Glück in Salzburg. Hannelore Mezei

Glück in Salzburg - Hannelore Mezei


Скачать книгу
öffnet die Augen und schließt sie gleich wieder. Zu viel Sonne zu früh am Morgen! Beim zweiten Anlauf hält er dem grellen Morgenlicht schon eher stand. Ein Blick auf seine Uhr zeigt außerdem halb zehn. Von wegen »zu früh am Morgen«!

      Freund Fassl muss längst im Büro sein, er hat nur vage mitbekommen, wie die Tür ins Schloss fiel. Martin streckt sich in dem Gästebett, das gar nicht so unbequem ist. Schön, einmal richtig auszuschlafen! Natürlich wird er der Sache mit der Briefkastenfirma nachgehen, wenn er von der Postdirektion den Namen bekommt. Aber das hindert ihn ja nicht daran, den Tag gemütlich zu beginnen. Allerdings mit einer kleinen Sorge und einem Anflug von schlechtem Gewissen beim Gedanken an Romana. Er hätte gestern vielleicht doch länger bei ihr bleiben sollen. Aber sie ist andererseits nicht der Typ, der in Selbstmitleid versinkt. Und in welchem Maß ihre jetzige Verzweiflung ausschließlich von der Trauer um Flock getragen wird, weiß er auch nicht. Die entgangenen Milliarden dürften wohl auch eine Rolle spielen …

      Nach ein paar Dehnungsübungen springt er aus dem Bett. Der Blick aus dem Fenster hält, was die Sonnenstrahlen versprochen haben: Salzburg einmal nicht im legendären Schnürlregen, sondern bei prachtvollem Juliwetter. Wohin soll er zuerst? Vielleicht auf den Mönchsberg? Oder den Kapuzinerberg? Salzburg von oben wär für den Auftakt gar nicht schlecht.

      Zwanzig Kniebeugen und eine Dusche später ist er bereit für die Herausforderungen, die Fassls komplizierte Kaffeemaschine an ihn stellt. Zwar hat dieser sie ihm gestern Nacht noch erklärt, doch Martin hat alles wieder vergessen, und die vielen Knöpfe an dem Gerät machen die Sache nicht besser. Er holt das Handy aus der Jackentasche, um Fassl zu fragen. Zwei Anrufe von Romana auf dem Display, er hatte vor dem Schlafengehen auf stumm geschaltet. Okay, sie tut ihm leid. Aber er sich auch. Also alles schön der Reihe nach: zuerst Fassl, dann Kaffee, Frühstück, ein Telefonat mit Romana und nachher auf den Mönchsberg.

      »Hast gʼschaut, ob der Stecker drin ist? Die Steckdose ist ganz unten hinter dem Eckkastel«, verrät Franz am Telefon gleich die Lösung des Problems. »Den zieh ich nämlich immer raus, weil wenn die Kaffeemaschine gleichzeitig mit dem Geschirrspüler – na ja, ist ja auch egal. Probier jetzt noch einmal.«

      Haut hin – der Tag kann beginnen. Martin macht es sich mit Kaffee, Schinken, Käse, Butter und Bauernbrot am Küchentisch gemütlich. Kaum hat er mit dem Frühstück begonnen, ruft Franz zurück.

      »Funktioniert alles bestens, danke der Nachfrage.«

      »Deswegen ruf ich nicht an. Wir haben einen Notruf hereinbekommen. Einbruch. Weißt wo? In der Franz-Josef-Straße. Und der Anruf kam von einer gewissen Romana Flock.«

      Das Urlaubsfrühstücksgefühl endet abrupt. »Einbruch? Wieso Flock? Damit hat sie bestimmt das Türschild gemeint.« Martin ist sich aber gar nicht so sicher, ob Romanas Fantasie nicht mit ihr durchgegangen ist.

      »Der Kollege, der am Telefon war, sagt, sie war total aufgeregt und hat geschrien, sie werde bedroht. Vielleicht war ja doch was nicht ganz koscher mit dem Tod vom Flock. Wir sind jedenfalls schon unterwegs.«

      Martin ist der Appetit vergangen. Und er fragt sich, ob sie wirklich in Gefahr ist oder wieder einmal Theater spielt. Romanas Ein-Personen-Stück in der Kategorie Drama. Trotzdem: »Darf ich mit?«

      Fassl versteht. »Ja, schon. Als Freund des Opfers, rein privat halt, zur moralischen Unterstützung. Aber nicht offiziell, eh klar! Also, bis gleich.«

      Martin zieht sich hastig an und macht sich auf den Weg. Bevor er auf die Müllner Hauptstraße in Richtung Staatsbrücke fährt, hält er an und kauft sich die Salzburger Nachrichten und zwei Wiener Zeitungen. Der Tod des Hugo Flock während der Jedermann-Premiere beherrscht die Schlagzeilen. Einer der reichsten Männer Österreichs erleidet eine Herzattacke, während auf der Bühne der Tod seinen Auftritt hat. Ein gefundenes Fressen für Journalisten: Der Jedermann-Tod. Gevatter Hein holt sich Millionär aus dem Publikum. Hugo Flock überlebt Jedermann-Premiere nicht. Vom Leben und Sterben des reichen Mannes … Martin überfliegt nur kurz die Überschriften, bevor er weiterfährt. Auf einem der Fotos ist neben Flock auch Romana zu sehen. In einem grünen Glitzerkleid, das Martin sehr verwegen findet.

