GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

GUARDIANS - Das Vermächtnis - Caledonia Fan


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den Kopf. "Keine Chance. Das Letzte, an das ich mich erinnern kann, ist, dass ich an der Säule vom Schultor lehnte und auf Ahmad wartete. Mann, ich hatte einen ganz schönen Brummschädel, als ich aufwachte."

      Es klang beschämt. Er hatte sich so leicht überwältigen lassen wie ein kleines Kind.

      Trajans Finger umklammerten das Physikbuch. Sollte er Yonas von seiner Vermutung erzählen? Von Ahmads Begegnung mit dem Mädchen und ihrer Drohung? Den Jungen holen ...

      Unschlüssig presste er einen Augenblick die Lippen zusammen. "Was, wenn Ahmad das eigentliche Ziel von Rayan war und du nur der Köder, um ihn dorthin zu locken?", meinte er dann leise.

      Yonas sah Trajan mit gefurchter Stirn an. "Ich weiß zwar nicht, wieso du das denkst, aber - ja, möglich", meinte er schulterzuckend. "Rayan kennt Ahmad. Das heißt, er kannte ihn schon vorher."

      "Er kannte ihn? Woher weißt du das?"

      Yonas nickte entschieden. "Weil er auf ihn gewartet hat. Als Ahmad nämlich in den Saal kam, sagte er zur Begrüßung: 'Ah, unser Ehrengast ist endlich da.'" Er überlegte kurz. "Ich frage mich nur, was Ahmads Bruder bei dem Kerl zu schaffen hat. Durch ihn habe ich übrigens erst erfahren, wer eigentlich mein Gastgeber war, denn er hat ihn mit Namen angesprochen. Ich hatte euren Lieblingsfeind bis dahin ja noch nie gesehen und kenne ihn nur von euren Berichten."

      Trajan versuchte verzweifelt die Fakten zu sortieren. Rayan war der Entführer gewesen. Tariq hatte ihn dort im Schloss gesehen und erkannt. Aber woran eigentlich? Waren die beiden sich etwa schon einmal begegnet? Wenn ja - wann? Und dieses Peitschen-Mädchen gehörte auch irgendwie dazu. War also Rayan derjenige, zu dem sie Ahmad zurückbringen sollte? Wieso zurück?

      Es gab nur eine Möglichkeit. Eine haarsträubende, doch es passte alles perfekt zusammen: ihr Teamkamerad hatte früher einmal zu Rayans Männern gehört. Dass Rayan Teenager beschäftigte, hatten sie gestern sehen können, denn die Leute, die sich ihnen im Schloss in den Weg gestellt hatte, waren alle in ihrem Alter oder nur wenig älter gewesen. Falls es sich also doch so verhielt, ergab sich die Frage, warum Ahmad heute nicht mehr bei Rayan war.

      Er seufzte. Es hatte keinen Zweck. Er fand keine Antworten. Da war so vieles, was sie nicht wussten über ihren Teamka­meraden. Nur Ahmad selber konnte Licht in dieses Dunkel bringen, oder Rayan, oder dieser La'ith. Und Letzteren wollte Trajan niemals begegnen.

      "Ich werde mal verschwinden, bevor Issam mich hier entdeckt", meinte Yonas nun, nachdem sie eine Weile einträchtig geschwiegen hatten. "Das will ich nicht riskieren." Er schnitt eine gespielt furchtsame Grimasse und lachte. Dann stand er auf und hieb Trajan die Hand auf die Schulter. "Du bleibst noch, oder? Dann schau' ich mal in der Küche vorbei. Ich wette, unser Junior-Chefkoch hat wieder was Leckeres vorgekocht, was nur aufgewärmt werden muss. Soll ich dir was bringen?"

      "Ich geh dann selbst mal rüber", murmelte Trajan abwehrend. "Aber danke."

      Der Jüngere nickte, hob plötzlich lauschend den Kopf und huschte lautlos zur Tür.

      Keinen Moment zu früh. Schritte auf der Treppe verkündeten, dass Issam aus seinem Labor hochkam.

      "Was machst du denn hier?", knurrte er misstrauisch und blinzelte Trajan müde an.

      "Ich passe auf, bis Tanyel zurück ist", gab der schlagfertig zurück.

      Der Arzt nickte stirnrunzelnd. "Gut dann bin ich deine Ablösung. Geh zum Mittagessen", wies er den blauen Guardian an.

      Trajan erkannte, dass Widerspruch zwecklos war. Nach einem letzten zögerlichen Blick zum Bett verließ er die Klinik.

      Mittwoch, 13:00 Uhr

      Es klopfte.

      Tariq sah verwundert von seiner Arbeit auf. Eine Störung um diese Zeit war eher selten.

      "Herein", rief er zögernd.

      Die Tür öffnete sich. Trajan erschien auf der Schwelle und hinter ihm schob sich Yonas in den Raum.

      "Hast du ein paar Minuten Zeit, Tariq?"

