Glück in Salzburg. Hannelore Mezei

Glück in Salzburg - Hannelore Mezei


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Wien ein neues Hobby entdeckt: Kochen.

      Man siehtʼs, denkt Martin, sagt aber nichts, sondern lobt die Wohnung in den höchsten Tönen, holt sein Ladekabel aus dem Koffer, findet eine Steckdose und schließt sein Telefon an.

      »Ich hab mich schon gewundert, dass ich dich nicht erreicht hab«, sagt Franz.

      Auf der Liste verpasster Anrufe taucht Romana viermal auf.

      Fassl zeigt Martin, wo er seinen Kofferinhalt deponieren kann, und nimmt das Gastgeschenk, eine Flasche Whisky, in Empfang. Dann muss er in die Küche, sein Bierfleisch umrühren, es riecht herrlich, und Martin spürt, dass er Hunger hat.

      »Noch eine Viertelstunde, dann ist es fertig.« Franz holt zwei Stiegl-Bierflaschen aus dem Kühlschrank, und sie setzen sich an den Küchentisch. »Prost, Franz.«

      »Prost, Martin.«

      Es ist wie in alten Zeiten in Wien, und Martin fragt vorsichtig: »Geht’s dir gut, hast dich schon eingewöhnt?«

      Kurzes Schweigen. Franz trinkt erst einmal, dann stellt er seine Flasche ab. »Na ja, so einigermaßen. Wenn ich gewusst hätt, dass sie dich zurück nach Wien lassen, wär ich vielleicht geblieben, weißt du. Die Salzburger sind schon anders drauf.«

      »Wie denn?«

      Achselzucken. »Freundlicher als die Wiener, aber irgendwie anders. Ihre pauschale Touristennettigkeit kann einen ganz schön anzipfen,«

      »Vielleicht nerven dich nur die Touristen, Franz. Wie sind denn die Kollegen so?«

      »Nett«, sagt Franz. »Besonders meine Vorgesetzte. Aber die hat so einen Fitnesswahn: Skifahren, Langlaufen, Bergsteigen, Joggen … Dauernd liegt sie mir in den Ohren, dass ich beim Polizeisportverein mitmachen soll.«

      »Schaden könnt’s nicht.« Martins Blick wandert zu Fassls Bauch, der in Wien fast gänzlich verschwunden war.

      »Jetzt fang du nicht auch noch an.« Franz rührt kurz in seinem Bierfleisch und verrät auch gleich sein Rezept: geschmortes Rindfleisch mit Zwiebeln und Bier und Schwarzbrotstücken, Koriander, Wacholder und Kümmel. Er setzt sich wieder zu Martin. »Ich glaub nicht, dass ich ein glücklicherer Mensch war, als ich zehn Kilo weniger hatte. Sie hat mich trotzdem abserviert. Aber ehrlich gesagt hab ich eh nie ganz glauben können, dass wir zwei zusammengehören. Ich war einfach nicht gut genug für sie. Und weil sie das nicht sagen konnte, meinte sie halt, ich sei ›zu nett‹. Gut, ich habʼs kapiert. Aber jetzt tue ich das, was mich halt auch glücklich macht: Essen. Kochen. Bier trinken. Im Fernsehen Fußball schauen. In Action-Filme gehen, die so blöd sind, dass sie mich von meinem Kummer ablenken. Verstehst?«

      Martin ist klar, was seinen Freund bewegt. »Vielleicht haben wir zwei einfach kein Glück bei Frauen. Vielleicht sollten wir beide heiraten?«

      Fassl beginnt zu lachen, und Martin denkt, wie schade, dass Franz keine Frau ist, das könnte echt hinhauen …

      »Du, ich muss die Romana anrufen. Hast ja sicher in den Nachrichten gehört, dass der Flock gestorben ist.«

      Fassl steht schon wieder am Herd. »Man redet hier von nichts anderem. Die Jedermann-Premiere und der Flock. Vom Leben und Sterben des reichen Mannes. Eine seltsame Parallele, findest nicht?«

      Martin wählt Romanas Handynummer, und sie antwortet sofort. »Martin! Endlich! Weißt du, wie oft ich dich schon angerufen habe?«

      Hunderte Male, denkt Martin und entschuldigt sich mit der Lüge eines verlorenen Ladegeräts. Aber jetzt sei alles wieder in Ordnung, und er sei in Salzburg zu Besuch bei Fassl und …

      »Geh bitte!«, sagt Romana. »Warum sagst das nicht gleich?! Ich bin auch in Salzburg, natürlich, weil ich mit dem Hugo bei der Jedermann-Premiere war. Stell dir vor, ich saß neben ihm! Es ist alles so furchtbar! Du musst sofort herkommen!«

      Ihre Stimme klang selten derart hysterisch. Martin holt tief Luft: »Du, ich bin grade beim Franz angekommen, und er hat was gekocht und … Hat das nicht bis morgen Zeit?«

      »Nein, hat es nicht, Martin! Der Hugo ist ermordet worden, und du musst mir helfen! Bitte! Hab ich dich jemals um was gebeten?«

      Oh ja, denkt Martin, sehr oft sogar. »Gut, ich komme, aber heute nur kurz, sonst ist mein Gastgeber böse, verstehst? Wir haben uns seit Wien nicht mehr gesehen, der Franz und ich.«

      Es interessiert sie überhaupt nicht. Romana nennt ihm ihre Adresse in der Franz-Joseph-Straße, Ecke Schrannengasse, und fügt noch hinzu, dass er sich beeilen soll.

