GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

GUARDIANS - Das Vermächtnis - Caledonia Fan


Скачать книгу
seine Zellen sich nicht mehr regenerieren. Bisher taten sie das problemlos, sogar mit atemberaubender Schnelligkeit, was bei ihm für diese rasche Heilung sorgte. Bisher. Nach dem, was ich jetzt sehe, heilt gar nichts. Die Verletzung an der Lunge wird ihn umbringen. Er stirbt, während wir hier reden."

      Tariq spürte jedes einzelne seiner Worte wie einen Schlag, der auf ihn niedersauste. Sie klangen so nüchtern und völlig unbeteiligt. Doch er kannte Issam lange genug, um zu wissen, wie es in dem Arzt aussah. "Wie lange hat er noch?" Zögernd war diese Frage gekommen, denn er fürchtete die Antwort.

      Sein Freund seufzte erneut. "Ich denke, er erlebt den Morgen nicht mehr."

      "Nein …" Es war mehr Ächzen als Sprechen.

      "Grob geschätzt", versuchte Issam die schwer im Raum lastende Behauptung zu mildern. "Wenn ich herausfinden könnte, was der Trigger für diese Veränderung war, könnte ich vielleicht etwas tun, aber so ..." Er beendete den Satz nicht.

      "Ein Trigger?" Tanyels Tonfall verriet, dass er genauso betroffen war von der Nachricht.

      Ratloses Schulterzucken war alles, was der Arzt als Antwort geben konnte. "Irgendein Auslöser, ein chemischer oder physikalischer Vorgang, ein Gift oder Strahlung, ich weiß auch nicht …"

      "Was können wir tun, Issam?", stöhnte Tariq und es klang unendlich hoffnungslos.

      "Nichts, mein Freund." Der Arzt ließ das Kinn auf die Brust sinken und schüttelte den Kopf. "Wir können ihm die Schmerzen nehmen und an seiner Seite sein. Aber mehr liegt nicht in unserer Macht. Er kann sich nur selbst retten."

      Tariq schloss die Augen atmete einmal tief durch. "Das werden wir sehen." Ein entschlossener Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. "Solange Zeit ist, tue ich, was ich tun kann." Mit diesen Worten zog er sein Jackett aus und warf es über den neben ihm stehenden Hocker. "Darf ich dein Labor nutzen?" Und nach Issams Nicken krempelte er die Hemdsärmel auf und marschierte in Richtung Treppe.

      Der Arzt folgte ihm und Tanyel - noch immer die Plastikflaschen umklammernd - sah den beiden nach.

      Mittwoch, 15:30 Uhr

      Mit einem Schmerzenslaut rieb sich Trajan die geprellte Hand und unterdrückte einen Fluch, während er irgendwo hinter sich seinen Übungsrevolver außerhalb der Matte auf den Boden der Trainingshalle scheppern hörte. Senads gut gezielter Tritt hatte ihm die Waffe aus der Hand geschmettert und sie in hohem Bogen davonfliegen lassen.

      Was war bloß los mit ihm? Wo hatte er seine Augen, wo war seine Konzentration? Er hatte Senads Fuß einfach nicht kommen sehen. Wie konnte der so schnell sein?

      Ein Blick auf Sadik, der wie immer mit vor der Brust verschränkten Armen ihren Kampf beobachtet hatte, zeigte, dass der Ausbilder missbilligend die Stirn runzelte.

      "Du bist entwaffnet, Trajan. Setz dich auf die Bank. Gut gemacht, Senad."

      Der Nahkampftrainer nickte dem Älteren zufrieden zu und winkte als nächstes Trainingspaar Hennak und - nach einem prüfenden Blick auf Shujaa - Rhea herbei. "Zwei Nahkämp­fer jetzt. Rhea, du musst unbedingt besser darauf achten, dass dich deine Waffe im Nahkampf nicht behindert. Wenn du sie aus Platzgründen nicht einsetzen kannst, dann leg sie auf den Boden, aber entferne dich niemals zu weit von ihr. Das war dir beim letzten Mal zum Verhängnis geworden."

      Während Trajan verärgert nach hinten ging, um seine eigene Waffe aufzusammeln, stand Rhea auf und fasste ihren Kampfstab entschlossen mit beiden Händen. Tief durchat­mend richtete sie ihren Blick auf Hennak, der ihr nun gegen­überstand und mit einem lässigen Grinsen seinen Übungsschlagstock einige Male in die offene Handfläche klatschen ließ.