      Der Frage war anzuhören, dass die beiden etwas auf dem Herzen hatten. Mit einer einladenden Geste wies der Hausherr auf das Sofa, stand auf und kam um den wuchtigen Schreibtisch zu ihnen herum.

      "Es ist wegen Ahmad", begann Trajan, während er sich setzte und einen kurzen Blick zu Yonas warf. "Wir haben eine Menge Fragen und wir finden keine Antworten."

      "Dann heraus damit."

      Tariq wusste, dass er sich auf dünnes Eis begab, wenn er sich auf dieses Frage-Antwort-Spiel einließ. Es gab sehr viele Dinge, welche die Guardians nicht wussten. Ahmad, Yonas und auch er selbst hatten eine Vergangenheit, die für die meisten hier im Dunkeln lag. Doch er beschloss sich erstmal anzuhören, wie weit die Jungen beim Grübeln gekommen waren. Vielleicht war es ja an der Zeit, gewisse Dinge aufzu­decken.

      "Zuerst: Ist Ahmads Heilfähigkeit wieder ... intakt?" Trajan platzte förmlich damit heraus, denn es war seine wichtigste Frage.

      "Nein. Issam untersucht zwar sein Blut, hat aber noch keine Ergebnisse." Tariq schüttelte bedauernd den Kopf. "Ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis Ahmad uns selber erklären kann, woran das liegt. Wenn er das kann."

      Trajan nickte. Man sah ihm an, dass er sich eine andere Antwort erhofft hatte. "Woher kennst du Mato Rayan?", fuhr er gleich darauf fort. "Ihr müsst euch ja schon einmal getroffen haben, denn du wusstest als Einziger von uns, wie er aussieht. Und wieso glaubst du, dass er Yonas entführt hat, um an dich heranzukommen?"

      Die letzte Frage hatte Trajan bereits seit heute Morgen im Kopf. Tariq hatte in der Besprechung erwähnt, dass er vermutete, dass Rayan eigentlich ihm auf der Spur war. Seitdem grübelte der blaue Guardian über den Sinn dieser Bemerkung nach.

      "Und woher kennen sich Ahmad und Rayan? Was spielt Ahmads Bruder dabei für eine Rolle? Er ist einer von Rayans Leuten, oder? Hat er deshalb Ahmad angegriffen, obwohl der doch sein Bruder ist?"

      Yonas' Fragen prasselten auf Tariq herab wie ein Wasserfall. Längst hatte der seinen Organizer hervorgeholt und notierte die Fragen, obwohl er Mühe hatte, so schnell zu schreiben. Viele davon waren ihm nicht neu, denn sie rotierten bereits seit Stunden in seinem eigenen Kopf.

      Als er alles aufgeschrieben hatte, sah er Yonas aufmerksam an. "Woher ich Rayan kenne, werde ich euch zu einem späteren Zeitpunkt einmal beantworten", wich er aus und seine Miene wurde verschlossen. "Und über das Leben, das Ahmad geführt hat, bevor er zu uns kam, weiß ich nur, was er mir selbst erzählt hat. Er war ein Angestellter deines Vaters, der dich nach dessen Tod sofort hierhergebracht hat. Eigentlich hat er nur über dich, deinen Vater und seine Arbeit bei ihm gesprochen. Wenn er überhaupt mal etwas von seiner Vergangenheit preisgab. Er ist ja kein großer Redner."

      "Aber dieses Mädchen? Woher kennt er sie?"

      "Welches Mädchen?" Trajans Frage ließ Tariq stutzen. Mit erhobenem Stift schaute er fragend auf.

      Der blaue Guardian schilderte Ahmads Begegnung mit der Fremden und warf einen verstohlenen Blick zu Yonas, während er die Drohung des Mädchens wiederholte.

      Der Chef der Guardians runzelte verärgert die Stirn. "Wann war dieser Zwischenfall? Du hättest mir sofort danach davon berichten müssen. Mit deinem Schweigen hast du nicht nur Yonas und Ahmad, sondern uns alle in Gefahr gebracht. Vielleicht wäre dann der gestrige Abend völlig anders verlaufen." Dass das Wort 'zurückholen' für ihn ein weiteres Puzzleteil zu Ahmads Vergangenheit war, behielt er für sich. Die beiden hier vor ihm waren sowieso schon sehr weit gekommen im Knüpfen von Zusammenhängen.

      Trajan blickte ihn betroffen an nach diesen Worten. Offensichtlich hatte er erkannt, dass er einen Fehler begangen hatte, denn der junge Mann senkte beschämt den Kopf. "Daran habe ich damals nicht gedacht. Tut mir leid. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Es ist schon eine Weile her. Vielleicht drei, vier Wochen." Er dachte kurz nach und wiegte den Kopf dabei. "Ich frage mich, ob Ahmad sofort gewusst hat, dass Yonas' Entführung das war, was das Mädchen ihm damals angedroht hatte."

      "Woher


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