GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

GUARDIANS - Das Vermächtnis - Caledonia Fan


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Darach Manor und damit quasi Mädchen für alles hatte er ein enges Verhältnis zu allen Bewohnern des Hauses. Und zu denen zählte er auch den schwarzen Guardian, selbst wenn dieser nie im Haus war. Dessen war Tariq sich sicher, denn er wusste, dass Tanyel Ahmad jeden Morgen am Nordtor traf, wo er ihm sein Lebensmittelpaket für den Tag übergab.

      Auch er spürte jetzt ein Engegefühl in der Brust. Er räusperte sich, weil er seiner Stimme nicht traute. Mit einem Nicken bedankte er sich bei seinem Steward und verließ den Raum. Eigentlich sollte er jetzt beruhigt sein, doch das Gefühl wollte sich nicht einstellen.

      Mittwoch, 07:30 Uhr

      In dem holzvertäfelten, rustikal eingerichteten großen Besprechungsraum im Erdgeschoss von Darach Manor waren alle Guardians vollzählig versammelt. Sie wussten, dass Tariq den vergangenen Einsatz wie immer mit ihnen auswerten würde und waren gespannt auf das, was er ihnen zu sagen hatte. Eigentlich tat er das sonst immer am Abend. Aber nach der Heimkehr war der Chef mit Yonas und den leicht Verletzten Koll und Shujaa in Issams Klinik verschwunden. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Yonas Issams Anweisung befolgt hatte, kam er zu ihnen ins Speisezimmer, verkündete, dass die Auswertung am nächsten Tag stattfinden würde und wünschte ihnen eine gute Nacht.

      Heute aber war außer dem ungewöhnlichen Zeitpunkt noch irgendetwas anders. Spannung schien in der Luft zu liegen wie der Vorbote von etwas Schlechtem, Bedrückendem. Es gab keine Gespräche, alle schwiegen und waren in Gedanken. Senad, Trajan und Shujaa, die an den vergangenen Abend im Wald dachten, warteten besonders ungeduldig auf Tariq. Gemäß seiner Anweisung hatten sie niemandem etwas erzählt.

      Tiana tauschte einen verzagten Blick mit Rhea und seufzte leise. Gestern war der Chef sicher nicht zufrieden mit ihnen gewesen, grübelte sie. Das Ganze hatte sich doch ziemlich chaotisch abgespielt und der Ausgang konnte - wenn man es recht betrachtete - eigentlich nicht anders als pures Glück genannt werden.

      Unauffällig musterte sie Trajan. Ihr Bruder war ungewöhn­lich schweigsam heute Morgen. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Auf ihre Frage, was los wäre, hatte er vorhin nur abgewinkt und erklärt, dass seine Nacht miserabel gewesen sei. Er sieht wirklich übernächtigt aus, dachte sie und die gewohnte schwesterliche Sorge stellte sich ein, als sie ihn so schweigsam in einer Ecke des großen Ledersofas hockend vor sich hinstarren sah.

      Als Tariq eintrat, richteten sich automatisch alle Blicke auf ihn. Er blieb einen Augenblick unschlüssig stehen und musterte die jungen Leute vor sich. Tiana konnte sehen, wie sich ein harter Zug um seine Mundwinkel bildete. Sie kannten das. Tariq machte sich um etwas Sorgen.

      Jetzt trat er an eines der großen Westfenster und sah einen Augenblick hinaus in den Garten. "Es gibt schlechte Neuig­keiten", begann er schließlich und drehte sich wieder um. "Ahmad wurde gestern Abend bei dem Kampf im Schloss verwundet und schaffte es nicht, allein zurückkehren. Aus irgendeinem Grund heilen seine Verletzungen nicht so rasant wie sonst."

      Hier machte er eine winzige Pause und fuhr dann fort. "Aber er hat Trajan kontaktiert und dank Shujaas Fähigkeit konnten wir ihn an der westlichen Grundstücksgrenze finden. Senad und Trajan haben ihn ins Haus gebracht. Issam hat ihn unten bei sich in der Klinik behalten." Erneut hielt er kurz inne, dann hob er den Kopf und schaute in die Runde. Atemlose Stille und gespannte Mienen zeigten ihm, dass alle zuhörten. "Er ist schwer verletzt, aber der Doc meint, dass er durchkommen wird", beeilte er sich hinzuzu­fügen.

      "Was … welche …" Tiana war die Erste, die ihre Stimme wiedergefunden hatte nach der Nachricht, doch sie brachte ihren Satz nicht zu Ende.

      Doch Tariq verstand, was sie fragen wollte. "Eine ausge­renkte Schulter, ein doppelt gebrochenes Schlüsselbein, gebrochene Rippen, die die Lunge verletzt haben, eine Wunde an der rechten Schulter und eine Kopfverletzung."

      Der Ausdruck der Erwartung auf den Gesichtern um ihn herum wandelte sich während dieser Aufzählung mehr und mehr in Bestürzung. Keiner sagte ein Wort.