      Trajan sah es. Doch er war sicher, dass sich Rhea von dem überlegen wirkenden Gebaren nicht beeindrucken lassen würde. Der Trainer kannte seine Leute, hatte deren Eigen­heiten und Stärken in den unzähligen Trainingsstunden genauestens analysiert. Und Rhea mit ihrer ungewöhnlichen Waffe konnte es Hennak, der auf die Kraft seiner Hiebe setzte, durchaus schwermachen, weil sie ruhiger und konzen­trierter, schneller und wendiger war als er. Die beiden bildeten ein gutes Trainingspaar. Während dieser Gedanken war Trajan zurück an seinen Platz gekommen und setzte sich wieder.

      "Trajan?"

      Er erstarrte förmlich und lauschte. Die Stimme in seinem Kopf war so deutlich, als würde Ahmad direkt neben ihm stehen.

      "Ich höre dich. Was ist los?"

      "Ist Yonas bei dir?"

      Er schaute unwillkürlich kurz zu dem Jungen hinüber, der nur zwei Plätze weiter auf der Bank saß.

      "Er ist hier."

      "Pass auf ihn auf."

      "Auf ihn ... Was meinst du? Hier beim Training? Wer sollte denn …"

      Ahmad ließ ihn nicht ausreden. Seine ungleich stärkeren telepathischen Kräfte fegten Trajans Worte einfach zur Seite und verursachten einen unangenehmen Druck in dessen Schädel. "Es ist wichtig", unterbrach er den Satz. "Lass ihn möglichst nicht aus den Augen."

      Yonas, der seinen Blick aufgefangen hatte, beobachtete ihn aufmerksam. Trajans angespannter Gesichtsausdruck und die geschlossenen Augen ließen den Jüngeren ahnen, dass dieser entweder gerade in jemandes Gedanken eintauchte oder telepathisch kommunizierte. Viele andere Möglichkeiten gab es dafür nicht.

      Schnell tauschte er mit Shujaa den Platz. "Ist Ahmad wieder wach?", flüsterte er nun seinem Nebenmann zu. "Was will er denn?"

      Trajan schüttelte nur den Kopf und bedeutete Yonas mit der Hand sich zu gedulden.

      "Keine Sorge, ich bleib in seiner Nähe. Aber ich kann ihn nicht rund um die Uhr beobachten. Das wird doch auffallen. Wie stellst du dir das vor?"

      "Dann such dir Helfer."

      "Okay, ich schau mal, was ich machen kann. Aber nur bis du wieder auf dem Damm bist, das sage ich dir. Also sieh zu, dass du schnell auf die Beine kommst." Es sollte scherzhaft klingen, doch seine Gedanken-Stimme gehorchte Trajan nicht. Ahmads Bitte verursachte ein beklemmendes Gefühl. Das klang wirklich ernst.

      Was konnte das sein, was der Kamerad befürchtete? War Yonas etwa immer noch in Gefahr? Glaubte er, die Entfüh­rung könnte noch einmal passieren?

      "Sag mir, worauf ich achten muss!", verlangte er deshalb und musterte dabei verstohlen den Blondschopf an seiner Seite. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendetwas an ihm in der Lage war, dem schwarzen Guardian Sorge zu bereiten.

      "Was ist denn los?", flüsterte es neben ihm jetzt drängend.

      Trajan hob noch einmal beschwichtigend die Hand. "Gleich, warte kurz", antwortete er leise.

      "Er ist in Gefahr und er ist selbst eine Gefahr", hörte er Ahmads Stimme nun erneut, leiser und matter als vorhin, "und er weiß nichts davon."

      "Wieso?", entgegnete Trajan verblüfft. "Erklär es mir."

      Keine Antwort.

      "Ahmad?"

      Es blieb still in seinem Kopf. Ein wenig unbehaglich schaute Trajan seinen Sitznachbarn erneut an. Yonas sollte gefährlich sein? Niemand wirkte so unschuldig wie dieser sechzehnjäh­rige Junge.

      Doch Ahmad würde ihm nicht ohne Grund auftragen ihn nicht aus den Augen zu lassen. Dummerweise war er nicht mehr dazu gekommen, es zu erklären. Und deshalb wusste Trajan immer noch nicht, warum ihm das so wichtig war.

      Eine Stunde später saß er wieder an Ahmads Bett und musterte den schlafenden Kameraden. Dunkle Schatten lagen unter den geschlossenen Augen, die das Gesicht noch blasser wirken ließen, und auf seiner Stirn waren winzige Schweißperlen.

      Erschrocken fuhr Trajan zusammen, als sich Yonas wieder neben ihm auf den zweiten Stuhl schob. Ein verhaltenes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er hätte es wissen müssen, dass der Jüngere zurückkommen würde. Alle anderen hatten das Besuchsverbot widerspruchslos hingenommen.

      Doch der erwiderte das Grinsen nicht. "Ist er wach?", formten seine Lippen stattdessen die lautlose


Скачать книгу