      Vor dem Wohnhaus steht ein Polizeiwagen, dort hat ein uniformierter Kollege Posten bezogen, der Martin nach einem Blick auf den Dienstausweis durchwinkt. Ein paar Reporter und Fotografen stehen gelangweilt herum und warten, dass es Neues zu berichten gibt. Schon im Erdgeschoss hört Martin Stimmen. Laut, anklagend, im Befehlston – Romanas unverkennbare Altstimme. Dazu hoch und schrill eine zweite Frauenstimme. Und dazwischen Fassls beruhigender Bariton. Er nimmt zwei Stufen auf einmal und ist blitzschnell in der Wohnung, deren Tür offen steht. Alle sind in der prächtigen Eingangshalle versammelt. Links von Franz Romana in einem ziemlich transparenten Baby-Doll … Meine Güte!! Martin versucht, nicht hinzusehen.

      Rechts von Franz eine blonde Frau, vielleicht Mitte dreißig, in einem schwarzen Kostüm mit High Heels, Hut und jeder Menge Schmuck. Fassl ist mit enormem Körpereinsatz beschäftigt, die beiden Frauen auseinanderzuhalten.

      »Das ist die Einbrecherin! Festnehmen!«, befiehlt Romana, als sie Martin sieht. Zur deutlich Jüngeren: »Verschwinden Sie gefälligst aus meiner Wohnung!«

      »Ihre Wohnung??«, kreischt es zurück. »Das ist meine Wohnung, ich bin schließlich die Witwe von Hugo, und Sie bloß sein Pantscherl! Und ganz zufällig hab ich einen Schlüssel, nämlich meinen Schlüssel.«

      Romana ist seltsamerweise nicht beeindruckt: »Die Ex-­Witwe – und ich bin seine Verlobte! Und Sie sind außerdem eine Mörderin! Nachdem Sie ihn schon nach Strich und Faden belogen und betrogen haben …«

      Die Blondine tötet Romana mit Blicken und lächelt dann Martin verführerisch an, der seinerseits versucht, an Romana im Baby Doll vorbeizusehen: »Haben Sie das gehört, Inspektor? Ich zeige diese alte Hexe wegen Verleumdung an – und Hausfriedensbruch und …«

      Sie hat irgendwie recht, denkt Martin und versucht ein Ablenkungsmanöver: »Wo ist eigentlich der Leibwächter?«

      Iris Flock fällt darauf rein. »Richtig, das frag ich mich auch. Er ist schließlich unser Bodyguard, der mich vor Weibern wie diesem schützen soll. Und wo, bitte schön, ist Frau Fritzi?«

      Romana weicht kein Jota. »Unsere Haushälterin war heut früh da, um mich zu versorgen und zu trösten, die Liebe. Sie ist jetzt einkaufen. Und der böse Wolf hat den Schauplatz verlassen, nachdem Hugo vom Domplatz abtransportiert …« Sie hält inne und schluchzt einmal tief, während Iris Flock entsetzt aufschreit und den Verlust eines Fingernagels beklagt, eine Folge des kleinen Handgemenges, bevor Fassl eingeschritten ist.

      ***

      Eine Stunde später sitzt Romana neben Martin im Auto. In einem grün-blau gemusterten Kleid. Auf dem Rücksitz und im Kofferraum ihr umfangreiches Fluchtgepäck. Sie sind unterwegs zum Hotel Stein. »Wenn ich schon nicht in unserer gemeinsamen Wohnung bleiben kann, dann will ich dorthin, wo wir uns verlobt haben«, hat sie sich nach ihrem unfreiwilligen Auszug für das Ausweichquartier entschieden.

      »Schau, es ist nicht eure Wohnung, sondern sie hat Flock gehört, und es war die gemeinsame Wohnung von ihm und seiner Frau«, versucht Martin seine Freundin aus ihrem Luftschloss in die Realität zurückzuholen. »Das mit dir hätt sein können, war aber halt nicht. Iris Flock ist die Witwe, nicht du.«

      »Mörderin!«, zischt Romana.

      »Hast eigentlich ein Zimmer reserviert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass während der Festspiele irgendwas frei ist.«

      Sein Telefon klingelt, und Martin hält am Straßenrand.

      Fassl: »Hast die Romana schon ins Hotel gebracht?«

      »Nein. Noch unterwegs«, antwortet er kryptisch.

      »Du, das vorläufige Obduktionsergebnis ist da.«

      Martin war noch nie so froh, keine Freisprecheinrichtung zu haben, wechselt mit dem Handy zum anderen Ohr, damit seine Beifahrerin nichts hört, und schaltet die Lautstärke auf minimal.

      »Und, alles okay?«, fragt er nach.

      »Ich weiß nicht. Der Herzschrittmacher


Скачать книгу