      Trajan spähte unauffällig zu Shujaa hinüber und der hob im selben Moment den Kopf und sah ihn an.

      Der Chef schwieg. Er ließ seine Worte wirken, gab ihnen Zeit, sie zu begreifen.

      "Aber …" Rhea flüsterte fast, als sie das Wörtchen hervor­stieß, "wie kann das sein? Warum kann er das alles nicht wie immer im Handumdrehen heilen?"

      "Das … Ehrlich gesagt wissen wir es nicht. Doch wir hoffen inständig, dass es nur vorübergehend ist", gestand Tariq.

      "Was sagt der Schwarze denn selbst, wie das passieren konnte?", wollte Hennak wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.

      Der Hausherr schüttelte bedauernd den Kopf. "Wir konnten ihn noch nicht fragen. Er war bewusstlos, als wir ihn fanden, und er ist noch nicht zu sich gekommen."

      Tiana hatte bei Tariqs Worten gespürt, wie ihr Herz ein paar schmerzhafte Sätze machte und jetzt wie zum Zerspringen hämmerte. "Wer hat ihn so zugerichtet? War sein Gegner so stark? Oder hatte er gleich mehrere?" Ihren Worten war ihre Fassungslosigkeit anzumerken. Ahmad war verletzt ...

      "Ich habe keine Ahnung, doch ich vermute, dass er sich nicht so erholt wie sonst, hängt auf jeden Fall mit den gestrigen Ereignissen im Schloss zusammen."

      "Wie kommst du darauf?"

      Die Frage war von Sadik gekommen. Wie immer komplett in Schwarz gekleidet saß der sechsundzwanzigjährige Nah­kampftrainer der Guardians mit dem militärisch kurzen Haarschnitt verkehrt herum auf einem Stuhl am Kamin und hatte die muskelbepackten Arme auf die Lehne gelegt.

      Tariq warf ihm einen kurzen Blick zu und holte tief Luft.

      "Mato Rayan war dort, oben in der großen Halle. Wahr­scheinlich hat er Yonas entführen lassen, um endlich an mich heranzukommen. Bis zu einem gewissen Grad ging sein Plan ja auch auf."

      "Rayan war selbst da?" Shujaas Stimme war das Erstaunen anzumerken.

      Automatisch richteten sich die Blicke aller auf Yonas, der ihn ja dann auch gesehen haben musste.

      Der eher schmächtige Blondschopf, der es mit Unbehagen bemerkte, wurde etwas kleiner auf seinem Sitzplatz.

      Keiner von ihnen hatte diesem Mann bisher von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden. Doch jeder kannte ihn, zumindest dem Namen nach. Seine Leute führten seine Befehle rücksichtlos und konsequent aus, während er selbst dabei immer im Hintergrund blieb.

      "Ja", bestätigte Tariq, "das war er. Aber zurück zu Ahmad. Meine Frage an die drei Teams, die ich ihm zur Unterstüt­zung geschickt habe, ist: War etwas ungewöhnlich an ihm, bevor ihr da reingegangen seid? Ist euch etwas aufgefallen, wirkte er verändert?" Hier ließ er den Blick über die betref­fenden sechs Guardians schweifen und holte sich ihr Kopf­schütteln als Bestätigung seiner Vermutung. "Gut, wenn vorher mit ihm alles in Ordnung war, muss irgendetwas im Schloss vorgefallen sein, das diese Veränderung bei ihm bewirkt hat. Und keiner von uns hat etwas bemerkt. Deshalb sind wir auch nach dem Ende der Aktion ohne ihn heimge­fahren, wie gewohnt."

      In der Pause, die Tariq jetzt machte, rasten Trajans Gedanken. Wann hatte Ahmad realisiert, dass seine Verletzungen diesmal nicht heilten? Schon im Schloss? Aber warum hatte er dann nicht gleich etwas gesagt?

      Nein. Es musste später geschehen sein, als er auf dem Heimweg war. Zu Fuß. Wo war sein Wagen? Warum war er nicht zurückgefahren? Konnte er nicht? Dann hätte er doch stattdessen Hilfe rufen können! Dieser Mister "ich-brauch-keine-Hilfe-von-niemandem" war so ein sturer Idiot ...

      Wieder nein, Senad hatte ja gesagt, dass Ahmads Handy irgendwo im Schloss war. Sicher hatte er es dort verloren. Also konnte er niemanden herbeirufen und musste auf die Telepathie zurückgreifen, was er sonst so gut wie nie tat.

      "Was danach mit ihm geschah oder wohin er gegangen ist, weiß keiner. Auch nicht, wo sein Auto ist und wieso er zu Fuß unterwegs war." Tariq hatte weitergesprochen und seine Grübeleien unterbrochen. Der Chef ging vom Fenster zur Sitzgruppe und setzte sich dort in den letzten freien Sessel am Kamin, direkt unter dem großen Ölgemälde, das seine Eltern zeigte. Eindringlich richtete er den Blick seiner dunklen Augen auf seine Zuhörer.

      "Das


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