GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

GUARDIANS - Das Vermächtnis - Caledonia Fan


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war von den Kameraden Triple-S getauft worden - würden sie bei seiner Rückkehr mit Sicherheit wichtige Informationen mitbringen.

      Für heute Abend musste er den Schutz des Anwesens der neuen Alarmanlage überlassen. Ihr Radius umfasste das gesamte Gelände und würde ihnen beim Eindringen uner­wünschter Gäste mehr Zeit geben als die bisherige, die nur das Gebäude selbst abdeckte. Senad und Gazanfer hatten sie selbst konstruiert. Der Waffenlehrer der Guardians, den alle nur Gaz nannten, war ein begnadeter Tüftler. Sie war noch nicht voll ausgereift und sie bot nicht den gleichen Schutz wie Ahmads Barriere, doch das ließ sich momentan nicht ändern. Die Schule war schließlich öffentlich und konnte nicht in eine Festung umgewandelt werden. Aber der heutige Abend zeigte, dass er sich in einer falschen Sicherheit gewiegt hatte. Mato Rayan hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, um zuzuschlagen.

      Trotz der Blutflecke darauf hängte er Hose und Oberhemd sorgsam über den Kleiderständer, Bewegungen, die er wie jeden Abend automatisch und ohne nachzudenken verrichte.

      Als er sich kurz darauf in seinem luxuriösen Bad langsam ins warme, duftende Wasser gleiten ließ, ächzte er leise. Rayan und er hatten sich nichts geschenkt. Es war extrem anstren­gend, den Einschlag von Energiegeschossen abzufangen mit einem Schutzschild, der ebenfalls aus purer Energie bestand. Die Erschütterung der Aufschläge konnte er im gesamten Körper spüren, doch sein ganzer linker Arm bis hinauf in die Schulter tat besonders weh.

      Zum Glück waren alle Guardians bis auf kleine Blessuren unversehrt geblieben. Issam hatte ihm nach Kolls Behand­lung versichert, dass dessen Verletzung am Bein in ein paar Tagen verheilt sein würde und die ungewöhnliche Waffe, von der Shujaa erwischt worden war, hatte nach Meinung des Arztes mehr an dessen Selbstbewusstsein gekratzt als an seinem Arm.

      Tariq hoffte inständig, dass auch Ahmad sich bald erholen würde. Den Gedanken, dass der knapp Zwanzigjährige sterben könnte, verbot er sich rigoros. Das durfte einfach nicht passieren.

      Was war das vorhin nur gewesen bei Yonas, dieses gelbe Licht? Energie, die er freigesetzt hatte? Wohnte sie schon immer in ihm und war nun erstmals durch irgendetwas ... erweckt oder aktiviert worden? Warum hatte niemand etwas davon gewusst und warum schien sogar Yonas selbst davon überrascht gewesen zu sein? Zu was war diese Kraft noch fähig? Sie hatte Rayans energetische Fessel einfach aufgelöst, als wäre diese lediglich dünn wie ein Spinnennetz gewesen!

      Tief durchatmend legte er den Kopf zurück auf den Wannenrand. Er war müde, einfach müde. Morgen - oder besser nachher - würde er hoffentlich herausfinden, was da eigentlich passiert war. Aber jetzt nicht.

      Während er sich langsam entspannte, dachte er daran, wie Issam und Tanyel sich unten um Ahmad kümmerten. Da war so viel Blut gewesen ... so viel Blut … eine riesige Menge Blut, die sich ausbreitete, zu einem See wurde ... ein See aus Blut ...

      Er schrak zusammen, weil er merkte, dass er fast einge­schlafen wäre. Schwerfällig stieg er aus der Wanne und hüllte seine schlanke, hochgewachsene Gestalt in einen weichen schwarzen Bademantel. Mit dem Ärmel wischte er über den beschlagenen Spiegel über dem Waschbecken. Ein müdes Gesicht schaute ihm daraus entgegen. Die fast schwarzen Augen lagen tief in den Höhlen und waren unter den dichten Augenbrauen kaum zu sehen.

      Du wirst alt, mein Freund, murmelte er sich selbst zu, während er ins Schlafzimmer ging. Fünf Minuten später schlief er schon.

      Mittwoch, 01:05 Uhr

      Trajan wälzte sich unruhig herum. Der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Es lag nicht am Bett und auch nicht am Voll­mond, der auf den gepflegten Rasen hinter dem großen Gebäude schien. Die Müdigkeit war da.

      Aber er war zu aufgewühlt, zu verstört. Das Bild, wie Ahmad auf dieser Lichtung lag, hatte er zwar ständig vor Augen, doch er bekam es einfach nicht in seinen Kopf hinein. Der schwarze Guardian konnte nicht schwach sein, nicht verletzt und hilflos. Er war immer stark, ruhig, besonnen, überlegen.

      Der schwarze Guardian ...