      Franz ist sauer, und Martin verspricht, ganz schnell wiederzukommen. Gibt die Adresse in sein Handy ein und ist relativ schnell da, nur findet er keinen Parkplatz und lässt den Wagen schließlich im Parkverbot stehen.

      ***

      Das Haus ist alt und prächtig, und in der Beletage öffnet ihm Romana die Tür zu einer Sieben-Zimmer-Altbauwohnung. Sie wirkt klein und verloren darin, ihre Augen sind verweint, und die Haare sind nicht so perfekt, wie er es kennt. Zum ersten Mal sieht Romana aus wie eine über Siebzigjährige. Er drückt sie an sich, und Romana löst sich schließlich von ihm.

      »Danke, dass du gekommen bist, Martin. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun soll. Heute war ich bei der Polizei, die haben mich als Zeugin vernommen, so ein junges Bürscherl, weißt du, frisch von der Uni und so was von präpotent. Ich hab es schon am Premierenabend gesagt, und ich hab es ihm gegenüber wiederholt: Hugo ist nicht an Herzversagen gestorben, hundertprozentig nicht. Der war doch noch am Freitag zu einer Privataudienz bei seinem Kardiologen, um den Herzschrittmacher checken zu lassen. Und alles war völlig in Ordnung. Und dann geht er einen Tag später zum Jedermann und bricht tot zusammen?! Das ist ja wohl eine Farce. Wer glaubt denn so was!«

      Sie stehen immer noch im Flur, der mehr einem Empfangssaal gleicht. Barocke Möbel, Kristalllüster, er muss Romana nicht fragen, wem die Wohnung gehört: Hugo Flock. »Jetzt beruhige dich erst einmal, sollen wir uns hinsetzen?«

      Sie geht voraus ins Wohnzimmer, riesig, Barock und falsches Rokoko, bestechend ungemütlich.

      »Magst was trinken?«

      Martin schüttelt den Kopf. Romana schenkt sich ein gewaltiges Glas Hennessy ein und nimmt einen kräftigen Schluck. »Es ist meine Schuld. Irgendwie ist es meine Schuld. Weil Hugo diesen Jedermann nicht leiden kann und gar nicht hinwollte. Und dann ist er während der Vorstellung ein paarmal eingenickt, und ich hab ihn geschubst. Auch gegen Ende, aber da hat er nicht reagiert, und ich dachte mir, der wacht sowieso vom Applaus auf, und dann, als das nicht geschah, hab ich ihn nochmals geschubst, und dann fiel er nach vorn und auf den Boden … Oh Gott, Martin, Hugo ist tot! Und er hat mir vor der Premiere noch einen Heiratsantrag gemacht, stell dir vor!«

      Er war doch noch verheiratet, denkt Martin, sagt aber lieber nichts.

      Sie liest Gedanken: »Er wollte sich scheiden lassen, war sogar schon beim Anwalt. Diese Schlampe hat ihn nach Strich und Faden betrogen, und er wollte endlich seinen Frieden – und mich. Und dann stirbt er mir weg … quasi unter den Händen. Das war kein Zufall, das war Mord! Und die Trottel von der Polizei glauben mir nicht. Du musst was tun, Martin. Du bist der Einzige, der mir helfen kann!«

      Oh, wie er seinen Entschluss bereut, nach Salzburg gefahren zu sein! Martin holt tief Luft, bevor er sagt: »Ich kann hier nichts machen, Romana. Dafür sind nun mal die Salzburger Kollegen zuständig. Und wenn ich das richtig verstanden habe, wird Flocks Leiche obduziert. Falls irgendwas nicht koscher war, wird die Leiche das verraten.«

      Romana ist unbeeindruckt. »Du bist doch privat hier, da kannst du doch undercover ermitteln. Und außerdem deinen Freund bespitzeln, den …«

      »Fassl. Franz Fassbinder. Ja, ich kann ihn fragen, ob er irgendwie in den Fall involviert ist. Das kann ich für dich tun, Romana. Aber ich muss mich hier auch noch um eine andere Sache kümmern, eine obskure Briefkastenfirma zum Beispiel. Also … warten wir doch erst einmal das Ergebnis der Obduktion ab, dann sehen wir weiter.«

      Sie sieht ihn vorwurfsvoll an. »Also wirklich, von dir hab ich mir mehr Hilfe erwartet. Aber gut,


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