Hast du einen gesehen?«
Hat er nicht, das ist allerdings ein Argument. Trotzdem kann Martin sich Romana nicht als Mörderin vorstellen. Intrigen traut er ihr zu, Diebstahl, Betrug, sogar, dass sie eine Nebenbuhlerin im Affekt vors Auto stößt. Aber den Flock töten, ihre Lebensliebe? Nein, auf keinen Fall. »Blödsinn! Wenn der sich schon mit ihr in der Öffentlichkeit zeigt, dann wird das wohl stimmen. Und warum hätte sie sonst drauf gedrängt, dass eine Obduktion gemacht wird?«
»Die wär sowieso g’macht worden.« Franz schaut auf seine Uhr und denkt, dass Tage nicht damit beginnen sollten, dass man sich verausgabt. »Dreh ma jetzt endlich um? Ich muss zur Arbeit!«
Als sie in der Wohnung ankommen, finden sie eine Notiz von Romana. Sie sei in der Stadt, um ein angemessenes Witwenoutfit zu kaufen. »Also, da hätt ma uns die Anstrengung sparen und hier alles gemütlich besprechen können, wenn die eh weg ist«, murmelt Franz und verschwindet im Bad.
***
»Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Pongauer, Facharzt für Kardiologie und Interne Medizin. Keine Kassen« steht auf der Messingtafel. Vornehm, das Haus respektive die Villa im eleganten Vorort Anif. Gründerzeit im Topzustand mit manikürtem Parkgarten und Teich. Allein der Zaun, über den er jetzt späht, dürfte mehr gekostet haben als ein Kontrollinspektor in zwei Jahren verdient, denkt Fassl mit einem seltenen Anflug von Neid.
Auf sein Läuten öffnet sich das Gartentor geräuschlos, und vor dem Eingang wartet der Hausherr auf den Besucher. Er begrüßt Fassl mit einem herzlichen Händedruck. »Guten Morgen, Herr Inspektor – oder heißt das Kommissar? Ich kenn mich da nie so genau aus. Hab ja auch wenig zu tun mit der Kriminalpolizei.«
»In meinem Fall Kontrollinspektor – Franz Fassbinder.« Auf den ersten Blick erscheint der Hausherr eher jovial als professoral. Vielleicht Anfang fünfzig, blond-grau meliertes, sehr kurz geschnittenes Haar, randlose Brille, mittelgroß, ein schlanker, athletischer Typ mit gepflegter Oberklassenbräune. Ein Sportler, denkt Fassl und tippt auf Segeln und Skifahren, vielleicht noch Golf. Obwohl Pongauer mit Jeans und hellblauem Polohemd leger angezogen ist, umgibt ihn eine Aura von Geld und Macht. Er wirkt grundsätzlich sympathisch, wenn auch seine Freundlichkeit eine kleine Spur herablassend daherkommt. Fassl kennt diesen Typus, für den es ein Polizist halt nie auf Augenhöhe schafft. Hättest in der Schule besser gelernt, denkt er, und dass es super wäre, wenn er den Fall Flock quasi im Alleingang lösen würde. Große Presse in Österreich, die den Helden von Salzburg feiert. Und dann würde ihn seine Ex anflehen, sie wieder in sein Herz zu schließen …
Franz stolpert beinah über den Perserteppich und erwacht aus Tagträumen. Professor Pongauer führt den Besucher in sein Besprechungszimmer. Sie durchqueren den Warteraum, der mit englischen Fauteuils, Designertischen und offenem Kamin eher an einen Salon erinnert. So einen Arzt würde Franz sich nie leisten können. Aber hoffentlich auch nie brauchen. Schnell schickt er ein Versprechen ans Universum, in Zukunft wieder gesünder zu leben. Immerhin war er heute früh schon joggen.
»Sie kommen wegen der schrecklichen Sache mit Hugo Flock, sagten Sie am Telefon. Wie kann ich Ihnen helfen?«, eröffnet Pongauer das Gespräch und bedeutet dem Kontrollinspektor, auf einem Ledersofa Platz zu