      Eigentlich gab es einen solchen gar nicht. Irgendjemand hatte es mal gesagt, mehr im Scherz, weil Ahmad immer schwarz gekleidet war. Und die Bezeichnung hatte sich gehalten. Sie passte ja auch gleichzeitig zu seinem fast düsteren Wesen und seinem abweisenden Blick. Sein auffälligstes Kennzeichen war der wadenlange, hinten geschlitzte Mantel. Er trug ihn immer, Tag für Tag, sommers wie winters. Genau wie sein Kampfmesser. Eine gefährliche Waffe aus einem matt schimmernden, dunklen Metall gefertigt, mit einer gezackten Klingenrückseite und einem hell funkelnden Edelstein am Heft. Hennak fragte sich ständig, ob es ein echter Diamant war, aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als Ahmad darauf anzusprechen.

      Immer wieder versuchte Trajan den Gefährten telepathisch zu erreichen. Er verspürte bereits Kopfschmerzen durch die ständige, intensive Konzentration. Doch da war nichts, nur völlige Stille.

      Erneut wälzte er sich herum. Wenn er die Augen schloss, sah er die Blutstropfen auf den hellen Bodenfliesen des kleinen Foyers, Tariqs rot verschmierte Kleidung und Hände. Hilflos presste er die Handballen auf die geschlossenen Lider, doch das Bild ließ sich dadurch nicht vertreiben.

      Was, wenn Ahmad es nicht schafft, fragte er sich und sein Herz schlug schneller bei diesem Gedanken. Was wird dann werden? Er ist einer von uns, auch wenn er das selbst nicht so sieht, und es wäre wieder Rayan, der ihn auf dem Gewissen hat. Wie Orell ...

      Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, an dem sie Ahmad kennengelernt hatten. Ungefähr ein Jahr war es jetzt her, dass der Chef den schmächtigen und abweisend wirkenden Typen während des Abendessens in den Speisesaal geschoben und als neues Mitglied der Guardians vorgestellt hatte. Seitdem erledigte er mit ihnen zusammen die von Tariq vergebenen Aufträge. Inzwischen war er ihr Teamleader, jedoch nicht weil er das sein wollte, sondern weil er das hatte, was ein Anführer brauchte: Beherrschung, innere Ruhe und einen kühlen Kopf in jeder Situation. Tariq vertraute ihm voll und ganz.

      Wieder seufzte der blaue Guardian, dann setzte er sich auf und starrte durchs Fenster hinaus in die mondhelle Aprilnacht. Gleich hinter dem Haus begann der riesige Wald. Mittendrin in westlicher Richtung lag das Schloss und irgendwo auf dem Weg dorthin war auch die kleine Lichtung mit der Hütte …

      Ob Shujaa und Senad auch nicht schlafen konnten? Er lauschte, doch aus Shujaas Zimmer, das neben dem seinen lag, drang kein Laut.

      Es hatte keinen Zweck. Er musste wissen, wie es Ahmad ging. Vorher konnte er nicht einschlafen.

      Seine Uhr zeigte kurz nach eins. Schnell warf er einen Blick hinüber zum zweiten Bett. Nakoa, sein Zimmergenosse vom Team Gelb, lag auf dem Bauch und schnarchte seelenruhig. Die verwuschelten schwarzen Haare des Neunzehnjährigen bildeten einen auffälligen Kontrast zu dem weißen Kopfkissen.

      Ob Ahmad allein war? Oder hielt sich Issam noch in der Klinik auf? Oder Tanyel? Oder beide?

      Egal. Entschlossen schlug Trajan die Decke zurück und schob die Beine aus dem Bett.

      Auf Zehenspitzen huschte er zur Tür und lauschte, ob etwas zu hören war. Doch im Haus herrschte Grabesstille. Die Guardians schliefen mit Sicherheit alle, auch Yonas. Issam hatte ihn nach der Heimkehr kurz untersucht und dann ins Bett geschickt. Von Tanyels strengem Blick verfolgt war der Sechzehnjährige hinauf in sein Zimmer gegangen. Das kurze Stück von dieser Halle im Schloss bis hin zum Kleinbus hatten Hennak und Tariq ihn fast tragen müssen. Keiner wusste, warum, denn Yonas war unverletzt. Aber Tariqs Anweisung war gewesen, dass sie ihn einfach in Ruhe lassen sollten. Tanyel hatte versprochen, ab und zu nach ihm zu sehen.

      Trajan ging zurück zum Bett, streifte Shirt und Jeans über und schlüpfte in seine Schuhe. Dann verließ er unhörbar das Zimmer.

      Durch das riesige Glasfenster in der Decke, das der Verbreiterung des Korridors den Namen Lichthof eingebracht hatte, fiel ungehindert das Licht des Vollmondes und ließ die Schatten scharf hervortreten. Alle Zimmer im zweiten Stock des Haupthauses erreichte man von hier. In der Mitte war eine große viereckige Milchglasscheibe im Boden, umgeben mit dem gleichen kunstvoll geschnitzten Holzgeländer wie dem an der Treppe. Durch sie konnte das Licht auch in die darunterliegende Etage fallen.

      Er wandte sich nach rechts.


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